von Max W. Mosing, Rechtsanwalt bei Gassauer-Fleissner Rechtsanwälte GmbH
Bisher war es herrschende Ansicht, dass man – außer bei Eingriffen in die Privat- und Intimsphäre – das Fotografieren seiner Person nicht untersagen konnte. Aus OGH 27.2.2013, 6 Ob 256/12h, könnte ein "allgemeines Fotografierverbot" geschlossen werden, wobei dann die Konsequenzen für die Praxis kaum absehbar wären: Profifotografen und Medien fürchten sogar „Selbstzensur“. Die Entscheidung kann freilich auch weniger dramatisch gelesen werden: Dann stellt sie – längst überfällig – einfach nur klar, dass auch bei der Fotoaufnahme eine Interessensabwägung zu erfolgen hat und die Interessen des Fotografen überwiegen bzw zumindest berechtigt sein müssen. Hat – wie im Ausgangsfall – der Fotograf keinerlei berechtigtes Interesse und muss der Abgebildete Missbrauch befürchten, so ist schon die Aufnahme rechtswidrig.
Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung zu Grunde: Ein Hauseigentümer befindet sich in Rechtsstreit mit einem Bauunternehmen. Im Zuge dessen findet eine Befundaufnahme durch den gerichtlichen Sachverständigen unter Beisein der Parteien und Parteienvertreter statt. Der Hauseigentümer fertigt - ohne dies zuvor anzukündigen oder zu erklären - mit seiner Digitalkamera ein Lichtbild an, auf welchem unter anderem der Rechtsanwalt der Gegenseite abgebildet wurde. Der Rechtsanwalt fordert sofort nach Anfertigung des Lichtbildes die fotografierende Gegenpartei auf, das Foto zu löschen. Auf Frage nach dem Zweck des Fotos antwortet der Hauseigentümer: „Zur Belustigung“ und in weiterer Folge verweigert er die Löschung des Fotos. Der klagende Rechtsanwalt begehrt, den Fotografierenden schuldig zu erkennen, die Anfertigung von Lichtbildern des Rechtsanwalts zu unterlassen.
Seine rechtliche Beurteilung einleitend betont der OGH, dass eine Überspannung des Schutzes der Persönlichkeitsrechte zu einer unerträglichen Einschränkung der Interessen anderer und jener der Allgemeinheit führe. Aus der Schutzpflicht des Staates aufgrund der Europäischen Menschenrechtskonvention schließt der OGH dann (aber), dass zu gewährleisten ist, dass bereits die Herstellung eines Bildnisses ohne Einwilligung des Abgebildeten einen unzulässigen Eingriff in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht darstellen kann. Dem folgend, kann auch die Herstellung von Bildnissen einer Person in der Öffentlichkeit zugänglichen Bereichen und ohne Verbreitungsabsicht ein unzulässiger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen sein: Schon das damit verbundene fotografische Festhalten einer bestimmten Tätigkeit oder Situation kann vom Abgebildeten als unangenehm empfunden werden und ihn an der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit hindern. Dies gilt insbesondere in Anbetracht der Verbreitungs-, aber auch Manipulationsmöglichkeiten durch die moderne (Digital-)Technik, kann der Aufgenommene doch im Vorhinein nie wissen, wie der Fotografierende die Aufnahme in der Folge verwenden wird.
Der OGH erkennt, dass es - wie stets bei der Ermittlung von Umfang und Grenzen von Persönlichkeitsrechten - einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung im Einzelfall bedarf: Je weniger deutlich die Identifzierbarkeit ist, desto geringer ist die Beeinträchtigung. Außerdem ist zu berücksichtigen, ob die Aufnahme gezielt erfolgt oder eine Person nur zufällig auf ein Bild gerät: Wenn vorübergehende Passanten zufällig in eine Aufnahme miteinbezogen werden, müssen es diese ohne weiteres hinnehmen, wenn sie öffentlichen Wegeraum benutzen. Der OGH geht dann von folgender These aus: "Ist der Abgebildete überhaupt nicht mehr zu identifizieren - wie etwa bei Urlaubsfotos außenstehende Personen im Hintergrund der Aufnahme - scheidet eine Persönlichkeitsrechtsverletzung in der Regel jedenfalls dann aus, wenn der Abgebildete nicht den Eindruck erhält, er werde gezielt fotografiert."
