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Bericht über das letzte ÖBl-Seminar 202308.05.2023

Das letzte ÖBl-Seminar gewährte wieder bei einem mit fast 200 Teilnehmern vollen Saal einen kompakten und praxisorientierten Überblick über die aktuelle Rechtsentwicklung im Wettbewerbsrecht sowie gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht. Dieses alljährliche Highlight wird von der Österreichischen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (ÖV) gemeinsam mit der RECHTSAKADEMIE MANZ organisiert. Die Experten aus allen Bereichen gaben in ihren Vorträgen einen aktuellen und spannenden Einblick in die einzelnen Rechtsbereiche.

Zusammenfassung des ÖBl-Seminars 2023

Das vergangene ÖBl-Seminar am 19.4.2023 gewährte wieder einen kompakten, praxisorientierten Überblick über die aktuellen Entwicklungen im Wettbewerbsrecht, gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht. Die beliebte Tagung wurde aufgrund der entspannten Corona-Situation in diesem Jahr wieder als Präsenz-Veranstaltung abgehalten und wurde von zahlreichen Teilnehmern besucht. Das Seminar – zum ersten Mal unter der Leitung und Moderation von RA Dr. Christian Schumacher und Generalsekretär Mag. Hannes Seidelberger – wurde von der Österreichischen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (ÖV) gemeinsam mit der RECHTSAKADEMIE MANZ organisiert.

Seit vielen Jahren eine „Institution“

Nachdem das bereits zum 29. Mal durchgeführte, alljährliche ÖBl-Seminar in den vergangenen drei Jahren nur online bzw als Hybrid-Veranstaltung mit beschränkter Personenanzahl abgehalten wurde, konnte die Veranstaltung heuer wieder uneingeschränkt vor Ort im Julius-Raab-Saal der WKO, Wiedner Hauptstraße 63, 1040 Wien, stattfinden.

Die Veranstaltung, die sich über fast drei Jahrzehnte unter der Tagungsleitung seines „Erfinders“ und Initiators Hon.-Prof. Dr. Guido Kucsko zu einer „Institution“ entwickelt hat, war auch in diesem Jahr mit vielschichtigen, aktuellen Inhalten zum Lauterkeits-, Marken-, Muster-, Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht (Kartellrecht) gut gefüllt. Einen ganzen Tag lang informierten hier Experten aus allen Bereichen (Wirtschaft, Wissenschaft, Justiz, Verwaltung, Patentanwaltschaft und Rechtsanwälte) umfassend über die neuesten Entwicklungen und erläuterten die jüngste Judikatur.

Die Veranstaltung

Nach der Begrüßung der Referenten und der über 180 Teilnehmer durch den Präsidenten der ÖV, RA Dr. Michael Meyenburg, stand am Beginn des Seminars ein kompaktes Einleitungsreferat von Dr. Stefan Harasek, Vizepräsident des Österreichischen Patentamts (ÖPA). Er informierte darüber, dass aufgrund des Inkrafttretens des Einheitspatentsystems und Einheitspatentgerichts mit 1.6.2023 die entsprechende lokale Kammer in Österreich dafür bereits eingerichtet worden sei. Die Verfahrenssprachen werden Deutsch und Englisch sein. Weiters verwies er auf aktuell laufende Projekte der Europäischen Kommission (EK) und auf mögliche Förderungen für Patent-, Marken- und Designanmeldungen aus dem KMU-Fonds des EUIPO.

Anschließend wurden die Themenblöcke zum Patentrecht und zum Kartellrecht im Rahmen einer Parallelsession in zwei getrennten Sälen präsentiert.  

