Der EuGH hat in einer weiteren Entscheidung (EuGH 22.1.2015, Rs C-441/13, Hejduk) einmal mehr bestätigt, dass der Gerichtsstand für Urheberrechtsverletzungen, die durch Handlungen im Internet begangen wurden, an jenem Ort, an dem der Schaden eingetreten ist, konstituiert wird.
Von Sonja Dürager, Rechtsanwalt bei bpv Hügel Rechtsanwälte OG
Ausgangslage
Die Architektur-Fotografin Pez Hejduk hat Lichtbilder über die Bauwerke eines Wiener Architekten angefertigt, die er im Rahmen einer von EnergieAgentur.NRW GmbH, eine Gesellschaft mit Sitz in Düsseldorf, veranstalteten Tagung verwendete. Im Weiteren soll EnergieAgentur diese Bilder ohne Zustimmung der Fotografin und ohne Urheberbezeichnung auf deren Website (www.energieagentur.nrw.de) zum Download bereitgehalten haben. Die Fotografin erhob deshalb eine Klage gegen EnergieAgentur beim Handelsgericht Wien wegen Verletzung ihrer urheberrechtlichen Leistungsschutzrechte unter anderem auf Zahlung von Schadenersatz in Höhe von EUR 4.050,00. EnergieAgentur wendete die mangelnde Zuständigkeit des Handelsgerichts Wien mit der Begründung ein, dass die Website mit der Top-Level-Domain .de (Deutschland) nicht auf Österreich ausgerichtet sei und die bloße Abrufbarkeit in Österreich nicht genügen würde, den Gerichtsstand zu begründen.
Das Handelsgericht Wien nahm diesen Rechtsstreit zum Anlass, an den EuGH eine Vorlagefrage zur Auslegung des Artikel 5 Nr 3 der Verordnung (EG) Nr 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vorzulegen, und zwar, ob dann, wenn die Website unter einer anderen TLD betrieben wird, als dem Mitgliedstaat des verletzten Rechtsinhabers entspricht, die Zuständigkeit nur bei dem Gericht, in welchem der potentielle Verletzer seinen Sitz hat begründet wird, und weiter nur bei jenem Gericht des Mitgliedstaates, auf den die Inhalte der Website ausgerichtet sind. Der EuGH bestätigte die Zuständigkeit des Handelsgerichtes Wien über die Anknüpfung an die Verwirklichung des Schadenserfolgs und erörterte, dass die Abrufbarkeit der Website nicht aber ihre Ausrichtung auf einen bestimmten Mitgliedstaat für die Zuständigkeit im Sinne des Art 5 Nr 3 VO Nr 44/2001 relevant sei. Damit wiederholen die Richter des EuGH ihre bereits in der im vorletzten Jahr ergangenen Entscheidung zur Rechtssache Pinckney (EuGH 3.10.2013, C-170/12) dargelegte Rechtsauffassung.
Die Zusammenfassung der Urteilsbegründung
Der EuGH wiederholt, dass unter „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“ im Sinne des Art 5 Nr VO Nr 44/2001 zu verstehen sei, sowohl der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolges als auch der Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens. Unter Referenz auf das Urteil Coty Germany (C-360/12) stellt er daher zunächst fest, dass die Zuständigkeit desjenigen Gerichtes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, begründet werden soll. Zum anderen verweist er unter Heranziehung des Pinckney-Urteils auf das Territorialitätsprinzip, dem die Urheberrechte unterliegen, weshalb diese in jedem Mitgliedstaat nach dem dort anwendbaren Recht verletzt werden können.
Verlangt wird vor diesem Hintergrund vom EuGH zunächst die Feststellung des Gerichtes, ob das schädigende Ereignis – was bei der gegenständlichen Urheberrechtsverletzung das Zugänglichmachen der Lichtbilder auf der Website durch deren Inhaber war – für die Begründung der Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes relevant ist. In concreto ist damit das ursächliche Geschehen am Sitz des Verletzers (Düsseldorf, Deutschland) eingetreten und die Zuständigkeit des Handelsgerichtes Wien nicht zu konstituieren. Im Weiteren ist zu bestimmen, ob die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes über den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs, wenn dieser an einem anderen Ort als dem Sitz des Verletzers ist, zu begründen ist. Die Urheberrechtsverletzung lag in der Veröffentlichung der Lichtbilder auf einer Website, die in Österreich abrufbar war, weshalb der Schadenserfolg in Österreich eintrat. Nach Auffassung des EuGH ist der Umstand, dass die Website nicht auf Österreich ausgerichtet war, sondern unter der TLD .de betrieben wurde, zur Bestimmung des Ortes der Verwirklichung des Schadens unerheblich. Der EuGH schränkt seine Auslegung des Art 5 Nr 3 VO Nr 44/2011 – wie auch bereits in der Rechtssache Pinckney - dahin ein, dass das in Österreich zuständige Gericht nur für die Entscheidung über den partiellen Schaden kompetent ist, der im Hoheitsgebiet von Österreich entstanden ist.
Resümee
Nach Art 5 Nr 3 VO Nr 44/2001 ist das Gericht zuständig, in dem die den Schaden verursachende Handlung verwirklicht wurde oder deren Folgen eingetreten sind. Diese Sichtweise für den Gerichtsstand schafft in Bezug auf das Internet immer wieder Probleme, da aufgrund der Ubiquität des World Wide Web theoretisch „weltweit“ ein Anknüpfungspunkt gegeben ist, allerdings der Schaden selbst nur schwer lokalisierbar ist. Dass es im Deliktsbereich nur auf die Abrufbarkeit nicht aber auf die inhaltliche Ausrichtung einer Website zur Begründung eines Gerichtsstandes ankommt, hat der EuGH bereits in der Rechtssache Pinckney konstatiert. Was nun allerdings den gegenständlichen Sachverhalt unterscheidet, ist der Umstand, dass sich eine Verletzungshandlung nicht eindeutig in einem bestimmten Mitgliedstaat zugetragen hat, weshalb ein Teilschaden für dieses Land oft nicht feststellbar sein wird.
Der Generalanwalt Villalón (Schlussanträge des Generalanwaltes Pedro Cruz Villalón vom 11.9.2014, C-441/13) hatte diesen faktischen Unterschied bei Streudelikten erkannt und daher die Anknüpfung an den Ort des Schadenseintritts für die gerichtliche Zuständigkeit betreffend Urheberrechtsverletzungen mit dem Argument, dass der Schaden im Fall der Verletzung des Urheberrechts bloß durch Verfügbarkeit bzw öffentliche Wiedergabe im Internet (gegenüber dem Anbieten und Verkauf von CDs im Internet, wie in Pinckney) nicht lokalisierbar sei, abgelehnt. Er trat dafür ein, dass dann, wenn es um die bloße Verfügbarkeit im Internet geht, welche keine Hinweise zur Lokalisierung des Schadens bietet, womit auch die Feststellung, ob überhaupt und in welchem Ausmaß ein räumlich segmentierter Schaden eingetreten ist, die Gerichte des Ortes des ursächlichen Geschehens zuständig sein sollten. Der EuGH erkennt allerdings die Frage nach dem Umfang des geltend gemachten Schadens als für die Prüfung der gerichtlichen Zuständigkeit unerheblich und hält daher daran fest, dass theoretisch 28 Gerichtsstände begründbar sind, soweit im jeweiligen Bezirk des angerufenen Gerichts die Gefahr der Verwirklichung des Schadenserfolges besteht.
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