Im November 2014 fand im Rahmen der Generalversammlung der Österreichischen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (ÖV) im vollbesetzten Festsaal des Hauses des Handels/Spartenhauses eine Informationsveranstaltung unter dem Titel „EU-Markenrechtsreform – (fast) alles neu?“ statt. Hochkarätige Vortragende informierten über die von der Europäischen Kommission (EK) angestrebte Reform des europäischen Markenrechts. Nachdem in umfangreichen Tagungen der Ratsarbeitsgruppe Geistiges Eigentum (Marken) an den Entwürfen gefeilt wurde, hat nun die Abstimmung der Reformvorschläge zwischen Rat und Europäischem Parlament und Mitwirkung der EK begonnen.
Gerade aufgrund der Aktualität des Themas musste der für dieses Projekt in der EK leitend zuständige Beamte, Tomás Lorenzo Eichenberg, seine bereits angekündigte Teilnahme kurzfristig absagen, weil just an jenem Nachmittag, an dem die Veranstaltung in Wien stattfand, die erste Verhandlungsrunde abgehalten wurde. In einer schriftlichen Botschaft hob Eichenberg die große Bedeutung des Reformpakets als Schlüsselelement der Kommissionsstrategie für Wettbewerbsfähigkeit in Europa hervor. Zielsetzung sei eine wirklich adäquate Modernisierung des Gesamtsystems und eine wesentlich weitergehende Harmonisierung der nationalen Systeme.
Robert Ullrichvom Österreichischen Patentamt, Leiter der Rechtsabteilung Internationales Markenwesen und österreichischer Verhandlungsführer in der Ratsarbeitsgruppe, erläuterte in einem einleitenden Referat den aktuellen Sachstand. Nach wie vor strittig seien sowohl inhaltliche Themen (Frage der Eingriffshandlung durch Waren im Transit) als auch organisatorische (Kooperationsaktivitäten, finanzielle Situation und Governance des HABM).
Aus wissenschaftlicher Sicht stellte Florian Schuhmacher, Professor an der WU Wien, die Ausgangslage für die Reform und die zunächst vom Max-Planck-Institut im Jahr 2011 ausgearbeiteten Reformvorschläge dar; diese Reformvorschläge haben jedoch nur in geringem Umfang Eingang in die Entwürfe der EK gefunden. Schuhmacher wagte ferner eine erste Bewertung der Reformvorhaben; er sieht darin den derzeit erzielbaren Minimalkonsens, sinnvolle Anpassungen und Weiterentwicklungen, aber keine zentralen Änderungen der Markenrechtsdogmatik.
Mihály Ficsor, Vizepräsident des Ungarischen Amts für Geistiges Eigentum und Vorsitzender des Verwaltungsrats des HABM, erläuterte ausführlich bestehende Meinungsverschiedenheiten zwischen der EK und den Mitgliedsstaaten über die Art und Weise, wie die gewünschte Kooperation („a European dream come true“) der Europäischen Ämter und des HABM im European Trademark and Design Network (ETMDN) in inhaltlicher, organisatorischer und finanzieller Hinsicht durchzuführen sei. Von entscheidender Bedeutung sei darüber hinaus, dass die nationalen Systeme weiterhin neben der alle Erwartungen übertreffenden Gemeinschaftsmarke ihre Funktionen erfüllen können. In diesem Zusammenhang bestehen insbesondere Meinungsverschiedenheiten zwischen den Mitgliedstaaten und den EU-Institutionen über die Verteilung der über die Kosten hinausgehenden Einnahmen des HABM (die bekanntlich eine maßgebliche Höhe erreichen) und damit im Zusammenhang über die Gebührengestaltung für die Gemeinschaftsmarke.
Christoph Bartos, Mitglied der Beschwerdekammern des HABM, ging in seinem Vortrag auf ausgewählte materielle Bereiche des Reformentwurfs für die GMV ein. Er erläuterte diesbezüglich die bisher von der EK, dem Europäischen Parlament und dem Rat vertretenen, teils unterschiedlichen Positionen. Bei den vorgesehenen Änderungen handelt es sich einerseits um Kodifizierungen der Rechtsprechung des EuGH (etwa die Klarstellung, dass der Schutz der bekannten Marke in Art 8 Abs 5 GMV trotz des bisherigen Wortlauts der Bestimmung, der sich nur auf nicht ähnliche Waren und Dienstleistungen bezieht, auch für identische bzw ähnliche Waren und Dienstleistungen gilt) und regelungstechnische Nachschärfungen. Andererseits enthalten die Entwürfe Neuregelungen, wie etwa den Entfall des Erfordernisses der grafischen Darstellbarkeit von Marken, womit ein multimediales Register ermöglicht wird.
Abschließend zeigte Ullrich exemplarisch den nationalen legistischen Umsetzungsbedarf auf, der entstünde, sollte das Reformprojekt wie derzeit geplant umgesetzt werden. Spannend – aber wohl lösbar – wird etwa, wie das multimediale Register tatsächlich praktisch umgesetzt werden kann (zB die Art der Veröffentlichung); eine registertechnische Änderung wird auch erforderlich werden, wenn es bei dem Vorhaben bleibt, dass eine Eintragung von Übertragungen, Lizenzen und Pfandrechten auch hinsichtlich von Marken, die sich noch im Anmeldestadium befinden, möglich sein soll. Auch für das österreichische System neue Konzepte wie die geplante Ermöglichung der Teilung von Markenanmeldungen und -registrierungen würden einer nationalen Umsetzung bedürfen.
Man wird nun sehen, wie die Abstimmung des Reformvorhabens zwischen den an der Gesetzgebung beteiligten EU-Institutionen vorangeht. Annahme und Inkrafttreten der neuen Regelungen wären theoretisch bereits im Frühjahr 2015 möglich. Für die nationale Umsetzung ist eine Frist von 3 Jahren geplant, bis spätestens Frühjahr 2018 stünde damit – so der ambitionierte Zeitplan der EK hält – eine große Novelle des MSchG an. Klar ist aber auch, dass viele offene Fragen der Markenrechtsdogmatik gar nicht angegangen wurden – hier ist weiterhin der EuGH und nicht der Unionsgesetzgeber am Zug.
Nutzen Sie die Vorteile einer Mitgliedschaft bei der ÖVMitgliedsvorteile
Aufsätze und Entscheidungen mit Anmerkungen von Experten
jährlich 6 HefteAbo Bestellung bei ManzEditorial/Inhalt aktuelle Ausgabe
09.04.2025
WKO, Rudolf Sallinger Saal, Wiedner Hauptstraße 63, 1040 WienMehrBericht vergangenes Seminar