Editorial und Inhalt
ÖBl [2018] 3 - Seiten 93 - 144
[EDITORIAL] von Reinhard Hinger
Wie man die Flut entrümpelt
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Wie man die Flut entrümpelt
Holzflut? Kein Tischler kennt sie. Bierflut? Kein Gastwirt kennt sie. Tonflut? Kein Musiker kennt sie.
Gesetzesflut? Wir Juristinnen und Juristen kennen und beklagen sie seit Menschengedenken; kein Wunder daher, dass die Idee der Entrümpelung populär wird. (Wörter können sehr entlarvend sein, wenn man sie nur genau betrachtet: In der Entrümpelung steckt das Gerümpel.) Regeln sind lästig, das wissen schon die Kinder beim Mensch-ärgeredich-nicht-Spielen. Diese Kindheitserinnerung verschafft der „Deregulierung“ einen angenehmen Klang. Deregulierung klingt nach Freiheit. Mit der Erkenntnis, dass Freiheit auch jene des Fuchses im Hühnerstall ist, sollen sich die Pessimisten beschäftigen.
Warum nicht einfach alle Gesetze, die älter als knapp 20 Jahre sind, mit einem Beschluss abschaffen und nur das – als Ausnahme vom Deregulierungs-Grundsatz – bestehen lassen, was als notwendig („die Not abwendend“) behalten werden muss?
All die abertausend Paragrafen, die als Ergebnis mühseliger Diskussionen im demokratisch gewählten Parlament entstanden sind, bekommen den Gegenwind der Behauptungs- und Beweislast für ihr Überleben. Nicht derjenige muss nach Argumenten suchen, der etwas ändern oder abschaffen will, sondern derjenige, der der Meinung ist, eine einmal gefundene, erstrittene oder als Kompromiss erreichte Regelung solle bestehen bleiben.
Wenn jemand (wie zum Beispiel aus Regierungskreisen verlautet) diese Idee umsetzt, wäre das Jammern über die Gesetzesflut vielleicht bald vorbei.
Das Patentgesetz, das Markenschutzgesetz, das Gebrauchsmustergesetz, das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (schon nicht so sicher, weil auch oft lästig) und all die anderen uns ans Herz gewachsenen Texte werden sie uns schon lassen,
hofft Ihr
Reinhard Hinger