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Irreführende Etikettierung von Lebensmitteln (Lauterkeitsrecht)17.10.2015

In zwei aktuellen höchstgerichtlichen Entscheidungen (des EuGH und des OGH) wurden Lebensmittelverpackungen mit mehrdeutigen Angaben wegen Irreführung der Verbraucher als unlauter beurteilt.

von Dr. Rainer Tahedl, em. RA, Jurist im Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb

Dem Urteil des EuGH (vom 4.6.2015, C-195/14) lag ein Vorabentscheidungsersuchen des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) zugrunde und betraf die Etikettierung eines Früchtetees. Ein deutscher Verbraucherschutzverband hatte das Unternehmen Teekanne wegen irreführender Werbung geklagt, weil auf der Verpackung von Teebeuteln mit der Bezeichnung „Felix Himbeer-Vanille Abenteuer“ Himbeeren und Vanilleblüten abgebildet waren und sich überdies Angaben wie „Früchtetee mit natürlichen Aromen“ und „nur natürliche Zutaten“ fanden, ohne dass der Tee irgendwelche Bestandteile oder Aromen von Himbeeren oder Vanille enthielt. Das – insoweit richtige – Verzeichnis der Zutaten auf der Rückseite der Verpackung lautete: „Hibiskus, Apfel, süße Brombeerblätter, Orangenschalen, Hagebutten, natürliches Aroma mit Vanillegeschmack, Zitronenschalen, natürliches Aroma mit Himbeergeschmack, Brombeeren, Erdbeeren, Heidelbeeren, Holunderbeeren“.

Die Frage des BGH an den EuGH – bei der es auch um die Auslegung von Lebensmittelkennzeichnungsvorschriften ging – war nun, ob die Verpackung von Lebensmitteln und die Werbung den Eindruck erwecken darf, dass bestimmte Zutaten enthalten seien, obwohl sie tatsächlich nicht vorhanden sind und sich das allein aus dem Verzeichnis der Zutaten ergibt? Dem Vorlageersuchen war zu entnehmen, dass der BGH geneigt ist, die Frage zu verneinen und die Aufmachung des Tees als unzulässig anzusehen, und zwar nicht zuletzt auch deshalb, weil die Gestaltung der Verpackung den Verbraucher geradezu davon abhält, das wesentlich kleiner geschriebene Zutatenverzeichnis zu lesen.

Diese Ansicht des deutschen Höchstgerichts wurde vom EuGH bestätigt, der in seiner Entscheidung klar festhält, dass die Etikettierung von Lebensmitteln nicht geeignet sein darf, den Käufer irrezuführen, und zwar insbesondere nicht über die Eigenschaften des Lebensmittels, namentlich über seine Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung oder Herkunft und Herstellungs- oder Gewinnungsart. Es sei Aufgabe des nationalen Gerichts, festzustellen, ob die Etikettierung im konkreten Fall irreführend ist, wobei hier auf die mutmaßliche Erwartung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist, die dieser in Bezug auf den Ursprung, die Herkunft und die Qualität des Lebensmittels hat. Ein Verzeichnis der Zutaten, auch wenn es richtig und vollständig ist, kann laut EuGH in bestimmten Fällen gleichwohl nicht geeignet sein, einen falschen oder missverständlichen Eindruck des Verbrauchers bezüglich der Eigenschaften eines Lebensmittels zu berichtigen, der sich aus den anderen Elementen der Etikettierung dieses Lebensmittels ergibt.

Einen ähnlich strengen Maßstab legte der OGH seiner Entscheidung vom 11.8.2015 (4 Ob 121/15w) zugrunde, in der bezüglich der Verpackung eines „Forellenfilet geräuchert“ die Irreführungseignung mehrdeutiger Angaben zu beurteilen waren. Die beanstandete Verpackung des von einer großen Einzelhandelskette (Beklagte) in Eigenmarke vertriebenen Fischprodukts enthielt auf der Vorderseite neben der Angabe „in Österreich über feinem Buchenrauch geräuchert“ (der Fisch stammte aus Italien, was nur auf der Rückseite angegeben war) insbesondere den Hinweis „IFS-zertifizierter österreichischer Familienbetrieb“.

Der OGH erachtete den Hinweis auf die IFS-Zertifizierung (IFS steht für International Featured Standards und bezeichnet eine Reihe von anerkannten Lebensmittel-, Produkt- und Servicestandards) als irreführend, weil zwar der die Fische räuchernde Betrieb, nicht aber die beklagte Partei selber IFS-zertifiziert sei. Die IFS-Zertifizierung eines Betriebes entspreche rechtlich einem Gütezeichen, Qualitätszeichen oder Ähnlichem nach Ziffer 2 des Anhangs zum UWG und sei daher deren Verwendung ohne die erforderliche Genehmigung (Zustimmung der vergebenden Stelle) unzulässig.

Der blickfangartige Hinweis auf den „österreichischen Familienbetrieb“ sei angesichts der italienischen Herkunft der Fische ebenfalls irreführend, weil damit eine Täuschung des Publikums über die Herkunft der Fische sehr wahrscheinlich gemacht werde.  Ein mündiger Verbraucher, der die Vorderseite der Verpackung liest, werde unter anderem auch deswegen, weil es sich bei der Forelle um einen heimischen Fisch handelt, annehmen, dass das gesamte Produkt aus Österreich stammt. Der Hinweis auf der Rückseite der Verpackung, wonach der Rohfisch aus Aquakultur in Italien stammt, sei nicht geeignet, diese Irreführung aufzuheben. Laut OGH reicht für die Relevanz einer Irreführung schon aus, dass die Bezugnahme auf die geographische Herkunft geeignet sei, einen nicht unerheblichen Teil der umworbenen Abnehmer bei seiner Auswahlüberlegung irgendwie zu beeinflussen. Ob die Irreführung im Einzelfall tatsächlich bewirkt wird, ist dabei unerheblich; die bloße Gefahr einer Täuschung genügt um den Tatbestand des § 2 UWG zu begründen.

Wie diese beiden Entscheidungen zeigen, ist bei der Gestaltung von Produktverpackungen, insbesondere von Lebensmittelverpackungen, in erhöhtem Maße darauf zu achten, dass keine Angaben gemacht werden, durch deren Mehrdeutigkeit ein durchschnittlicher Verbraucher über die Eigenschaften oder die Herkunft des Produkts getäuscht werden könnte.

Von Dr. Rainer Tahedl, em. RA, Jurist im Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb

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