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Podiumsdiskussion der ÖV zum Thema Produktpiraterie14.12.2015

Am 3.12.2015 fand im Rahmen der Generalversammlung der Österreichischen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (ÖV) im vollbesetzten Festsaal des Hauses des Handels eine Podiumsdiskussion unter dem Titel „Das Phänomen Produktpiraterie – Trends und Defizite“ statt. Hochkarätige Referenten diskutierten unter der Leitung von Hon. Prof. Dr. Guido Kucsko über rechtliche und wirtschaftliche Aspekte der Produktpiraterie.

Dr Dominik Hofmarcher, RA bei Schönherr Rechtsanwälte GmbH

Podiumsdiskussion der ÖV zum Thema Produktpiraterie

Am 3.12.2015 fand im Rahmen der Generalversammlung der Österreichischen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (ÖV) im vollbesetzten Festsaal des Hauses des Handels eine Podiumsdiskussion unter dem Titel „Das Phänomen Produktpiraterie – Trends und Defizite“ statt. Hochkarätige Referenten diskutierten unter der Leitung von Hon. Prof. Dr. Guido Kucsko über rechtliche und wirtschaftliche Aspekte der Produktpiraterie.

Den Eröffnungsvortrag hielt Amtsdirektor Gerhard Marosi vom Bundesministerium für Finanzen. Er war Mitautor des neuen Regelwerks über die Tätigkeit der Zollbehörden gegen Produktpiraterie (EU-ProduktpiraterieVO, PPV 2014) und berichtete aus erster Hand über die aktuellen Entwicklungen in der Praxis. Obwohl der Trend eindeutig zu Internetbestellungen gehe, werde das vor diesem Hintergrund geschaffene spezielle Verfahren für Kleinsendungen bisher nur mäßig in Anspruch genommen (etwa von 15% aller Antragsteller). Ein Problem erblickt er insbesondere im Fehlen eines einfachen Rechtfertigungsverfahrens zur Feststellung, ob die angehaltene Sendung ein Recht geistigen Eigentums verletzt (zumal ein gerichtliches Vorgehen im Fall eines Widerspruchs gegen eine Anhaltung durch die Zollbehörden nach der neuen Rechtslage grundsätzlich obligatorisch ist).

Dr Maximilian Burger-Scheidlin, Geschäftsführer der ICC Austria, beleuchtete in seinem Vortrag insbesondere die Situation in China. Aufgrund von Lohnsteigerung in China und aufgrund des Wechselkurses würden Fälscher mittlerweile zunehmend auch auf andere Länder ausweichen. Zudem ziehe China auch beim Rechtsschutz nach. Von Produktpiraterie betroffenen Rechteinhabern rät er, "das Übel möglichst an der Wurzel zu packen" – dh nicht bloß gefälschte Waren aus dem Verkehr zu ziehen, sondern die Lieferketten nachzuverfolgen, Produktionsstätten aufzuspüren und für die Schließung der Fabriken zu sorgen. In diesem Zusammenhang könnten sich die Rechteinhaber auch an das Counterfeit Intelligence Bureau der ICC in London werden.

RA Dr Andreas Manak gewährte einen spannenden Einblick in seine Tätigkeit bei der Verfolgung von Film- und Musikpiraterie, die sich heute vornehmlich im Internet abspielt. Das größte Problem sei in diesem Zusammenhang, dass eine Verfolgung unbekannter Täter seit der Abschaffung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nicht mehr möglich sei, weil eine Hausdurchsuchung nur im Rahmen einer Privatanklage gegen einen bestimmten Täter beantragt werden könne. Die Bestimmungen zur zivilrechtlichen Hausdurchsuchungen (EV zur Beweissicherung) seien überhaupt totes Recht; das Gesetz sei in diesem Bereich auch viel zu unbestimmt. Eine interessante Diskussion entwickelte sich in diesem Zusammenhang sodann insbesondere auch zur Frage, ob eine Registrierungspflicht für Internetnutzer machbar und sinnvoll wäre.

Im Rahmen der weiteren Diskussion verwies Kommerzialrat Dkfm Erst Aichinger, Berufszweigvertreter des Sportartikelhandles der WKÖ, sodann auf den massiven wirtschaftlichen Schaden, der durch Produktpiraterie verursacht wird. Neben dem juristischen Vorgehen sei auch die fortlaufende Aufklärung durch Informationskampagnen wichtig und sinnvoll.

Kommerzialrat Herbert Gänsdorfer, Obmann des Landesgremiums Wien des Handels mit Mode und Freizeitartikel in der Wirtschaftskammer Wien, ortete ein gewisses Defizit in der Kooperation zwischen Rechteinhabern und Branchenvertretern.

Zu den mehrfach angesprochenen Rechtsschutzlücken meldete sich sodann auch Frau Rat Mag Martina Spreitzer-Kopiunik, Richterin am LG für Strafsachen Wien und dort mit Pirateriefällen betraut, zu Wort. Sie bestätigte, dass gewisse Unsicherheiten bestünden, ob eine Privatanklage unverzüglich zugestellt werden muss – ein Antrag des Privatanklägers, die Privatanklage erst im Zuge der Hausdurchsuchung zuzuzustellen, wäre diesbezüglich zu empfehlen. Schwieriger sei dies allerdings im Bereich der Verbandsverantwortlichkeit, weil hier unverzüglich ein Verteidiger zu bestellen sei.

In der allgemeinen Diskussion wurde sodann insbesondere erörtert, ob im Bereich der Produktpiraterie – möglichst zusätzlich zum Privatanklagerecht – entsprechende Offizialdelikte geschaffen werden sollten, um ein amtswegiges Einschreiten zu ermöglichen (diesbezüglich berichtete Marosi von der italienischen und französischen Praxis). Mit § 110 StPO könne jedenfalls nicht das Auslangen gefunden werden (zumal auch der Verweis auf Art 18 PPV 2014 völlig unklar ist). Mag Claus Kahn, Leiter des Büros für Wirtschaftsermittlungen der Kriminalpolizei, gab zu bedenken, dass das amtswegige Vorgehen eine erhebliche Herausforderung für die Kriminalpolizei darstellen würde – eine solche Verpflichtung solle daher allenfalls für schwerere Delikte vorgesehen werden (insbesondere bei gewerbsmäßiger Begehung).

Einig war man sich letztendlich, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen nicht in allen Bereichen ideal sind (insbesondere was den strafrechtlichen Schutz, das amtswegige Vorgehen und das Rechtfertigungsverfahren in Zollsachen betrifft) und dass in Zukunft neben der juristischen auch die wirtschaftliche Komponente der Produktpiraterie stärker aufgezeigt und in den Fokus gerückt werden sollte.

Dr Dominik Hofmarcher, RA bei Schönherr Rechtsanwälte GmbH

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