Aktuell
Der 16. Entwurf für die Verfahrensordnung („Rules of Procedure“) des Einheitlichen Patentgerichts25.03.2014
Von RA Dr. Christian Gassauer-Fleissner
Am 6. März 2014 wurde vom „Drafting Committe“ ein überarbeiteter Entwurf der „Rules of Procedure“ des Einheitlichen Patentgerichts präsentiert.
Das schriftliche Konsultationsverfahren ist hiermit abgeschlossen. Allfällige Kommentare zum 16. Entwurf sind im Rahmen einer mündlichen Anhörung, die im Laufe dieses Jahres stattfinden soll, vorzubringen.
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind folgende Punkte hervorzuheben:
Opt-Out-Regelung (Regel 5)
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Es wurde unter anderem klargestellt, dass sich ein (befristet möglicher) Opt-Out für Europäische Patente aus dem neuen System auch auf Ergänzende Schutzzertifikate beziehen kann.
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Der Umstand, dass ein Opt-Out und somit lediglich die Erhaltung des Status-quo eine Gebührenpflicht auslöst, ist nach wie vor politisch umstritten. Der aktuelle Entwurf hält an der Gebührenpflicht fest.
Sprache der Klage (Regel 14)
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Hinsichtlich des Sprachenproblems konnte keine Einigung erzielt werden. Der Entwurf schlägt als in Regel 14 nunmehr zwei alternative Lösungen vor ((i)Delegierung der endgültigen Regelung dazu an die jeweilige Kammer oder (ii) bei mehreren Sprachen jene des Sitzes des Beklagten oder, wenn auch dort mehrere offizielle Sprachen existieren, nach Wahl des Klägers). Entsprechend erfolgte eine Streichung in Regel 321.
Zuteilung von Fällen an die Abteilungen der Zentralkammer (Regel 17)
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Der Entwurf enthält nunmehr eine Regelung, wie Fälle, denen mehrere Patente zugrunde liegen, zwischen den Abteilungen der Zentralkammer (Paris, München, London) aufgeteilt werden sollen.
Verhältnis Verletzungsverfahren und Nichtigkeitsverfahren/Einspruchsverfahren (Regel 37)
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Der Entwurf bringt – obwohl Gegenstand heftiger Debatten – grundsätzlich keine neuen Regelungen der Frage, unter welchen Bedingungen Verletzungsverfahren unterbrochen bzw. nicht unterbrochen werden sollen, um Entscheidungen über die Rechtsbeständigkeit abzuwarten.
Verfahren im Fall der Verweigerung der Zuerkennung der einheitlichen Wirkung (Regel 97)
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Einführung von Verfahrensregeln für die Bekämpfung einer solchen Verweigerung
Einschränkung der Publizität der Zwischenanhörung (Regeln 105 und 106)
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Die Zwischenanhörung bleibt zwar, wenn sie vor dem Gericht abgehalten wird, öffentlich, die Publizität des Protokolls wird aber auf die Parteien eingeschränkt.
Einschränkung der Publizität der mündlichen Verhandlung (Regel 115)
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Die mündliche Verhandlung bleibt zwar öffentlich, die Publizität des Protokolls wird aber auf die Parteien eingeschränkt.
Vorbehalt der Endentscheidung (Regel 118)
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Die verpflichtende Unterbrechung vor der Endentscheidung im Verletzungsverfahren im Fall der hohen Wahrscheinlichkeit der Nichtigkeit soll nur mehr Platz greifen, wenn die Einspruchsentscheidung (warum nicht auch die Nichtigkeitsentscheidung?) „rapidly“ zu erwarten ist.
Sicherheitsleistung für Kostenersatz (Regel 158-159)
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Es wurde die Möglichkeit vorgesehen, eine Sicherheitsleistung zur Sicherstellung des Kostenersatzanspruchs vorzusehen. Bestimmte Voraussetzungen dafür sind nicht vorgegeben. Die Intention ist, Trolle abschrecken zu können. Nach dem Wortlaut könnten aber auch KMUs überfordert werden.
