EuGH C-230/16 Coty Germany GmbH
Verbot von Verkäufen über Internetplattformen
Sachverhalt
Coty Germany verkauft in Deutschland Luxuskosmetika in Form eines selektiven Vertriebsnetzes über autorisierte Händler, die zB in Bezug auf die Ausstattung der Verkaufsräume oder Internetpräsenz gewisse Bedingungen erfüllen müssen. Der Verkauf über das Internet ist den Händlern erlaubt, allerdings dürfen die Waren nicht im Internet über Drittplattformen, die für die Verkäufer erkennbar sind (also zB Ebay oder Amazon) verkauft werden.
Da sich ein Händler („Parfümerie Akzente“) nicht an das Verbot hielt und Waren über Amazon verkaufte, beantragte Coty Germany vor Gericht unter Berufung auf das vertragliche Verbot, diesem Händler den Verkauf über „amazon.de“ zu untersagen. Das OLG Frankfurt/Main hat den EuGH in einem Vorabentscheidungsersuchen hierzu befragt.
In seinem Urteil vom Dezember 2017 verweist der EuGH eingangs darauf, dass sich der Begriff Luxuswaren nicht nur durch materiellen Eigenschaften definiert, sondern auch durch den Prestigecharakter, um die Ware von anderen Produkten zu unterscheiden.
Daher wird auch das Verbot des Verkaufs über Drittplattformen als rechtmäßig angesehen, wenn das Verbot das Luxusimage der betreffenden Waren sicherstellen soll und die Händlerkriterien einheitlich festgelegt werden und in angemessenem Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen. Vorbehaltlich einer Überprüfung durch das OLG Frankfurt sieht der EuGH diese Voraussetzungen in Bezug auf den gegenständlichen Sachverhalt als erfüllt an. Insbesondere ist nach Sicht des EUGHs das von Coty als Anbieter von Luxuswaren an seine autorisierten Händler gerichtete Verbot des Drittplattformverkaufs geeignet, das Luxusimage der Waren sicherzustellen.
Das Verbot geht aber auch nicht über das Erforderliche hinaus, da es zwischen Coty und den Drittplattformen keine Vertragsbeziehung gibt und dadurch von seiten Cotys auch nicht gewährleistet werden kann, dass die Drittplattformen die Qualitätsanforderungen einhalten.
Selbst wenn aber die Klausel an sich unter das Kartellverbot des Art 101 Abs 1 AEUV fallen sollte, hält es der EuGH für „nicht ausgeschlossen“, dass die Vereinbarung nach der vertikalen Gruppenfreistellungsverordnung (EU) 330/2010 („vGVO“) freigestellt werden kann, da das Verkaufsverbot über Drittplattformen jedenfalls weder eine Beschränkung der Kundengruppe, noch eine Beschränkung des passiven Verkaufs an Endverbraucher darstellt. Ein Verstoß gegen die Kernbestimmungen des Art 4 vGVO liegt damit nicht vor und kann daher die vGVO auf den Sachverhalt angewendet werden.
Rechtliche Bewertung
Mit seiner Entscheidung stützt der EuGH massiv die Rechte von Herstellern in Bezug darauf, welche Anforderungen autorisierten Händlern in einem selektiven Vertriebssystem beim Verkauf der Vertragswaren auferlegt werden können. Diskutiert wird derzeit, ob sich das Urteil ausschließlich auf Luxusgüter beschränkt (da das vorlegende OLG Frankfurt sich in seinen Fragen explizit nur auf Luxusgüter beschränkte, hat sich auch der EuGH in seinen Antworten auf Luxusgüter bezogen) oder Plattformverbote auch auf den selektiven Vertrieb von anderen Waren übertragen werden können.
Die Kommission ist hier – entgegen des Bundeskartellamts in Deutschland – jedenfalls der Ansicht, dass Verkaufsverbote über Drittplattformen unabhängig von der Art des Vertragsproduktes von der vGVO gedeckt sind und die vGVO europaweit gleich auszulegen ist, da dies für die Rechtsicherheit einer einheitlichen Rechtsauslegung in Europa von substantieller Bedeutung ist.
RA Mag Gerhard Fussenegger, LL.M. (King’s College, London), bpv Hügel Rechtsanwälte GmbH, Wien / Brüssel
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