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Editorial und Inhalt

ÖBI [2025] 5 Seiten 193 - 194

Editorial:
S . L . A . P. P.
Reinhard Hinger


Inhalt [.pdf]

S.L.A.P.P.

S.L.A.P.P.

REINHARD HINGER

ÖBl 2025/56

Im Juli 2025 haben Medien berichtet,[1] dass ein bekannter US-Bürger eine bekannte Zeitung auf Schadenersatz in der Höhe von 10.000.000.000 Dollar (ten billion US-$) geklagt hat.

Beim aktuellen Kurs[2] wären das 8,6 Mrd Euro. Wäre ein österr Gericht angerufen worden, würde eine Pauschalgebühr für die erste Instanz von ca 103,2 Mio Euro fällig.[3] Leider ist diese Überlegung hinfällig, denn es wurde kein österr Gericht angerufen.[4]

Ich gestehe: Der Bezug zu den ÖBl ist nicht offenkundig. Die Überlegungen verfolgen einen Umweg, um das Thema „SLAPP“ ins Editorial zu holen. „SLAPP“ steht für „strategic lawsuit against public participation“.[5]  Dazu gibt es die „RL (EU) 2024/ 1069 v 11. 4. 2024 über den Schutz von Personen, die sich öffentlich beteiligen, vor offensichtlich unbegründeten Klagen oder missbräuchlichen Gerichtsverfahren (‚strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung‘)“, umzusetzen bis 7. 6. 2026, kurz schon als „Anti-SLAPP-RL“ bezeichnet.

Der Bezug zum gewerblichen Rechtsschutz und zum Urheberrecht fehlt nur auf den ersten Blick. Auch IP-Rechte (und die verwandten Ansprüche nach § 1330 ABGB) können die Basis für Klagen im politischen Umfeld sein; wie vielfältig die Zusammenhänge zu politischen Interessen – oder gegen bestimmte politische Auffassungen – sind, zeigen viele Beispiele in den ÖBl. Solche Klagen könnten daher auch gegen eine öffentliche Beteiligung gerichtet sein, und auch Missbrauch wäre vorstellbar.[6]

Auch im Biotop der „intellectual property“ werden politische Themen verhandelt.

Dass auch im Biotop der „intellectual property“ politische Themen verhandelt werden (und zwar auch, wenn sie gastronomisch anmuten), zeigen die folgenden Fälle:

 ▶ In dieser Ausgabe finden Sie die „Wirtshausbriefe“ der „Tagespresse“. Der Fall fügt sich in die Systematik der IP nicht lückenlos ein. Betroffen ist zwar auch die Marke der kl politischen Partei, doch das bekl Medium hat sie nicht markenmäßig gebraucht. Der Fall hat auch keine dominierende medienrechtliche Komponente, denn inkriminiert ist nicht die Verbreitung von Inhalten im Medium, sondern ein „practical joke“. Die Bekl hat der Kl „einen Streich gespielt“, und zwar 500 Briefe an Gastwirt:innen verschickt und dabei durch die Verwendung des Logos und der Adresse der Kl deren Namensrecht verletzt. Sowohl im Instanzenzug als auch in der politischen und in der juristischen Öffentlichkeit wurde dies divergent beurteilt; der OGH hat dazu in 4 Ob 192/24z das vorerst letzte Wort gesprochen[7] (die Bekl hat den EGMR befasst).[8]

▶ Nach dem Urheberrecht war der erheblich politische Fall des „Räubers Rathausplatz“[9] zu beurteilen (4 Ob 97/24d).

▶ Markenrechtlich einschlägig ist der „Covidiot“-Fall, den die Große Beschwerdekammer des EUIPO zu R 260/021-G entschieden hat.[10]

▶ Vor dem EuGH ist zu C-298/23 das Ersuchen eines belgischen Gerichts anhängig, bei dem es um die Marke „IKEA“ und ihre Verwendung in einem Statement einer politischen Partei geht – die ÖBl werden darüber berichten.

▶ Zu 4 Ob 13/23z hatte der OGH über die Verwendung der Marke „SPAR“ im Satz „SPART euch das“ in einem politischen Flugblatt zu entscheiden.[11]

▶ Das Foto eines Parteichefs stand im Mittelpunkt einer urheberrechtlichen Streitfrage, die sich daraus ergab, wie der Aufruf zu einer (Gegen-)Demonstration gestaltet war: 4 Ob 37/ 22b.[12]

▶ Genauso war das Urheberrecht betroffen, als der EuGH zuC-469/17 die Fragen des BGH zur Causa „Funke Medien NRW“ beantwortet hat; es ging darum, ob die BRD mit urheberrechtlichen Argumenten die Veröffentlichung der „Afghanistan-Papiere“ verhindern kann. Das Urheberrecht und die Informationsfreiheit standen einander gegenüber.[13]

Die Liste ist nicht vollständig. Politik, wohin man schaut.

 



[1] www.reuters.com/world/us/trump-sues-wall-street-journal-over-epstein-report-seeks-10-billion-2025–07-19/ (21. 8. 2025).

[2] 21. 8. 2025.

[3] Für eine Berufung ca 154,8 Mio Euro, für eine Revision ca 206,4 Mio Euro.

[4]Sondern der Federal Court in the Southern District of Florida.

[5] Die Abkürzung ist sprechend: „slap“ ist, auf gut Wienerisch, die „Watsche“.

[6] Dass irgendeine anhängige oder erledigte Causa die Bezeichnung SLAPP verdient hätte oder verdienen würde, wird nicht behauptet.

[7] ÖBl 2025/65 (Wiltschek) in diesem Heft Seite 226.

[8] https://dietagespresse.com/update-zur-fpoe-klage-gegen-wirtshausbriefe-bonjour-strasbourg/ (23. 8. 2025).

[9] ÖBl 2025/54, 184 (Handig).

[10] ÖBl 2025/41, 131 (Schumacher).

[11] ÖBl 2024/68, 244 (Hofmarcher).

[12] ÖBl 2023/14, 42 (Hofmarcher).

[13] ÖBl-LS 2019/26, 288 (Handig).

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