Beweismittel (Regel 170)
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Die Aufzählung der Beweismittel wird erweitert.
Verantwortung von Sachverständigen (Regeln 181 und 186)
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Es wird ausdrücklich festgehalten, dass sowohl Privatgutachter als auch Gerichtsgutachter gegenüber dem Gericht verpflichtet sind.
Beweissicherung (Regel 196)
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Die Liste der Beweissicherungsmittel ist nun demonstrativ und die Speicherung von Daten und die Übergabe von Kennworten wird darin ausdrücklich aufgenommen.
Schutzschriften (Regel 207)
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Die Bestimmung über die Möglichkeit, Schutzschriften vorzulegen, bleibt trotz Kritik erhalten.
Einstweilige Maßnahmen (Regel 211)
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Das Gericht soll einstweilige Maßnahmen wie bereits bisher vorgesehen, nach Interessensabwägung verhängen und dabei – wie nunmehr ergänzend festgehalten wurde – insbesondere die potentiellen Schäden berücksichtigen, die einer Partei durch die Erlassung oder Nichterlassung einer einstweiligen Maßnahme drohen.
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Auch Verzögerungen des Verfügungswerbers und somit eine gewisse Eilbedürftigkeit sollen nunmehr explizit berücksichtigt werden.
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Diese dem englischen Recht entgegenkommende Regelung stellt aus österreichischer Sicht eine besonders einschneidende Änderung gegenüber der bisherigen Praxis dar, wonach lediglich Rechtsbeständigkeit und Verletzung bescheinigt werden müssen, um eine einstweilige Verfügung erlassen zu können.
Rechtsmittel gegen prozessuale Entscheidungen (Regel 220)
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Es konnte keine Einigung darüber erzielt werden, ob die erste oder zweite Instanz über die Zulassung von Rechtsmitteln gegen prozessuale Anordnungen, zB Unterbrechungsbeschlüsse, entscheiden soll. Diese Frage wird daher vom Gericht zu klären sein.
Plenarbeschluss (Regel 238A)
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Bei Entscheidungen von außerordentlicher Wichtigkeit kann ein Plenarbeschluss angeordnet werden.
Zurückverweisung (Regel 242)
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Zurückverweisungen sollen eher die Ausnahme sein, insbesondere soll eine Zurückverweisung nicht stattfinden, weil die erste Instanz über einen Aspekt nicht entschieden hat, der für die Rechtsmittelentscheidung erforderlich ist.
Publizität von Schriftsätzen (Regel 262)
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Wie bisher sollen Schriftsätze online zugänglich sein, nunmehr allerdings erst 14 Tage nach ihrer Einbringung
Pflichten von Parteienvertretern (Regel 284)
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Parteienvertreter dürfen weder vorsätzlich noch fahrlässig Fälle oder Fakten unrichtig vortragen.
Vertretungsberechtigung (Regeln 286 und 287)
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Für die Definition eines Anwaltes wird nicht mehr auch auf die Schwedische Regelung für Patentanwälte abgestellt, sondern auf die Richtlinie 98/5/EG.
Insolvenz einer Partei (Regel 311)
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Eine in einem nationalen Insolvenzverfahren getroffene Entscheidung, ein Verfahren nicht fortzusetzen, hindert das Einheitliche Patentgericht nicht unbedingt an der Fortführung des Verfahrens
Streithilfe (Regel 316)
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Es werden detailliertere Regeln für den Fall der Uneinigkeit über die Streithilfe eingeführt.
Amicus curiae-Briefe (Regel 318)
Verbindung (Regel 337)
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Ausdrücklich festgehalten wird, dass auch Streitsachen zwischen unterschiedlichen Parteien verbunden werden können. Außerdem, dass verbundene Rechtssachen auch wieder getrennt werden können.
Verhandlungsort (Regel 342)
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Bei vor Regionalkammern anhängigen Verfahren kann der Verhandlungsort je nach den Umständen auch außerhalb des Sitzes der Kammer festgelegt werden.
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