von Sonja Dürager, bpv Hügel Rechtsanwälte
Vorbemerkung
Am 8. September 2016 hat der EuGH (C-160/15, GS Media v. Samona) die Linkfreiheit nach seinen letzten Entscheidungen, welche das Setzen von Links auf fremde Inhalte auf Websites Dritter weitgehend bedingungslos erlauben, eingeschränkt und zumindest kommerziellen Nutzern erhöhte Sorgfaltspflichten bei der Verlinkung von Inhalten auferlegt.
Die Ausgangslage
Im Oktober 2011 hatte der Fotograf Herr Hermès über Auftrag der Zeitschrift Playboy (Medieninhaber Sanoma Media Netherlands BV) Nacktfotos von der TV-Moderatorin Britt Dekker gemacht, und die Rechte zur Nutzung der Fotos an Sanoma exklusiv eingeräumt. Noch im gleichen Monat hatte das niederländische Weblog GeenStijl, das von GS Media BV betrieben wird, einen Artikel über Frau Dekker samt eines Fotos aus der Fotostrecke von Herr Hermès veröffentlicht und dem Artikel einen Link hinzugefügt, mit dem der User auf die Website Filefactory.com gelangte, unter der die in Rede stehenden Fotos zugänglich waren. Die Aufforderung des Playboy, die Fotos und den Link zu entfernen, missachtete GS Media und veröffentlichte stattdessen sogar einen Bericht, in dem über den Rechtsstreit zwischen GS Media und Sanoma berichtet wurde, und dieser wieder mit einem Link zu den Fotos versehen war. Zwischenzeitig hatte Sanoma allerdings erreicht, dass Filefactory die Fotos entfernen musste, weshalb GS Media auf die Website Imageshack.us verlinkte, welche noch einzelne Fotos enthielt. Im Dezember 2011 hat Playboy die Fotos von Frau Dekker veröffentlicht. Nach einer weiteren Abmahnung – ohne Erfolg trotz mittlerweile erfolgter Löschung der Fotos von der Website Imageshack – klagte Samona die GS Media wegen Verletzung der Rechte des Fotografen und der eigenen Rechte. Vom Berufungsgericht in Amsterdam wurde der Klägerin stattgegeben, wogegen GS Media Kassationsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof der Niederlande einlegte, der dann das Verfahren aussetzte und dem EuGH zusammengefasst die Vorabentscheidungsfrage stellte, ob bei Verlinkung auf Inhalte einer von einem Dritten betriebene Website auch dann eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art 3 Abs 1 der InfoSoc-RL vorliegen würde, wenn das Werk zuvor tatsächlich, aber ohne Zustimmung des Rechteinhabers veröffentlicht worden sei, und ob es dafür relevant sei, ob der Linksetzer wusste oder wissen musste, dass keine Zustimmung des Rechteinhabers zur Erstveröffentlichung vorliegt.
Die Entscheidung des EuGH
Der EuGH geht davon aus, dass die Prüfung, ob das Setzen eines Hyperlinks auf eine Website zu geschützten Inhalten, die auf einer anderen Website ohne Zustimmung des Rechteinhabers frei zugänglich sind, eine „öffentliche Wiedergabe“ darstellt, anhand von ihm bereits aufgestellten folgenden Kriterien vorzunehmen ist: Zunächst ist relevant, dass der Nutzer in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens tätig wird und daher handelt, um den Usern Zugang zu einer Quelle zu verschaffen, die das geschützte Werk enthält (vgl EuGH 15.3.2012, SCF, C-135/10). Das zweite Kriterium ist, dass Öffentlichkeit begrifflich eine unbestimmte Zahl potentieller Leistungsempfänger bedeutet und aus vielen Personen bestehen muss, womit er ebenso auf die Entscheidung SCF verweist. Ergänzend dazu prüft der EuGH im Sinne seiner Entscheidungen Svensson, C-466/12, in der er erstmalig die Linkfreiheit konstatierte, und BestWater International, C-348/13, dass für eine „öffentliche Wiedergabe“ das Werk für ein neues Publikum zugänglich gemacht werden müsste. Drittens wäre zu beurteilen, ob eine öffentliche Wiedergabe Erwerbszwecken dient, womit der EuGH auf die Entscheidung in der Rechtssache FAPL v. Murphy (C-403/08 und C-429/08) referenziert.
