Vor dem EuGH steht derzeit der technische Schutz von Videospielen auf dem Prüfstand.
Vorbemerkung
Diskutiert werden hier zwei Themenkomplexe: Strittig ist zum einen, ob auf Videospiele die Richtlinie 2009/24/EG (Software-Richtlinie) oder die Richtlinie 2001/29/EG (Info-Richtlinie) Anwendung findet. Zum anderen stellt sich die Frage, ob technische Maßnahmen zum Schutz der Videospiele eine Wirkung erzielen dürfen, die nicht nur Handlungen einschränkt, welche einer Zustimmung des Rechtsinhabers bedürfen, sondern auch solche Handlungen verhindert, die keine Zustimmung verlangen würden.
Die Ausgangslage
Nintendo bietet selbst hergestellte Spiele und einlizenzierte Spiele dritter Hersteller zum Verkauf an, welche nur auf den Spielekonsolen der Nintendo gespielt werden können. Dies wird dadurch gewährleistet, dass die Spiele auf bestimmten Speicherkarten bzw DVD´s angeboten werden, und die darauf enthaltenen verschlüsselten Daten nur von den Konsolen dechiffriert werden können. Auf den Konsolen können außerdem aufgrund dieser Verschlüsselungstechnik keine anderen als Nintendo-Spiele geladen werden.
PC Box Srl vertrieb in Italien Vorrichtungen, deren Verwendung es ermöglichte, illegal heruntergeladene Videospiele oder Konkurrenzprodukte über die Konsole zu laden. Damit wurde die Sperrwirkung des notwendigen Austauschs verschlüsselter Daten zwischen den Nintendo-Spielen und den Nintendo-Konsolen umgangen. Nintendo hat sich dagegen vor einem italienischen Gericht zur Wehr gesetzt. Die Richter des Tribunale di Milano qualifizierten die Videospiele als Multimedia-Werke, welche grundsätzlich dem Schutz der RL 2001/29/EG unterliegen würden, hatten allerdings Zweifel an der Anwendung der RL im konkreten Fall. Sie stellten daher im Vorabentscheidungsersuchen vom 26.7.2012 (Rs C-355/12) zusammengefasst folgende Fragen: (i) ob technische Maßnahmen zum Schutz eines Werks nicht nur im Werk selbst, sondern auch in Vorrichtungen integriert sein können, welche dazu dienen, den Zugang zum Werk zu ermöglichen, und (ii) ob eine Maßnahme dann in den Schutz des Art 6 der RL 2001/29/EG einzubeziehen ist, wenn auch solche Handlungen beschränkt werden, welche ohne Zustimmung des Urhebers erlaubt sind, und in dem Zusammenhang, ob der Umstand, dass die Umgehungsvorrichtung auch legitime Zwecke verfolgen soll, die Anwendung der RL ausschließt. Seit 19.9.2013 liegen nunmehr die Schlussanträge der Generalanwältin Eleanor Sharpston vor.
Zeitlich dem italienischen Gerichtsverfahren nachgereiht, hat Nintendo Ansprüche aus einem ähnlichen Sachverhalt gegenüber einem deutschen Hersteller von Adaptern vor deutschen Gerichten geltend gemacht. Die Unterinstanzen haben in diesem Fall eine Verletzung der Bestimmung des UrhG zu den technischen Maßnahmen durch den Vertrieb der Adapter angenommen. Der angerufene BGH hat am 2.10.2013 ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH (Rs C-458/13) vorgelegt, in welchem allerdings nur die Frage, ob das Videospiel überhaupt Gegenstand des Schutzes der RL 2001/29/EG ist, gestellt wird.
Zur Anwendbarkeit der RL 2001/29/EG
Die RL 2009/24/EG ist nach Meinung der Generalanwältin Sharpston lex specialis und würde den strengeren Schutz der RL 2001/29/EG grundsätzlich verdrängen. Soweit ein Videospiel allerdings nicht bloß auf den Status eines Computerprogramms reduziert werden könne, sondern auch geistige Werke in erzählerischer und grafischer Form enthalte, müsste aufgrund der einheitlichen Behandlung des Spiels als Multimediawerk der schwächere Schutz nach der RL 2009/24 dem Schutz nach der RL 2001/29 weichen. Die Generalanwältin weist darauf hin, dass sich der EuGH aufgrund des Vorabentscheidungsersuchens vom BGH noch mit der Anwendbarkeit der RL auf solche hybriden Produkten auseinandersetzen wird. Hiezu sei angemerkt, dass die im Vorlagebeschluss geäußerte Rechtsauffassung des BGH war, dass es nicht gerechtfertigt erscheine, technische Schutzmaßnahmen, die auch dem Schutz anderer Werke dienen, den weitererreichenden Schutz der RL 2001/29/EG zu entziehen, nur weil diese zugleich auch dem Schutz eines Computerprogramms dienen (BGH 6.2.2013, I ZR 124/11).
