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BWB veröffentlicht Praxisleitfaden zu vertikalen Vereinbarungen24.09.2014

von Mag Gerhard Fussenegger, LL.M., bpv Hügel Rechtsanwälte OG (Brüssel, Wien)

Die Bundeswettbewerbsbehörde („BWB“) hat im Juli 2014 erstmals einen Leitfaden zu kartellrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit vertikalen Vereinbarungen veröffentlicht. Kernpunkt des Leitfadens ist ein „Verhaltenskatalog“, in dem die BWB Beispiele für - aus ihrer Sicht - zulässige und unzulässige Verhaltensweisen auflistet.

Praxisleitfaden zu vertikalen Vereinbarungen

In den letzten Jahren konzentriert sich die BWB in ihrer Praxis auf vertikale Wettbewerbsbeschränkungen, dh Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltensweisen zwischen Unternehmen auf, die auf verschiedenen Ebenen der wirtschaftlichen Erzeugungs- bzw. Dienstleistungskette tätig sind, also zB Lieferant und Händler. Diesem Schwerpunkt der Behörde folgend, basieren etwa die letzten zwanzig (!), vom Kartellgericht auf Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde (und/oder des Bundeskartellanwalts) verhängten Geldbußen auf vertikalen Wettbewerbsverstößen (nur einige wenige dieser Entscheidungen behandeln darüber hinaus auch horizontale Aspekte).

Die BWB hat nun im Juli 2014 einen Leitfaden zu vertikalen Wettbewerbsverstößen veröffentlicht, der auf der Website der Behörde abrufbar ist.[1]

Im Aufbau folgt die BWB ihrer Intention, dass der Leitfaden vor allem KMUs zur Information und Prävention dienen soll. Der Leitfaden verweist daher in seiner Einleitung auf kartellrechtliches Basiswissen (zB, Definition Vereinbarung und abgestimmte Verhaltensweise, Definition vertikale Vereinbarung, Darstellung der Verhaltensweisen, die kartellrechtlich als besonders kritisch anzusehen, etc). Insbesondere wird ausgeführt, dass Preisbindungen der Verkaufspreise („VKP“) als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung anzusehen sind. Sie stellen einen Verstoß gegen das Kartellverbot des § 1 KartG bzw Art 101 (1) AEUV dar und können nur in Einzelfällen nach den Ausnahmebestimmungen des § 2 (1) KartG bzw Art 101 (3) AEUV  freigestellt werden. Darüber hinaus sind Preisbindungen sogenannte „Kernbeschränkungen“ und damit selbst im Anwendungsbereich der vertikalen Gruppenfreistellungsverordnung der Europäischen Kommission (sogenannte „vGVO“) nicht freigestellt.

 „Herzstück“ des Leitfadens ist ein Verhaltenskatalog in Form einer exemplarischen Liste, in der die Kommission zwischen unzulässigen und zulässigen Verhaltensweisen unterscheidet. Die BWB listet hier etwa, neben der direkten Festsetzung von VKP, als unzulässige Maßnahmen einer indirekten Preisfestsetzung von VKP

·         Boni für die Einhaltung bestimmter VKP

·         Pönalen bei Nichteinhaltung bestimmter VKP aber auch

·         ein Lieferstopp auf Grund der Nichteinhaltung eines bestimmten VKP

auf.

Hingegen erachtet die BWB

·         unverbindliche Preisempfehlungen,

·         die Erläuterung der Marketingstrategie,

·         ein eigenständiges Preismonitoring oder

·         Höchstverkaufspreise

als zulässig.

Aus Sicht der Praxis ist der Leitfaden einerseits zu begrüßen, weil hier die BWB erstmals konkrete Verhaltensweisen anführt, die als unzuverlässig angesehen werden. Anzumerken ist allerdings, dass der Leitfaden in einigen Beispielen strenger ist als die Europäische Kommission in ihren Praxis (vgl deren „vertikale Leitlinien“). Wird in diesen vertikalen Leitlinien etwa darauf verweisen, dass die Festsetzung des Wiederverkaufspreises in Einzelfällen erforderlich sein kann und werden hierzu auch Bespiele angeführt (zB im Hinblick auf Markteinführungen oder Aktionspreise), erachtet die BWB die Festsetzung der VKP - ohne Ausnahmen anzuführen - im Regelfall als unzulässig und verweist hier auch explizit auf Aktionspreise. Des Weiteren wäre auch in Bezug auf zulässige Verhaltensweisen eine Erweiterung der Beispiele über das absolute Mindestmaß hinweg zu begrüßen gewesen.  

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Mitteilung von der BWB, dass der Standpunkt nicht verbindlich sei. Zu Recht weist die BWB darauf hin, dass der Standpunkt weder andere Gerichte, noch andere nationale (darunter den Bundeskartellanwalt) oder internationale Wettbewerbsbehörden binden kann. Der Standpunkt ist aber wohl als Hinweis auf die Verwaltungspraxis der BWB zu verstehen, „von der die Verwaltung im Einzelfall nicht ohne Angabe von Gründen abweichen kann“ (vgl EuG, T‑73/04, Le Carbone-Lorraine, Rz 70 zur Frage der Verbindlichkeit der Leitlinien der Europäischen Kommission).



[1] http://www.bwb.gv.at/Documents/BWB-Leitfaden%20-%20Standpunkt%20zu%20vertikalen%20Preisbindungen.pdf

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