Die neuesten Entwicklungen und die jüngste Rechtsprechung im Patentrecht wurden von Dr. Daniel Alge, Patentanwalt und Präsident der Patentanwaltskammer, und Patentanwalt DI Dr. Rainer Beetz referiert. Sie berichteten insbesondere über praktische Probleme bei der Stellung von Opt-out-Anträgen, mit denen die Zuständigkeit des neuen Einheitlichen Patentgerichts für Europäische Patente ausgeschlossen werden kann. Die präsentierten Entscheidungen der österreichischen Gerichte (OLG Wien, OGH) beschäftigten sich vor allem mit Fragen der erfinderischen Tätigkeit und dem Thema, wann eine unzulässige Überschreitung der ursprünglichen Offenbarung bei Anspruchsänderungen vorliegt. Darüber hinaus wurde die jüngste Entscheidung der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts diskutiert, die sich mit der Frage auseinandersetzt, inwiefern Beweismittel zur Stützung der erfinderischen Tätigkeit nach Einreichung der Patentanmeldung zulässig sind.

Zum Wettbewerbsrecht (Kartellrecht) berichtete zunächst Frau Dr. Irene Faber, Hofrätin des OGH, über eine Umbesetzung des Senats und über die steigende Zahl von Fällen, die letztes Jahr an das Kartellobergericht (KOG = 16. Senat des OGH) herangetragen wurden. In ihrem Überblick über die jüngste OGH-Judikatur im Wettbewerbsrecht behandelte sie insbesondere Entscheidungen betreffend die Akteneinsicht Dritter, den Grundsatz „ne bis in idem“, die verspätete Anmeldung eines Zusammenschlusses, die Veröffentlichung von kartellrechtlichen Entscheidungen und die Voraussetzungen für Hausdurchsuchungen.

Gegenstand des darauffolgenden Referats von Rechtsanwalt Hon.-Prof. MMag. Dr. Hanno Wollmann war die jüngste EuGH-Judikatur sowie der aktuelle nationale und europäische Normenbestand. Von den zwanzig, vom EuGH zu beurteilenden Fällen im Berichtszeitraum betraf nur ein Fall eine Direktklage über ein Kartell; die anderen Entscheidungen ergingen zu (vier) Vorabentscheidungsersuchen betreffend die SchadenersatzRL, zu (vier) Verfahren nach Art 102 AEUV und zu (elf) Sonderfällen. Inhaltlich spannte sich der Bogen der Entscheidungen von der Zurechnung des Verhaltens von Vertriebshändlern über die Frage des Nachweises der Gefährdungseignung bis hin zu Schadenersatzansprüchen im Zusammenhang mit dem LKW-Kartell. Weiters wies Dr. Wollmann insbesondere auf die von der BWB veröffentlichten Leitlinien zu Nachhaltigkeitskooperationen und zu Pränotifikationsverfahren in der Zusammenschlusskontrolle hin.

Der nachfolgende Teil war dem Lauterkeitsrecht gewidmet. Hier gab zunächst MMag. Erika Ummenberger-Zierler, Leiterin der Abteilung Wettbewerbspolitik und -recht des BMAW, einen Überblick über die aktuelle nationale und europäische Rechtsentwicklung. Als wesentlicher Punkt wurde dabei die im vergangenen Jahr erfolgte Umsetzung des „New Deal for Consumers“ der EU durch das Modernisierungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz II (MoRUG II) hervorgehoben, welche mehrere Änderungen des UWG – etwa zum Schadenersatz für Verbraucher oder neue Irreführungstatbestände – mit sich brachte. Weiters sei derzeit eine „kleine Novelle“ des UWG mit Änderungen der §§ 11 und 12 UWG in Begutachtung (Erhöhung des Strafrahmens, Ermächtigungs- statt Privatanklagedelikt). Auf europäischer Ebene liegen aktuell RL-Vorschläge zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel sowie für „Green Claims“ vor.

Daran anschließend präsentierte Mag. Hannes Seidelberger, Generalsekretär der ÖV und Geschäftsführer des Schutzverbandes gegen unlauteren Wettbewerb, den Teilnehmern wieder spannende Fälle aus der jüngsten lauterkeitsrechtlichen Judikatur des EuGH. Den Schwerpunkt dabei bildeten Entscheidungen zum Fehlen von Informationen und Irreführung durch Unterlassung. In diesem Rahmen hatte der EuGH etwa Fragen zur Anwendung des Begriffs der „unlauteren Geschäftspraktik“ im Vertragsbereich oder zur Irreführung durch eine unzureichend erläuterte Anwaltshonorar-Klausel zu behandeln. Eine wichtige Vorabentscheidung des EuGH erging zur Klagslegitimation für Verbände bei Verstößen gegen die DSGVO nach der UGP-RL, welche im fortgesetzten Verfahren (über eine Klage des VKI) vom OGH als gegeben erachtet wurde. Weiters informierte Mag. Seidelberger über interessante, laufende Vorlagefragen beim EuGH, wie etwa zum Begriff des Durchschnittsverbrauchers oder zum Verhältnis von Ansprüchen aus Rechtsbruch und Irreführung bei Informationspflichten.