Als Zwischenergebnis hält der EuGH für den konkreten Fall fest, dass aus den Entscheidungen Svensson und BestWater International nicht abgeleitet werden kann, dass das Setzen eines Hyperlinks auf eine Website zu geschützten Werken, die hier frei zugänglich sind, aber ohne dass hierfür eine spezielle Zustimmung des Rechteinhabers vorliegt, ganz grundsätzlich nicht als öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art 3 Abs 1 InfoSocRL zu qualifizieren sei. Vielmehr wäre jede Handlung der öffentlichen Wiedergabe eines Werks vom Rechteinhaber zu erlauben. Der EuGH stellt dann allerdings – in Beantwortung der Bedenken von GS Media, wonach es eine erhebliche Einschränkung der Meinungsfreiheit bedeuten würde, jede Linksetzung als eine „öffentliche Wiedergabe“ zu qualifizieren, wenn der Rechteinhaber die Veröffentlichung nicht erlaubt habe – weiters fest, dass das Internet für die durch Art 11 der Grundrechtecharta gewährleistete Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit von besonderer Bedeutung ist und Hyperlinks zu einem Funktionieren dieses Informationsaustausches beitragen. Deshalb müsste bei jemandem, der einen Link setze ohne dabei eine Gewinnerzielungsabsicht zu verfolgen, berücksichtigt werden, ob er wusste oder vernünftigerweise wissen konnte, dass das Werk ohne Zustimmung des Urhebers im Netz veröffentlicht wurde. Wenn er von der konsenslosen Nutzung wusste, sei die Verlinkung (auch ohne Gewinnerzielungsabsicht) als öffentliche Wiedergabe zu betrachten.
Nach der Entscheidung des EuGH verhält sich die Beurteilung hingegen anders bei Hyperlinks mit Gewinnerzielungsabsicht. Von demjenigen, der Hyperlinks mit Gewinnerzielungsabsicht setzt, könnte nämlich erwartet werden, dass er die erforderlichen Nachprüfungen vornimmt, um sich zu vergewissern, dass das betroffene Werk auf der Website, zu der die Hyperlinks führen, nicht unbefugt veröffentlicht worden war. Widerleglich vermutet wird daher in diesem Fall, dass ein solches Setzen von Hyperlinks in voller Kenntnis der Geschütztheit des Werks und der fehlenden Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers zu seiner Veröffentlichung im Internet vorgenommen wurde, weshalb dann eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art 3 Abs 1 InfoSoc-RL anzunehmen ist.
Ausblick
(Hyper-)Links haben eine wichtige Funktion in der Informationsverbreitung mittels des Mediums Internet, der es bislang zugutekam, dass die Prüfpflichten der Informationsverbreiter weder in der Gesetzgebung noch in der Rechtsprechung überspannt worden waren. § 18 ECG sieht außerdem Haftungsbeschränkungen vor und schließt eine generelle Prüfpflicht für Linksetzer aus. Wenn es nun nach dem EuGH geht, soll die Kenntnis bei Linksetzern mit Gewinnerzielungsabsicht vermutet werden. Es ist daher die Frage naheliegend, ob nicht die Entscheidung des EuGH zu einer Aushöhlung des Haftungsprivilegs führt, und welche Auswirkungen das auf die schadenersatzrechtliche Verantwortlichkeit der Linksetzer hat.
Für Medien, Journalisten und andere nicht-private Websitebetreiber gilt es künftig daher, eine höhere Sorgfalt bei der Auswahl ihrer Links walten zu lassen. Besondere Aufmerksamkeit wird damit im Zusammenhang auch die Diskussion um die kommerzielle und nicht-kommerzielle Nutzung eines Werks erfahren, da nämlich nicht unbedingt jede Website, die journalistisch-redaktionellen Inhalt enthält auch gleichzeitig Gewinn erzielt. Aktuell erscheint es für manche Blogger, die kaum oder keinen Gewinn mit ihren Inhalten lukrieren, und die nicht die (finanziellen) Mittel und Möglichkeiten haben, zeitnah die Legalität der Veröffentlichung des Contents zu prüfen, wohl wenig attraktiv Verlinkungen in ihre Beiträge zu integrieren, da es letztlich eine wirtschaftliche Frage ist, ob man sich das Risiko einer Urheberrechtsverletzung leisten kann. Damit erscheint aber die eigens vom EuGH in den Vordergrund gestellte Kommunikations- und Informationsfreiheit eine Einbuße zu erfahren, zumindest solange bis weitere Entscheidungen klare Abgrenzungen zwischen der kommerziellen und nicht-kommerziellen Nutzung getroffen haben und den angelegten Sorgfaltsmaßstab konkretisieren.
Zusammenfassung von Dr. Sonja Dürager, LL.M. (IT-Law), Partnerin bei bpv Hügel Rechtsanwälte OG
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