Editorial und Inhalt
ÖBl [2018] 1 - Seiten 1 - 44
[EDITORIAL] von Christian Schumacher
Transparenz der Entscheidungen der Rechtsmittelgerichte
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Transparenz der Entscheidungen der Rechtsmittelgerichte ÖBl 2018/1
In unserem Rechtsbereich orientieren wir uns am „case law“, wenn auch ohne formelle Bindung an Vorentscheidungen. Da wesentliche Tatbestände über Generalklauseln oder unbestimmte Gesetzesbegriffe (wie etwa der Werkcharakter im Urheber- oder die Verwechslungsgefahr im Markenrecht) geregelt sind, hat die konkrete Ausgestaltung der Tatbestände durch die Rechtsprechung große Bedeutung, um eine – gewisse – Vorhersehbarkeit der Lösung eines konkreten Falls durch die Gerichte, und damit Rechtssicherheit, zu gewähren. Dabei fördert auch die Kenntnis der Anwendung der unbestimmten Gesetzesbegriffe auf den Einzelfall die Vorhersehbarkeit.
Früher hat der OGH Rechtsmittel im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes unter Verweis auf seine Leitfunktion recht freimütig angenommen, dies aber später aufgegeben und auf die Absicht des Gesetzgebers der WGN 19971[1]) verwiesen, die zweiten Instanzen als Rechtsmittelgerichte aufzuwerten.2[2]) Tragende Erwägung war, dass die Wahrung der Einzelfallgerechtigkeit bei den Oberlandesgerichten liegen solle.
In der Praxis ist die Transparenz der letztinstanzlichen Entscheidungen allerdings eingeschränkt. Dies beeinträchtigt die Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit von Entscheidungen. Dem könnte man mE recht einfach abhelfen:
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Veröffentlichung von OLG-Entscheidungen:Der mit den Rechtsmitteln aus den Patentamtsverfahren betraute 33. Senat des OLG Wien nimmt hier eine Vorreiterrolle wahr und unsere Autoren bereiten die veröffentlichten Entscheidungen in den ÖBl für die Praxis auf – so wie auch die sehr zahlreichen, allesamt veröffentlichten Einzelfallentscheidungen des EuG im Rechtszug vom EUIPO. Kürzlich hat auch der ÖRAK die Veröffentlichung aller wesentlichen rechtskräftigen Entscheidungen der Rechtsmittelgerichte im RIS gefordert.
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Vermehrt beobachtet und kritisiert wird, dass der OGH ao Rechtsmittel bisweilen gem § 510 Abs 3ZPO ohne Begründung zurückweist. Wünschenswert wäre generell, dass der OGH in jeder Zurückweisungsentscheidung jede vom Rechtsmittelwerber behauptete Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung kurz darstellt (dies sollte auch die Qualität der Rechtsmittelausführungen sicherstellen) und dazu kurz ausführt, welche Grundsätze der Rsp nach Auffassung des OGH anzuwenden sind und inwiefern sich die Lösung im Einzelfall in deren Rahmen bewegt. Dies würde die Akzeptanz der Entscheidung durch die Parteien (die beträchtliche Aufwendungen für das Rechtsmittel hatten, alleine die Pauschalgebühr beträgt meist mindestens € 2.861,–) und allgemein Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit fördern. Wird zudem in auch für Laien verständlicher Sprache klargestellt, dass der OGH nur eine eingeschränkte Prüfung vorgenommen hat, kann durch Zurückweisungsentscheidungen kein falscher Eindruck in der Öffentlichkeit entstehen.
[1]Erweiterte Wertgrenzen-Novelle 1997 – WGN 1997 BGBl I 1997/140.
[2]OGH 10. 7. 2007, 4 Ob 121/07 h ÖBl-LS 2007/210; RIS-Justiz RS0122243.