Die aktuelle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Lauterkeitsrecht wurde in diesem Jahr erstmals von MMag. Michael Matzka, Hofrat des 4. Senats des OGH, präsentiert. Nach einer als „Prolog“ präsentierten Entscheidung des OGH über die auf eine Schutzgesetzverletzung des § 1 UWG gegründete Deckungsklage (Schadenersatz) eines Verbrauchers gegen einen Rechtsschutzversicherer (nach der Rechtslage vor dem MoRUG II), referierte der Vortragende anhand einer in drei Teile gegliederten Fallübersicht die jüngsten Entscheidungen des Höchstgerichts zu Fragen wie Handeln im geschäftlichen Verkehr, ad hoc – Wettbewerbsverhältnis, Rechtsbruch, Blickfang und unlautere Herabsetzung. Zusätzlich dazu informierte Hofrat Matzka über praxisrelevante Beschlüsse des OGH zu prozessualen Themen wie zur Auslegung des Klagebegehrens, zum Rechtsschutzinteresse, zur Wiederholungsgefahr und zur Ablehnung eines Vergleichsangebots. Eine spannende Diskussion über mehrere der vorgetragenen Entscheidungen rundeten diesen Teil des Seminars ab.       

Im nachfolgenden, dem Markenrecht gewidmeten Teil lag der Schwerpunkt traditionell wieder auf der Darstellung wichtiger Gerichtsentscheidungen. Die von RA Dr. Christian Schumacher referierte, jüngste Judikatur des EuGH befasste sich im Berichtszeitraum stark mit den im Markenrecht vorgesehenen Einschränkungen der Rechte des Markeninhabers (Erschöpfung, Verwirkung, aber auch hinsichtlich älterer Rechte von lediglich örtlicher Bedeutung). Neue Schlussanträge bzw Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Mitinhaberschaft an einer Unionsmarke und die Verwendung einer fremden Marke zur Bezeichnung eines Preises bei einem Gewinnspiel.

Im Anschluss daran stellte Dr. Reinhard Hinger, Präsident des insbesondere für Rechtsmittel gegen Entscheidungen des ÖPA zuständigen Senats des OLG Wien, die Entscheidungspraxis dieses Senats im vergangenen Jahr dar. Gegliedert nach den Schlagworten „Eintragen?“, „Verwechslungsgefahr“ und „Benutzt?“ wurde den Teilnehmern in diesem Referat mit zahlreichen Abbildungen bzw grafischen Darstellungen der verfahrensgegenständlichen (Bild)Marken auf anschauliche Weise ein kurzweiliger Überblick über die aktuelle Judikatur geboten, die sich besonders mit dem Schutzhindernis mangelnder Unterscheidungskraft zu befassen hatte.

Dr. Erich Schwarzenbacher, Hofrat im 4. Senat des OGH, präsentierte heuer bereits zum dritten Mal die jüngste höchstgerichtliche Markenrechts-Judikatur. Die mit Abbildungen illustrierten elf Entscheidungen des OGH, die in Verfahren im Rechtszug vom ÖPA und insbesondere in Verletzungsverfahren ergingen, wurden – in vier Teile aufgegliedert (Eintragung, Löschung, Widerspruch, Verletzung) – in kompakter Weise präsentiert.