Die Schlussanträge der Generalanwältin
Nach Meinung von Sharpston zur ersten Frage schließen die technischen Maßnahmen im Sinne des Art 6 RL 2001/29/EG auch solche Maßnahmen ein, die mit Vorrichtungen verbunden sind, deren Bestimmung ist, den Zugang zum Werk zu gewähren; wie im gegenständlichen Fall die Maßnahmen in der zum Abspielen dienenden Konsole integriert sind. Bezüglich der Frage, ob dadurch, dass die Maßnahme nicht nur eine nicht autorisierte Vervielfältigung des Videospiels zum Ziel hat, sondern auch eine Kontrolle der Nutzung der Konsole ermöglichen soll, was keine an die Erlaubnis des Rechtsinhaber gebundene Handlung ist, der Rechtsschutz nach Art 6 Abs 2 entfällt, vertritt Sharpston die Auffassung, dass solche technischen Maßnahmen zunächst nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu prüfen seien. Wenn daher nach dem Stand der Technik für eine wirksame Maßnahme unvermeidbar sei, dass sie auch nicht erlaubnispflichtige Handlungen beschränkt, kann diese als verhältnismäßig qualifiziert werden und wäre sie in den Schutz der RL einzubeziehen. In diesem Sinn sei vom nationalen Gericht zu prüfen, welches Ziel der Rechtsinhaber mit der Maßnahme verfolgt, ob die Maßnahme notwendig ist, und ob eine andere Maßnahme zu geringeren Beeinträchtigungen bei vergleichbarem Schutz geführt hätte.
Zur zweiten Frage führt Sharpson aus, dass der Umfang, in dem die Vorrichtung tatsächlich für andere Zwecke als dazu, eine Verletzung ausschließlicher Rechte zu ermöglichen, verwendet wird, ein Faktor bei der Entscheidung darüber sei, ob Schutz gegen den Vertrieb einer Vorrichtung zu gewähren sei. Hieraus folge, dass soweit möglich eine quantitative aber auch qualitative Bewertung der Zwecke, denen die Umgehung der technischen Maßnahme mit Hilfe der Vorrichtung dient (zB wie oft wird die Vorrichtung verwendet, um auf der Konsole Spiele zu spielen, die das Urheberrecht von Nintendo nicht verletzen) zu berücksichtigen sei.
Fazit
In Österreich sind die technischen Maßnahmen in den §§ 90b ff UrhG geregelt. § 90c ist nahezu wortident aus der Richtlinie entnommen und wirft die Frage nach dem Hauptzweck einer Vorrichtung bzw einem sonstigen wirtschaftlichen Zweck oder Nutzen danach auch Auslegungsschwierigkeiten auf. Eine klare Aussage des EuGH zu Art 6 der RL 2001/29/EG wäre daher nur wünschenswert. An Brisanz gewann diese Thematik zuletzt durch die Used-Soft-Entscheidung des EuGH vom 3.7.2012 (Rs C-128/11), in der konstatiert wurde, dass über den Einsatz von Digital Rights Management-Systemen die Möglichkeit besteht, online-Vervielfältigung von Programmkopien zu kontrollieren. Damit wurde den Softwareherstellern die Entscheidung anheimgestellt, zur Überwachung, ob der Kunde die beim ihm vorhandene Kopie löscht, technische Maßnahmen anzuwenden. Die Entscheidung des EuGH mag möglicherweise eine Klärung zu der Frage bringen, wo die Grenze zu ziehen ist, zwischen unzulässigen Schranken des Weiterverkaufs und dem Interesse der Hersteller am Schutz ihrer Leistung.
Sonja Dürager, Rechtsanwältin bei bpv Hügel Rechtsanwälte OG
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