von RA Dr. Sonja Dürager
Der EuGH hat am 13. Februar 2014 (Rs C-466/12) klärende Worte in einer schon mehrfach diskutierten Urheberrechtsfrage gesprochen: Das Bereitstellen von anklickbaren Links zu Werken, die frei zugänglich sind, ist zulässig.
Damit steht fest, dass das Setzen eines Links auf der eigenen Website zu einem fremden Werk urheberrechtsfrei ist, vorausgesetzt, das fremde Werk ist auf der Ursprungsseite frei zugänglich. Diese Entscheidung vermag zwar auf den ersten Blick Klarheit im Umgang mit Werken im Internet zu verschaffen, lässt allerdings bei genauerer Betrachtung eine juristisch nicht unerhebliche klare Differenzierung bezogen auf den Begriff „Links“ vermissen.
Der Rechtsstreit
Retriever Sverige AB ist ein schwedischer Anbieter von Medienbeobachtungsdiensten, der seinen Kunden, recherchierte Online-Beiträge über die eigene Website durch Verlinkung zu diesen fremden Werken zugänglich macht. Herr Svensson, Herr Sjögren, Frau Sahlman und Frau Gadd sind jeweils Journalisten bei der Zeitung „Göteborgs-Posten“, die auch eine Internetseite betreibt. Die Artikel der Journalisten waren auf der Website von Göteborgs-Posten frei zugänglich und hat Retriever Sverige AB ohne die Zustimmung der Autoren einzuholen auf diese Artikel verlinkt. Vor diesem Hintergrund klagten die Journalisten in weiterer Folge auf Zahlung von Schadenersatz wegen Verletzung ihrer Ausschließlichkeitsrechte als Urheber dieser Artikel durch Verweis auf diese mit anklickbaren Links. Die Klage wurde in erster Instanz abgewiesen; die Journalisten erhoben Rechtsmittel.
Die Entscheidung
Die ersten drei Vorlagefragen des schwedischen Rechtsmittelgerichtes zielten darauf ab, ob es eine Nutzungshandlung im Sinne des Art 3 Abs 1 InfoSoc-RL (Recht der öffentlichen Wiedergabe von Werken und Recht der öffentlichen Zugänglichmachung sonstiger Schutzgegenstände) darstellen würde, wenn auf einer Internetseite anklickbare Links zu auf einer anderen Internetseite verfügbaren geschützten Werken bereitgestellt werden. Der EuGH gelangt zu dem Ergebnis, dass eine Bereitstellung von anklickbaren Links („Hyperlinks“ – der Begriff wird vom EuGH nur einmal im Urteilskopf verwendet; sonst wird undifferenziert „Links“ geschrieben) grundsätzlich eine Handlung der Wiedergabe im Sinne der gegenständlichen Bestimmung sein kann. Eine nach Art 3 Abs 1 InfoSoc-RL urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung liegt allerdings dann nicht vor, wenn auf einer Internetseite anklickbare Links zu Werken bereitgestellt würden, die auf einer anderen Internetseite frei zugänglich sind. Der EuGH zieht für diese Argumentation frühere Entscheidungen (zB ITV Broadcasting, C-607/11) heran, wonach eine den Art 3 Abs 1 charakterisierende „öffentliche Wiedergabe“ nur dann vorliegt, wenn sich die Wiedergabe an ein neues Publikum richtet, dh an ein Publikum, dass die Inhaber des Urheberrechts nicht erfassen wollten, als sie die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubten. Die Quelle für die verlinkten Artikel hatte keine Maßnahmen zur Beschränkung der Nutzer vorgesehen, weshalb potentielle Adressaten der ursprünglichen Wiedergabe alle Mitglieder der Öffentlichkeit, und daher auch diejenigen Personen, welche über den anklickbaren Link zur Website gelangten, waren. In diesem Sinn wurden die Werke durch die Verlinkung nicht einem neuen Publikum zugänglich gemacht und fehlt es an der öffentlichen Wiedergabe.