Mag. Christoph Bartos, Mitglied der Beschwerdekammer(n) des EUIPO in Alicante, hatte für sein Referat mit dem Titel „Was gibt es Neues?“ wieder interessante Entscheidungen des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum ausgewählt. Wie immer grafisch bestens aufbereitet, wurden hier Fälle von absoluten/relativen Eintragungshindernissen ebenso behandelt wie relevante verfahrensrechtliche Fragen. Auch dieses Jahr steuerte Mag. Bartos für die Seminarunterlagen eine umfassende Aufstellung der wichtigsten Entscheidungen mit dem Titel „Boards of Appeal – Important Decisions“ bei. Ergänzend dazu war den über die MANZ-Cloud abrufbaren Unterlagen eine Seite mit Links zu Berichten des EUIPO angeschlossen. Auch diesem Teil der Veranstaltung folgte eine lebendige Diskussion.

Zum Musterrecht (Designrecht) berichtete Rechtsanwältin Birgit Kappeler-Hirsch, LL.M., LL.B., zunächst von einem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Reform des EU-Designrechts, der zahlreiche Änderungen der GGV und der Geschmacksmusterrichtlinie vorsieht. Die präzise und mit instruktiven Abbildungen dargebotenen Entscheidungen des EuGH, des EuG und des OGH betrafen Themen wie die Sichtbarkeit eines komplexen Erzeugnisses bei bestimmungsgemäßer Verwendung, die Relevanz alternativer Designrechte für technische Bedingtheit, die Funktion eines Designschutzes als „Konzeptschutz“ sowie neuheitsschädliche Vorveröffentlichungen auf Amazon.

Der Teil zum Urheberrecht wurde von Mag. Christian Auinger, Sektionschef des BMJ, eröffnet, der zunächst die aktuellen Pläne der Europäischen Kommission erläuterte, wie zB eine Empfehlung zur Bekämpfung der Online-Piraterie von Live-Inhalten, die bereits im Mai 2023 vorgestellt werden soll. Er informierte weiters über die seit längerer Zeit laufenden Verhandlungen auf Ebene der WIPO, wie zB über den „WIPO Broadcasting Treaty“ zur Modernisierung des verwandten Schutzrechts der Sendeunternehmen. Betreffend die Rechtsvorhaben in Österreich berichtete er über die neuerliche Diskussion über die Aufhebung der ORF-Ausnahme nach § 17 Abs 3 UrhG und die Gespräche zu der im Regierungsprogramm vorgesehenen Evaluierung der Regelungen über Verwertungsgesellschaften.

Im Anschluss daran präsentierten Assoz.-Prof. Dr. Manfred Büchele vom Institut für Unternehmens- und Steuerrecht der Universität Innsbruck und Dr. Christian Handig von der Abteilung für Rechtspolitik der Wirtschaftskammer Österreich gemeinsam die neueste österreichische Judikatur und die europäische Rechtsprechung zum Urheberrecht. Die geschilderten Entscheidungen betrafen zB das Zitatrecht, die Parodie und die Meinungsäußerungsfreiheit, wobei der OGH bisher offenlässt, ob sich aus diesem Grundrecht selbst Rechte ableiten ließen. Nach den Sachverhaltsschilderungen und Erörterungen der zentralen rechtlichen Aspekte wurden die wesentlichen Aussagen einer Entscheidung jeweils in einer „Quintessenz“ zusammengefasst. Näher erörtert wurde insbesondere der Fall eines Drehorts einer Filmproduktion, wo sich die Frage stellte, ob dafür die Zustimmung der Architekten der Generalsanierung der betreffenden Villa notwendig gewesen wäre und ob diese im Abspann des Films zu nennen gewesen wären. Seitens des EuGH lagen diesmal nur zwei Entscheidungen vor, nämlich einerseits zur Zulässigkeit der Einrichtung von Verwertungsgesellschaften und andererseits zu einem Hotelbetrieb, der über eine Parabolantenne ein Rundfunkprogramm empfängt und dieses über Koaxialkabel in die Hotelzimmer weiterleitet. Hier hat der EuGH die Hauptfrage, ob ein Rundfunksender das Recht hat, diesen Vorgang zu verhindern bzw eine Gebühr dafür zu erheben, verneint. Weiters wurde auf eine Reihe von derzeit anhängigen Verfahren vor dem EuGH hingewiesen, deren Ergebnisse mit Spannung erwartet werden.

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