Editorial und Inhalt
ÖBl [2015] 4 - Seite 153 - 196
[EDITORIAL] von Walter Holzer
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Wer angenommen hatte, das einheitliche Patentgericht würde seine Arbeit in den Jahren 2015/2016 aufnehmen, wurde vorerst durch 544 Abgeordnete zum Britischen Unterhaus enttäuscht, die nach dem unerwartet deutlichen Wahlgewinn der Konservativen für die Abhaltung eines Referendums über den Verbleib des Vereinigten Königreichs, einschließlich Schottlands, in der EU gestimmt haben. Nur 43 Abgeordnete waren dagegen. Damit dürfte sich die bis Ende 2015 beabsichtigte Ratifikation der Abkommen über das Einheitspatent und das einheitliche Patentgericht dem politischen Fahrplan Großbritanniens unterordnen und nach Expertenmeinung wohl frühestens 2017 erfolgen.
Sollte Großbritannien aus der EU austreten, wäre das zwar nicht das Ende des Einheitspatents, weil die Stelle von Großbritannien als einem der drei Mitgliedstaaten mit der höchsten Anzahl an europäischen Patenten von den Niederlanden eingenommen würde, deren Ratifikation bereits auf dem Weg ist. Die Ratifikation Deutschlands wird erwartet. Über den Londoner Sitz des Einheitsgerichts wäre allerdings gesondert politisch zu entscheiden. Zu vermeiden wäre dabei ein erneuter Ratifikationsprozess
in allen Ländern.
Die Verzögerung des Systems kann zur Komplementierung genützt werden. Zunächst erhalten Italien und Spanien nach der Abweisung der Klagen Spaniens durch den EuGH (C-146/13 und C-147/13) ausreichend Zeit, um alle Abkommen zu unterzeichnen. Italien ist innenpolitisch bereits auf dem Weg. Für die Fertigstellung des IT-Systems und die Nominierung von Richtern erweist sich der Zeitgewinn ebenfalls als positiv. Nicht zuletzt wird ab sofort der Rechenstift ausgiebig regieren. Der Konsultationsprozess hat nach der Veröffentlichung der zu erwartenden Gerichtsgebühren im Mai dieses Jahres und der revidierten Vorschläge des Europäischen Patentamts über die Jahresgebühren Fahrt aufgenommen. Von einer geringen Gebühr für ein „opting-out“ bis zu den Kosten einer Klage auf Nichtigerklärung oder eines Verfahrens über einen Nichtigkeitseinwand
in der Höhe von etwa E 20.000,– reicht die Palette. Für die Mitgliedstaaten von Bedeutung sind die beiden Jahresgebührenvorschläge des Europäischen Patentamts, die revidierten TOP 4 und TOP 5 (Orientierung an den Gebühren der vier oder fünf prominentesten EPO-Mitgliedstaaten). Gebühren von E 350,– im zweiten Jahr bis zu E 4.855,– bzw E 5.500,–
im 20. Jahr sind vorgesehen. Bei der Gebührenfestsetzung reichen allerdings Vergleiche mit dem deutschen System für eine seriöse Beurteilung nicht aus.
Alle Verzögerungen, auch die in das System eingebauten, führen dazu, dass sich der Erfolg des zentralisierten Systems vermutlich erst einer zukünftigen Generation von Beteiligten offenbaren wird.
Walter Holzer