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Editorial und Inhalt

ÖBl [2012] 6 (Seiten 241 - 288)

[EDITORIAL] von Helmut Gamerith
Zur Reichweite kartellrechtlicher Zugabenverbote


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[EDITORIAL] Zur Reichweite kartellrechtlicher Zugabenverbote

ÖBl 2012/57


Mit dieser Frage hat sich der OGH schon vor der Aufhebung des allgemeinen Zugabenverbots in der E Tageszeitung Ö 1) befasst. Dort ging er allerdings davon aus, dass diese Materie in dem betroffenen Bereich des Zugabenrechts von der RL-UGP und damit von der UWGNov 2007 unberührt geblieben ist. Ersteres ist richtig; Letzteres nicht. Bei der Umsetzung der RL-UGP ist an die Stelle des ZugG § 9 a UWG getreten, der in Abs 1 unterschiedliche Regeln für den geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern (Abs 1 Z 1) oder mit Unternehmern (Abs 1 Z 2) geschaffen hat. Abs 1 Z 2 wurde strenger gefasst, insb um zu verhindern, dass Großunternehmen ihre Marktmacht zur Erzwingung von Zugaben missbrauchen. Dementsprechend wurden alle Begehungsformen (Anbieten, Ankündigen, Gewähren) verboten. Die Ankündigung musste auch nicht für einen größeren Personenkreis bestimmt sein. 2)

Erst etwa ein halbes Jahr später legte der OGH dem EuGH gem Art 234 EGV die Frage vor, ob die RL-UGP § 9 a Abs 1 Z 1 UWG entgegenstehe. 3) Der EuGH antwortete 4), dass die RL-UGP einer nationalen Regelung  entgegenstehe, die ein allgemeines Zugabenverbot vorsieht und nicht nur auf den Schutz der Verbraucher abzielt, sondern auch andere Ziele verfolgt. Der OGH 5) entschied daraufhin, dass das Zugabenverbot nach § 9 a Abs 1 Z 1 UWG gegen den abschließenden Charakter der Liste jedenfalls unzulässiger Geschäftspraktiken in Anh I RL-UGP verstößt. Nach dieser Klarstellung hätte der nationale Gesetzgeber § 9 a Abs 1 Z 1 UWG aufheben oder richtlinienkonform ändern müssen. § 9 a Abs 1 Z 1 und 2 UWG sind gegenstandslos, weil die Werbung mit Zugaben als Geschäftspraktik nur dann unzulässig ist, wenn sie im Einzelfall irreführend, aggressiv oder sonst unlauter ist, also gegen §§ 2, 1 a oder 1 UWG verstößt.

Einen neuen Aspekt in Bezug auf verbotene Zugaben brachte die E Treuepunkteaktion II. 6) Die Bekl bot in ihren Einkaufszentren ihren Kunden Küchengeräte bis zu 87% unter dem jeweiligen Marktpreis an, doch war der Erwerb der Geräte an den vorherigen Kauf anderer Waren geknüpft. Die Kl sah darin einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch einen sachlich nicht gerechtfertigten Verkauf von Waren unter dem Einstandspreis iSd § 5 Abs 1 Z 5 KartG. Der OGH meinte hingegen, dass die Zulässigkeit unentgeltlicher Zugaben umso mehr für entgeltliche – wenngleich günstige – Koppelungsangebote gelten müsse.
Ein Verstoß liege nur vor, wenn die Unterdeckung bei der Nebenware nicht durch die Gewinnspanne bei der Hauptware ausgeglichen werde. Die Unzulässigkeitsschranke der §§ 1, 1 a und 2 UWG für Zugaben sei nicht überschritten worden.

Der jüngste Fall Hahnenkamm-Gewinnspiel“ 7) betrifft das Verhältnis zwischen § 9 a Abs 1 Z 1 UWG und § 5 Abs 1 Z 5 KartG. Die ErstBekl, die exklusive Sponsor-Partnerin des ÖSV ist, hat mit einem Gewinnspiel geworben, bei dem 2 x 2 VIP-Karten für den exquisiten Kitz Race Club von H. W. im Zielhang der Streif samt 2-tägigem Aufenthalt in einem luxuriösen 4-Sterne-Hotel und ein exklusives Treffen mit ÖSV-Stars zu gewinnen waren. Die Kl beantragte, den Bekl die Unterlassung dieser Werbung aufzutragen, weil sie geeignet sei, schwächere Mitbewerber zu behindern.
Das Klagebegehren wurde in allen Instanzen abgewiesen. Der OGH verwies auf die E Tageszeitung Ö (FN 1), wonach nicht verbotene unentgeltliche Zugaben durch einen marktbeherrschenden Unternehmer vor dem Hintergrund des Missbrauchsverbots nach § 5 Abs 1 Z 5 KartG dann rechtswidrig seien, wenn a) der vom Unternehmer beherrschte Markt für die Hauptware mit dem für die Zugabe relevanten Markt so eng verbunden sei, dass Kunden, die Bedarfsträger des einen Markts sind, notwendigerweise potenzielle Kunden auf dem anderen Markt sein können, und b) der Preis für die Hauptware nach Abzug des Werts der unentgeltlichen Zugabe unter dem Einstandspreis liegt. Diese Rsp hätten aber die Vorinstanzen undifferenziert auf das gesamte Gewinnspiel der Bekl angewendet. Werde aber nach den einzelnen Bestandteilen des Gewinnpakets unterschieden, sei die Vereinbarung der Bekl mit dem ÖSV ein exklusiver Sondervertrag, in dem auch ein nicht substituierbarer Preis ausgespielt werden dürfe; jedem Unternehmen der Branche wäre es freigestanden, sich unter gleichen Bedingungen um einen solchen Vertrag zu bemühen.

Helmut Gamerith


1) 8. 4. 2008, 4 Ob 23/08 y ÖBl 2008/69, 339.
2) RV 92 bei Wiltschek, UWG2 44.
3) 18. 11. 2008, 4 Ob 154/08 p, Fußballer des Jahres II, ÖBl 2009/12, 77. Dazu s Besprechungsaufsatz Gamerith, „Per se“-Verbote von Zugaben gemeinschaftsrechtlich unzulässig? ÖBl 2009/19, 100. Auf die damals behandelten Einzelheiten gehe ich hier nicht mehr ein. Die Fragestellung war aber auch schon darauf gerichtet, ob das Zugabeversprechen unzulässig ist, ohne dass im Einzelfall der irreführende, aggressive oder sonst unlautere Charakter dieser Geschäftspraktik geprüft werden müsste.
4) EuGH 9. 11. 2010, C-540/08, Fußballer des Jahres III, ÖBl 2011/21, 91; dazu s Haberkamm/Kühne, Zugabe, Zugabe! Ist nach dem „Fußballer-des-Jahres“-Urteil bald alles erlaubt? ÖBl 2011/14, 52 und Editorial Gamerith, ÖBl 2011/22, 97.
5) 15. 2. 2011, 4 Ob 208/10 g, Fußballer des Jahres IV, ÖBl 2011/26, 115 (Gamerith).
6) OGH 23. 3. 2011, 4 Ob 34/11 w ÖBl 2011/39, 168.
7) OGH 18. 9. 2012, 4 Ob 84/12 z, demnächst in ÖBl.

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