[EDITORIAL] von Gottfried Musger
Vom Ende einer erfolgreichen Marke
Ein kurzer Leitsatz (ÖBl-LS 2015/45, in diesem Heft Seite 263) markiert den vorläufigen Schlusspunkt einer mit Spannung verfolgten Geschichte von wirtschaftlichem Erfolg und markenrechtlichem Scheitern. Die Marke „Kornspitz“ war (ua) für Backwaren und Backmischungen eingetragen. Der Inhaber gestattete jenen Bäckern und Lebensmittelhändlern, die die Backmischung von ihm bezogen, das damit hergestellte Gebäck als „Kornspitz“ zu bezeichnen. Das Produkt hatte Erfolg: Der „Kornspitz“ trat gleichberechtigt neben Wachauer und Salzstangerl. Zwar gab es schon früh ein markenrechtliches Wetterleuchten, als ein Sicherungsantrag gegen Backmischungen für einen „Kleespitz“ scheiterte (4 Ob 1104/95). Denn die kurze Zurückweisungsbegründung des OGH ließ darauf schließen, dass die Vorinstanzen die Unterscheidungskraft der Marke auch für Backwaren verneint hatten. Aber in weiterer Folge schien kein Zweifel am Markenschutz zu bestehen.
Das änderte sich mit dem 2010 gestellten Löschungsantrag eines Mitbewerbers. Gestützt war dieser Antrag nicht, wie man nach dem ersten Wetterleuchten hätte erwarten können, auf § 33 Abs 1 iVm § 4 Abs 1 Z 3, 4 oder 5 MSchG, also auf schon ursprünglich fehlende Eintragungsfähigkeit, sondern auf die Entwicklung zur Gattungsbezeichnung iSv § 33 b Abs 1 MSchG (Art 12 Abs 2 MarkenRL). Die weitere Entwicklung ist bekannt: Der OPM wies den Löschungsantrag zwar ab, soweit er Backmischungen und ähnliche Waren betraf, in Bezug auf Backwaren – also auf den „Kornspitz“ als solchen – richtete er aber ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH (OM 6/12, Kornspitz, ÖBl-LS 2013/28). Dieser entschied in der Sache gegen den Markeninhaber (C-409/12, Kornspitz II, ÖBl 2014/28 [Majchrzak/Graf]): Maßgebend für die Entwicklung zur Gattungsbezeichnung sei das Verständnis der Endverbraucher, nicht jenes der Bäcker oder Zwischenhändler; eine nach Art 12 Abs 2 MarkenRL relevante Untätigkeit liege schon dann vor, wenn es der Markeninhaber unterlasse, „die Verkäufer dazu zu bewegen, die Marke für den Vertrieb einer Ware, für die die Marke eingetragen ist, mehr zu benutzen.“ Damit war der Weg für die nun den ordentlichen Gerichten obliegende Sachentscheidung vorgezeichnet: Die Marke hatte sich – sollte sie jemals unterscheidungskräftig gewesen sein – zur Gattungsbezeichnung entwickelt, der Markeninhaber hatte nichts dagegen unternommen. Letzteres ist wirtschaftlich sogar nachvollziehbar: Aus Marketinggründen lag es nahe, den Zusammenhang zwischen dem „Kornspitz“ und industriell gefertigten Backmischungen nicht allzu sehr zu betonen. Für diese Backmischungen ist die Marke zwar weiterhin aufrecht. Schon der OPM hat aber darauf hingewiesen, dass bei einer Löschung der Marke für Backwaren die Bestimmungsangabe „Backmischung für Kornspitze“ wohl zulässig sein müsste.
Auch Erfolgsgeschichten finden daher manchmal ihr frühes Ende. Das werden die Beteiligten bedauern, wenn es auf eigenen Fehlern oder ungünstigen äußeren Umständen beruht. Anders verhält es sich aber bei einem Abschied aus freien Stücken. Und damit bin ich bei einem persönlichen Schlusspunkt angelangt: Trotz des hervorragenden Umfelds in Redaktion und Verlag habe ich mich angesichts einer Verlagerung meiner fachlichen Interessen entschlossen, meine Mitarbeit in den ÖBl zu beenden. Die „richterliche Feder“ wird ab dem nächsten Heft Dr. Hinger vom OLG Wien führen. Damit liegt der Unterschied zum Kornspitz auf der Hand: Am Fortbestand der erfolgreichen Marke ÖBl besteht kein Zweifel.
Gottfried Musger
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