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Urteil des EuGH zum „Handel mit gebrauchter Software“20.07.2012

von Sonja Dürager, Rechtsanwältin bei bpv Hügel Rechtsanwälte OG

Erlaubt ein Softwarehersteller seinen Kunden ein zeitlich unbefristetes Nutzungsrecht gegen Entgelt an der durch Download von seiner Website erworbenen Kopie der Software, so kann er sich der Weiterveräußerung dieser Softwarelizenz wegen der eingetretenen Erschöpfung nicht mehr widersetzen. Das ist der Tenor aus dem Urteil des EuGH vom 3.7.2012 (C-128/11), der verständlicherweise bei Softwareherstellern und Usern auf geteilte Meinung stößt.

Der Rechtsstreit

Ausgang nahm der diesem Urteil zugrunde liegende Rechtsstreit in Deutschland am LG München zwischen Oracle International Corp. und UsedSoft GmbH, einem Unternehmen, das mit gebrauchter Software handelt. Oracle vertreibt Software, die sie in vielen Fällen ihren Kunden zum Erwerb per Download auf ihrer Website zur Verfügung stellt. Der abzuschließende Nutzungsvertrag sieht unter anderem vor: „… ausschließlich für Ihre internen Geschäftszwecke ein unbefristetes, nicht ausschließliches,  nicht abtretbares und gebührenfreies Nutzungsrecht für alles, was Oracle entwickelt und Ihnen auf der Grundlage dieses Vertrages überlässt.“ UsedSoft hat im Oktober 2005 mit dem Slogan „Oracle-Sonderaktion“ bereits benutzte Softwarelizenzen für Oracle-Software, die UsedSoft selbst von Kunden der Oracle erworben hat, zum Kauf angeboten. Die Kunden von UsedSoft mussten nach Erwerb der Lizenzen die entsprechende Software von der Website der Oracle herunterladen. Oracle hat sich dadurch in ihrem Urheberrecht an der Software als verletzt erachtet und Unterlassung dieser Praktiken begehrt. Oracle wurde in den ersten beiden Instanzen Recht gegeben; dagegen erhob UsedSoft Revision. Aus Anlass der Revision hat der BGH am 14.3.2011 drei Rechtsfragen zur Auslegung der Richtlinie 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen vom 23.4.2009 im Zusammenhang mit dem Online-Handel mit gebrauchter Software dem EuGH vorgelegt.

Die Entscheidung

Die vom BGH vorgelegten 3 Fragen beantwortete nunmehr der EuGH im Wesentlichen unter Übernahme der Rechtsansichten des Generalanwaltes Bot in seinem Schlussantrag vom 24.4.2012, allerdings mit einer noch liberaleren Ansicht in Bezug auf den Erwerb gebrauchter Software per Download durch den Zweiterwerber. So hat Generalanwalt Bot zwar den Verkauf von „Second-Hand-Lizenzen“ erlaubt, aber dahin eingeschränkt, dass nur die ursprünglich heruntergeladene Software Gegenstand des Verkaufs an den Zweiterwerber sein darf.

Der EuGH widmet sich in seiner Entscheidung zunächst der zweiten Frage, ob und unter welchen Umständen das Herunterladen einer Kopie eines Computerprogramms von der Website des Herstellers auf den eigenen Computer mit Zustimmung des Urheberrechtsinhabers zu einer Erschöpfung des Verbreitungsrechts führen kann. Als erste Voraussetzung wird konstituiert, dass der Lizenzgeber dem Lizenznehmer ein unbefristetes Recht zur Nutzung der Kopie eines Computerprogramms gegen Entgelt eingeräumt hat, und damit die Software im Sinne des Erschöpfungsgrundsatzes nach Art 4 Abs 2 der RL übertragen wurde. Ob die Kopie mittels eines Datenträgers wie zB einer CD oder zum Download auf der Website zur Verfügung gestellt wird, spielt zur Beurteilung des Vorliegens eines „Erstverkaufs“ einer Programmkopie keine Rolle. Der EuGH unterscheidet daher für die Frage nach der Erschöpfung des Verbreitungsrechts nicht danach, ob die fragliche Kopie in körperlicher oder unkörperlicher Form vorhanden ist.