Einen nationalen weitergehenden Schutz, der über diese Reichweite des Urheberrechtsschutzes hinausgeht, erachtet der EuGH als unzulässig. Die gestellte vierte Vorlagefrage nach der Zulässigkeit der Ausdehnung der vom Verwertungsrecht der öffentlichen Wiedergabe erfassten Fälle auf andere Handlungen ist daher nach Auffassung des EuGH im Sinne des Funktionierens des Binnenmarktes nicht zulässig.
Ausblick
Die Entscheidung des EuGH sorgt zumindest bei österreichischen Juristen wohl für keine große Überraschung, da sich der OGH bereits in der Entscheidung „123people“ klar dahin geäußert hat, dass ein Linksetzer, der auf rechtmäßig ins Internet gestellte Inhalte verweist, ohne dabei technische Schutzmaßnahmen des Berechtigten vor unkontrolliertem öffentlichem Zugang zu umgehen, nicht in das dem Urheber vorbehaltene Zurverfügungstellungsrecht des § 18a UrhG eingreift (RIS-Justiz RS0127295).
Die Konsequenzen aus dieser EuGH-Entscheidung können dennoch mit Spannung erwartet werden. Wie oben erwähnt, verwendet der EuGH nämlich weder in der Begründung des Urteils noch in der Beantwortung der Vorlagefragen den Begriff „Hyperlinks“, sondern spricht durchwegs nur generell von „Links“. In Hinblick darauf, dass es nach Ansicht des EuGH für die Qualifikation als öffentliche Wiedergabe irrelevant sein soll, ob der User den Eindruck gewinnt, dass das verlinkte Werk auf der Website des Zweitverwerters anstatt auf der Ursprungsseite erscheint, könnte allerdings auch Embedding von der Reichweite des Urteils erfasst sein. Ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen beiden technischen Spielarten der Verlinkung zweier Websites besteht darin, dass beim Embedded Content im Gegensatz zum Setzen von Hyperlinks das fremde Werk in der eigenen Website inkorporiert wird und der Browser den Inhalt beim Öffnen der Website automatisch lädt. Angemerkt sei, dass im Lichte dieser unterschiedlichen Funktionen auch der BGH geklärt wissen will, ob bei der Einbettung eines auf einer fremden Internetseite öffentlich zugänglich gemachten fremden Werkes in eine eigene Internetseite eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Artikel 3 Abs 1 InfoSoc-RL vorliegt, und daher auch diese Frage am 15. Mai 2013 dem EuGH vorgelegt hat (BGH I ZR 46/12). Dieser Vorlagefrage lag ein Rechtsstreit zwischen Wettbewerbern am Markt der Wasserfiltersysteme zugrunde, bei dem ein Unternehmer einen Film mit dem Titel „Die Realität“ gedreht hatte, der sich mit Wasserverschmutzung beschäftigte, welcher ohne sein Wissen und Wollen auf die Videoplattform YouTube gelangt war. Der beklagte Wettbewerber hat dieses Video von YouTube auf seiner eigenen Website eingebettet. Der BGH erkennt in dieser Einbettung eine relevante Werkvermittlung, da damit nicht nur der Zugang zum auf der ursprünglichen Internetseite vorgehaltenen Werk erleichtert wird, sondern der Nutzer sich vielmehr das Werk zu eigen macht, und konstatiert daher, dass der Begriff der öffentlichen Wiedergabe weit auszulegen sei. Gleichzeitig judiziert der BGH allerdings, dass „Framing“ grundsätzlich kein öffentliches Zugänglichmachen darstellen würde, da letztlich – nicht anders als beim Hyperlinking – der Inhaber der fremden Internetseite darüber entscheidet, ob das auf seiner Website bereitgehaltene Werk der Öffentlichkeit zugänglich bleibt. Embedding würde damit ein „unbenanntes Verwertungsrecht“ der öffentlichen Wiedergabe verletzen.
Man wird wohl schon bald erfahren, ob der EuGH mit seiner Entscheidung vom 13.2.2014 eine Gleichschaltung der technischen Phänomene Hyperlinking und Embedding beabsichtigt, oder ob er dabei auch aus urheberrechtlicher Sicht – wie dies offenbar der BGH befürworten würde – differenziert.
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