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EuGH: Unzulässige Bewerbung eines Biozidprodukts als „hautfreundlich“08.07.2024

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) sieht in der Bezeichnung „hautfreundlich“ für ein Desinfektionsmittel eine unzulässige Irreführung der Verbraucher.

Der Entscheidung des EuGH (20.6.2024, C-296/23) ging ein Vorabentscheidungsersuchen des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) zur Auslegung der Biozidprodukte-Verordnung (EU) Nr. 528/2012 voraus. So darf gemäß Art 72 Abs 3 dieser VO in der Werbung für Biozidprodukte das Produkt nicht in einer Art und Weise dargestellt werden, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist (erster Satz). Die Werbung für ein Biozidprodukt darf auf keinen Fall die Angaben ‚Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial‘, ‚ungiftig‘, ‚unschädlich‘, ‚natürlich‘, ‚umweltfreundlich‘, ‚tierfreundlich‘ oder ähnliche Hinweise enthalten (zweiter Satz).

Die Deutsche Wettbewerbszentrale hatte im Ausgangsstreit eine große Drogeriemarktkette wegen der Bezeichnung „hautfreundlich“ auf dem Etikett eines Desinfektionsmittels geklagt, weil diese Bezeichnung gegen die Biozidprodukte-VO verstoße. Im Laufe des Verfahrens zeigte sich, dass insbesondere die Worte „ähnliche Hinweise“ in Art 72 Abs 3 Satz 2 Biozidprodukte-Verordnung unterschiedlich ausgelegt wurden, was den BGH zu folgender Frage an den EuGH veranlasste: Sind „ähnliche Hinweise“ im Sinne dieser Bestimmung nur solche in einer Werbung enthaltenen Hinweise, die genauso wie die in dieser Vorschrift ausdrücklich aufgezählten Begriffe die Eigenschaften des Biozids hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit in pauschaler Weise verharmlosen, oder fallen unter „ähnliche Hinweise“ alle Begriffe, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit einen den konkret aufgezählten Begriffen vergleichbaren verharmlosenden, nicht aber zwingend auch einen generalisierenden Gehalt wie diese aufweisen?

Der EuGH legte dieses Verbot im zweiteren Sinne und damit weit aus: Die Verordnung enthält keinen Hinweis darauf, dass das Verbot der Verwendung in der Werbung für Biozidprodukte nur auf allgemeine Angaben beschränkt wäre. So kann sowohl ein allgemeiner als auch ein spezifischer Hinweis, der die Risiken eines Biozidprodukts verharmlose, in Bezug auf das Vorliegen dieser Risiken irreführend sein. Daher umfasst der Begriff „ähnliche Hinweise“ jeden Hinweis in der Werbung für Biozidprodukte, der diese in einer Art und Weise darstellt, die irreführend ist, indem er diese Risiken verharmlost oder sogar negiert, ohne jedoch zwingend allgemeinen Charakter zu haben. Die Angabe „hautfreundlich“ hat auf den ersten Blick eine positive Konnotation, die die Erwähnung jeglicher Risiken vermeidet, so dass sie nicht nur geeignet ist, die schädlichen Nebenwirkungen des fraglichen Produkts zu relativieren, sondern auch anzudeuten, dass dieses Produkt für die Haut sogar von Nutzen sein könnte. Eine solche Angabe ist irreführend, so dass das Verbot ihrer Verwendung in der Werbung für das fragliche Biozidprodukt gerechtfertigt ist.

 

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