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Editorial und Inhalt

ÖBl [2015] 3 - Seite 97 - 152

[EDITORIAL] von Gottfried Musger
Brüssel und der österreichische Gesetzgeber


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Brüssel und der österreichische Gesetzgeber

„Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel“, so heißt es zumindest in Art 288 Abs 3 AEUV. Dass die Wirklichkeit anders aussieht, ist allgemein bekannt. Einerseits werden RL immer detaillierter; die nach Art 288 AEUV vorzugebenden „Ziele“ könnten in vielen Fällen genauso als unmittelbar anwendbare Normen in einer VO stehen. Andererseits erwartet die EK – gestützt durch Rsp des EuGH – eine möglichst präzise Umsetzung. Das führt zu Konflikten, wenn der Gesetzgeber versucht, bei der Umsetzung von RL – zumal in bereits existierenden Gesetzen – die sprachliche und systematische Eigenart des nationalen Rechts zu wahren.

Ein Beispiel dafür ist die jüngst beschlossene UWGNov 2015 (BGBl I 2015/49): Die §§ 1 a und 2 UWG werden auf Drängen der EK (weiter) an die RL-UGP angepasst. § 1 a Abs 2 UWG enthält nun eine Liste von Kriterien, auf die „bei der Feststellung, ob eine aggressive Geschäftspraktik vorliegt,“ abzustellen ist; dazu gehören ua – wenig überraschend – „Zeitpunkt, Ort, Art oder Dauer“ dieser Praktik. In § 2 Abs 4 UWG wird klargestellt, dass nicht nur das „Vorenthalten“ von wesentlichen Informationen irreführend sein kann, sondern auch der Umstand, dass solche Informationen „auf unklare, unverständliche, zweideutige Weise oder nicht rechtzeitig“ bereitgestellt werden. Dass vernünftige Rechtsanwender dies ohnehin unter den Begriff des Vorenthaltens subsumierten, genügte der EK offenkundig nicht. Ähnliches gilt für die Anordnung in § 2 Abs 5 UWG, wonach bei der Prüfung, ob wesentliche Informationen vorenthalten wurden, auch die „räumlichen oder zeitlichen Beschränkungen, die durch das Kommunikationsmedium auferlegt wurden und alle Maßnahmen, die der Unternehmer zur anderweitigen Zurverfügungstellung von Information getroffen hat“, zu berücksichtigen sind. Sicherheitshalber werden also die schon in § 2 Abs 4 UWG genannten „Beschränkungen des Kommunikationsmediums“ ein zweites Mal erwähnt.

Das Drängen der EK auf – auch sprachliche – „Richtliniennähe“ von Umsetzungsgesetzen ist indes nicht so problematisch, wie es auf den ersten Blick scheint. Das nationale Recht ist richtlinienkonform auszulegen; der insofern letztzuständige EuGH orientiert sich nicht selten am Wortlaut des Unionsrechtsakts. Daher liegt es nahe, diesen Wortlaut auch im Umsetzungsgesetz sichtbar zu machen. Der Versuch, ihn sprachlich zu verbessern oder Bestimmungen einer RL in das System des nationalen Rechts einzubauen, kann zu unnötigen Reibungsverlusten führen. Letztlich ist es eine Abwägung im Einzelfall: Sprache und Systematik des nationalen Rechts stehen auf der einen Seite, Transparenz für den Rechtsanwender auf der anderen. Vor allem bei RL mit hoher Regelungsdichte wird eine 1 : 1-Umsetzung oft die sinnvollste Lösung sein. Umso wichtiger ist es, bei Gesetzgebungsprojekten in Brüssel nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die legistische Qualität zu achten. Dass dies angesichts der Mitwirkung von 28 Mitgliedstaaten nicht immer einfach ist, liegt auf der Hand.

Gottfried Musger

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