Zum von Oracle erhobenen Einwand, dass der abgeschlossene Wartungsvertrag die Erschöpfung verhindere, da es sich bei der durch den Zweiterwerber heruntergeladenen Kopie aufgrund allfälliger Releases möglicherweise nicht mehr um die Erstkopie, sondern um eine neue Kopie handle, meint der EuGH, dass sich die Erschöpfung auch auf die verkaufte Programmkopie in der verbesserten und aktualisierten Fassung erstreckt. Selbst wenn nämlich der Wartungsvertrag befristet sei, so wären doch die aufgrund dieses Vertrages ergänzten Funktionen Bestandteil der ursprünglichen Kopie und können daher vom Erwerber unbeschränkt genutzt werden, auch wenn der Vertrag auslaufen würde. Die einzige Einschränkung für die Weiterveräußerung der Softwarelizenzen trifft der EuGH dahin, dass der Ersterwerber zum Zeitpunkt des Verkaufs seine eigene Kopie unbrauchbar machen muss, und daher auch nicht ein von ihm erworbenes Lizenzpaket dahin aufspalten darf, dass er die seinen Bedarf übersteigenden Lizenzen weiterveräußert.

Im weiteren behandelt der EuGH die erste und dritte Vorlagefrage gemeinsam, da beide zum Gegenstand haben, ob der Zweiterwerber, der sich auf eine Erschöpfung des Verbreitungsrechts berufen kann, rechtmäßiger Erwerber im Sinne des Art 5 Abs 1 der RL ist, und daher berechtigt ist, das Computerprogramm durch Herunterladen zu vervielfältigen, um es bestimmungsgemäß benutzen zu können. Der EuGH billigt dem Zweiterwerber zu, ein rechtmäßiger Erwerber zu sein, da der Urheberrechtsinhaber dem Weiterverkauf der Kopie, für die sein Verbreitungsrecht erschöpft ist, nicht widersprechen kann. Somit kann sich der Urheberrechtsinhaber auch nicht unter Berufung auf sein Vervielfältigungsrecht dem Download widersetzen, da dieser erforderlich sei, um das Programm bestimmungsgemäß nutzen zu können. Könnte er sich auf sein ausschließliches Vervielfältigungsrecht berufen, nähme er der Erschöpfung jede praktische Wirksamkeit. Im Zuge dieser Vorlagefragen gelangt der EuGH auch zu der Feststellung, dass das Herunterladen der Kopie von der Website und der Abschluss des Lizenzvertrages ein untrennbares Ganzes sind. In Hinblick auf diesen untrennbaren Zusammenhang zwischen der Kopie in der jeweils aktualisierten Version zum einen und der entsprechenden Lizenz zum anderen erfasse der Weiterverkauf der Lizenz den Weiterverkauf dieser Programmkopie im Sinne des Art 4 Abs 2 der RL. Offenbar geht der EuGH daher davon aus, dass der Nutzungsvertrag gemeinsam mit der Veräußerung der Software an einen Dritten übertragen wird. Dieses obiter dictum wird sicherlich noch Anknüpfungspunkt für viele Diskussionen sein.

Fazit

Der EuGH bezieht erstmalig in den Umfang der Erschöpfung des Verbreitungsrechts sowohl körperliche als auch nichtkörperliche Programmkopien und somit auch Kopien von Computerprogrammen, die bei ihrem Erstverkauf aus dem Internet auf den Computer des Ersterwerbers heruntergeladen werden, ein. Er erkennt auch – in Abkehr vom Schlussantrag des Generalanwaltes Bot – dass die Vervielfältigung der Programmkopie beim Zweiterwerber zulässig sein muss, da dieser andernfalls die Software nicht bestimmungsgemäß nutzen kann, und damit die Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes auf online vertriebene Software ad absurdum geführt werden würde.

Dieses Urteil trägt der Entwicklung Rechnung, dass die Regeln der Offline-Welt auch online gelten müssen, und wird den tatsächlichen Gegebenheiten, wonach Software-Handel kaum noch über Datenträger geschieht, sondern eine rasante Digitalisierung in dieser Branche Einzug gehalten hat, gerecht. Es wird daher dem vorgebeugt, dass die Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes durch den Einsatz von Internet umgangen und damit der Gebraucht-Handel mit online vertriebener Software unmöglich gemacht wird. Den Bedenken, dass durch die Erlaubnis des Online-Handels mit gebrauchter Software ein Wildwuchs an unzulässig oder zulässig kopierten Lizenzen entstehen würde, kann entgegen gehalten werden, dass durch den Einsatz von Digital Rights Management-Systemen die Möglichkeit besteht, online-Vervielfältigung von Programmkopien zu kontrollieren. Das würdigt auch der EuGH, indem er meint, dass Softwarehersteller zur Überwachung, ob der Kunde die beim ihm vorhandene Kopie löscht, technische Schutzmaßnahmen anwenden mögen. Letztlich können wohl solche Maßnahmen die Rechte von Usern sogar noch mehr beschränken, weshalb digitale Kopien kontrollierbarer als analoge Kopien zu sein scheinen; allerdings gilt es zunächst aus technischer Sicht effektive Maßnahmen zu finden.

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