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„Irreführende Geschäftspraxis“ schon bei unrichtiger Auskunft an einen einzigen Kunden25.05.2015

Nach einer aktuellen Entscheidung des EuGH (C-388/13) liegt bereits dann eine „irreführende Geschäftspraxis“ im Sinne der UGP-Richtlinie vor, wenn nur einem einzigen Verbraucher eine falsche Auskunft erteilt wird, was der Generalanwalt noch anders sah.

Dem Urteil des EuGH vom 16.4.2015, C-388/13 – UPC Magyarorszg, lag ein Vorabentscheidungsersuchen des ungarischen Höchstgerichts (Kúria) betreffend die Auslegung der Art 5 und 6 der UGP-Richtlinie zugrunde. Der (Privat)Kunde eines Kabelfernsehanbieters wollte seinen Vertrag kündigen und erkundigte sich nach dem genauen Zeitraum, auf den sich die von ihm bereits bezahlte Jahresrechnung beziehen würde, weil dies aus ihr nicht hervorging. Er erhielt – unbestrittenermaßen – eine falsche Auskunft über das Ende des Rechnungszeitraums (und damit über den frühestmöglichen Kündigungstermin), woraus ihm aufgrund der (um einen Monat) „verspäteten“ Kündigung sowie einer zusätzlichen Nachtragsforderung für die längere Bereitstellung des Dienstes auch (geringfügige) Mehrkosten (von weniger als EUR 20.-) entstanden.

Die ungarische Verbraucherschutzbehörde verhängte über den Kabelfernsehanbieter wegen der falschen Auskunft auf der Grundlage des ungarischen Gesetzes über unlautere Geschäftspraktiken  eine Geldbuße. Die Entscheidung wurde in höherer Instanz aufgehoben, weil eine falsche Auskunftserteilung in nur einem Fall nicht als irreführende „Praxis“ angesehen werden könne. Auch der zuständige Generalanwalt am EuGH vertrat im Verfahren (siehe die Schlussanträge vom 23.10.2014) die Ansicht, dass die Erteilung einer falschen Auskunft gegenüber einem einzelnen Verbraucher, soweit es sich um einen vereinzelten Vorfall handelt, nicht als „Geschäftspraktik“ im Sinne der UGP-Richtlinie verstanden werden kann.

Der EuGH weist in seiner Entscheidung zunächst allgemein auf das hohe Verbraucherschutzniveau hin, welches durch die UGP-Richtlinie gewährleistet werden soll. Die Richtlinie zeichne sich durch einen besonders weiten sachlichen Anwendungsbereich aus, was sich auch an dem sehr weit konzipierten Begriff der „Geschäftspraktik“ erkennen lasse, welcher als „jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing eines Gewerbetreibenden“ definiert sei und auch die Tätigkeiten eines Gewerbetreibenden nach Abschluss eines Vertrags umfasse. Eine Auskunftserteilung – wie im vorliegenden Fall – durch ein Unternehmen im Rahmen des Kundendienstes für das Abonnement einer Privatperson über Kabelfernsehdienstleistungen, sei daher eine „Geschäftspraktik“ im Sinne der UGP-Richtlinie.

Im konkreten Fall seien auch alle Tatbestandselemente des Art 6 UGP-Richtlinie erfüllt. Es wurde eine falsche Auskunft über die Dauer der Vertragsbeziehung erteilt und wurde dadurch die Privatperson daran gehindert, eine Entscheidung in voller Kenntnis der Sachlage zu treffen. Im Übrigen seien hier zusätzliche Kosten entstanden. Der EuGH hält ausdrücklich fest: „Hierzu ist klarzustellen, dass in diesem Zusammenhang völlig unbeachtlich ist, dass das Verhalten des betreffenden Gewerbetreibenden nur einmal vorkam und nur einen Verbraucher betraf.“ (Randnummer 41 des Urteils). Die Richtlinie enthalte keinen Hinweis darauf, dass die Handlung oder Unterlassung des Gewerbetreibenden sich wiederholen oder mehr als ein Verbraucher davon betroffen sein müsse. Unbeachtlich sei auch, ob ein Verhalten auf Vorsatz beruhe oder nicht. Es müsse auch kein tatsächlicher Schaden entstanden sein.

Die Richtlinie sei daher dahin auszulegen, dass die Erteilung einer falschen Auskunft durch einen Gewerbetreibenden an einen Verbraucher wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende als „irreführende Geschäftspraktik“ im Sinne dieser Richtlinie einzustufen ist, auch wenn diese Auskunftserteilung nur einen (einzigen) Verbraucher betraf. Der EuGH hat im vorliegenden Urteil überdies seine in der Entscheidung vom 19.9.2013, C-435/11 - CHS Tour Services (siehe die Meldung vom 26.9.2013) zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht bestätigt, wonach bei irreführenden Geschäftspraktiken nicht nachgewiesen werden muss, dass auch eine Verletzung der beruflichen Sorgfalt vorliegt.


 

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