Zurück zum Ausgangsfall: Der Rechtsanwalt ist einwandfrei zu identifizieren. Der Hauseigentümer hat kein schutzwürdiges Interesse an der Notwendigkeit der Anfertigung einer Fotografie dargetan und - nach Ansicht des OGH - wäre es ihm freigestanden, das Einverständnis des Klägers zu verlangen und seine Fotografie entsprechend zu erklären. Stattdessen verwies der Fotografierende darauf, er habe dies „zur Belustigung“ angefertigt. Damit musste - nach Ansicht des OGH - die Aufnahme aber schon nach dem objektiven Wortlaut dieser Erklärung als besonders bedrohlich erscheinen, musste der fotografierte Rechtsanwalt doch in Anbetracht der Möglichkeiten der modernen Digitaltechnik mit entsprechenden Manipulationen bzw einem Missbrauch ernsthaft rechnen.
Ergebnis und (unberechtigte) Aufregung bei Fotografen und Medien
Weitergedacht bedeutet die Entscheidung, dass der OGH ein "allgemeines Verbot personenidentifizierender Fotografie" anerkennt, wenn (a) dem Fotografen nicht berechtigte Interessen zukommen oder (b) der Fotografierte nicht seine Zustimmung erteilt hat. Dieses Ergebnis erinnert an das datenschutzrechtliche „Datenverwendungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt“ und ist daher jedenfalls bei Digitalfotografie stimmig.
Dass im Zeitpunkt der Bildaufnahme die Interessen des Fotografen mit jenen des Fotografierten abzuwägen sind, überrascht daher eigentlich nicht, erstaunt aber die „gelernten Medien- und Urheberrechtler“, weil § 78 UrhG dies nicht hergibt und auf den ersten Blick ein Widerspruch besteht: Das Recht am eigenen Bild greift ja nur, wenn durch die Veröffentlichung des Bildes berechtigte Interessen des Abgebildeten oder, falls er gestorben ist, ohne die Veröffentlichung gestattet oder angeordnet zu haben, eines nahen Angehörigen verletzt würden - auf die Interessen des Fotografierenden kommt es dabei in der Regel nicht an. Nach dem OGH greift dieser Schutz aber zu kurz, um der EMRK gerecht zu werden, sodass zu fordern ist, dass der Fotograf zumindest berechtigte, wenn nicht überwiegende Interessen hat, um fotografieren zu dürfen. Mit anderen Worten: Sind die Interessen des Abgebildeten eindeutig bzw macht dieser solche berechtigt geltend, bedarf es entsprechender Interessen des Fotografen. Daran schließt dann schlüssig das Recht am eigenen Bild hinsichtlich der Veröffentlichung an.
Für Fotografen und deren Fotos abdruckende Medien bedeutet das freilich – gegenüber der bisherigen Praxis – einen weiteren Prüfungsschritt: Bisher war ja „nur“ zu prüfen, ob die Veröffentlichung des Fotos berechtigte Interessen des Fotografierten verletzten konnte. Jetzt ist (auch) zu prüfen, ob es ein berechtigtes Interesse des Fotografen gibt bzw gab. Bei relativen oder absoluten Personen der Zeitgeschichte wird das Interesse an der Fotografie und die Nicht-Verletzung bei der Veröffentlichung in der Regel bestehen. Aber Ausnahmen bestätigen ja bekanntlich die Regel!
Einer Interessensabwägung bedarf es – wie der OGH vorzeichnet - nicht, wenn der Abgebildete seine Zustimmung zur Fotografie erteilt hat. (Auch) hier ist wohl auf die Definition im Datenschutzrecht zurückzugreifen, wonach die Zustimmung als gültige, insbesondere ohne Zwang abgegebene Willenserklärung in Kenntnis der Sachlage für den konkreten Fall definiert wird. Diese Zustimmung ist nicht formgebunden und kann daher auch stillschweigend erfolgen, sodass die Zustimmung bei feierlichen Gruppenfotos udgl genauso angenommen werden kann, wie bei Veranstaltungen udgl, wo mit Fotografen zu rechnen ist. Letzterem könnte wieder das "Vermummungsverbot" bei Demonstrationen widersprechen. Es bleibt daher bei einer schwierigen Interessensabwägung im Einzelfall!
Das kolportierte „Fotografierverbot“ darf aber keinen Falls zu weite Kreise ziehen, weil es sonst in den Köpfen der Fotografen zu einer „Selbstzensur“ führen könnte: Sie überlegen so lange, ob sie überhaupt fotografieren dürfen, dass sie es schließlich gar nicht erst tun. Diese Konsequenz gilt es natürlich zu verhindern; es muss daher an die die Entscheidung einleitenden Worte des OGH erinnert werden: „Eine Überspannung des Schutzes der Persönlichkeitsrechte führt zu einer unerträglichen Einschränkung der Interessen anderer und jener der Allgemeinheit.“
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