Zur Frage eines Missbrauchs marktbeherrschender Stellung von Lufthansa durch Verrechnung von Extra-Gebühren gegenüber Reisebüros.
Sachverhalt
Seit 1.9.2015 hat die Lufthansa Group eine sogenannte Distribution Cost Charge (DCC) eingeführt. Dabei wird bei Verkäufen von Flugtickets über die Vermittlung von österreichischen Reisebüros an Kunden in Österreich und bei Verkäufen von Flugtickets an österreichische Reisebüros eine zusätzliche und automatische Gebühr von 16 € verrechnet. Die Buchungsgebühr fällt nur in jenen Fällen nicht an, in denen die Flugbuchung entweder direkt über das System der Lufthansa-Group oder über einen ihrer „direct-connect“- Partner erfolgt.
Die Antragstellerin (Fachverband der Reisebüros der Wirtschaftskammer Österreich) argumentierte, dass die Vorschreibung der Gebühr einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung gem § 5 KartG bzw Art 102 AEUV darstellt und begehrte die Abstellung der Vorschreibung dieser Gebühr bei Verkäufen von Flugtickets an österreichische Reisebüros. Wahrer Grund der Gebühr sei nicht die Kostenüberwälzung, sondern der direkte Zugang für Lufthansa Group (als Antragsgegnerin) zu Kunden.
Durch die anfallenden Mehrkosten aufgrund der Gebühr würden die Reisebüros vom Markt verdrängt werden, da Kunden dadurch ein Anreiz gegeben werde, Direktbuchungen bei der Antragsgegnerin durchzuführen. Lufthansa Group wiederum bestritt das Vorliegen eines Missbrauches, da die eingehobenen Gebühren unter den tatsächlichen Mehrkosten liegen würden. Auch habe weder die Europäische Kommission, noch die BWB einen Anlass zur Erhebung von Einwänden oder zum Einschreiten gesehen.
Darüber hinaus beantragte die Antragstellerin auch die Untersagung der Geltendmachung unterschiedlicher Preise und Konditionen durch Lufthansa Group in Bezug auf einzelne Flugstrecken je nach Buchungsort, insbesondere auf solchen Strecken, bei denen sie keinem Wettbewerb ausgesetzt sei. Lufthansa Group begehe hier eine Diskriminierung, die gegen das KartG sowie das NVG verstoße.
Rechtliche Beurteilung
Das Kartellgericht als Erstgericht ging davon aus, dass sich der Sachverhalt nicht nur auf den inländischen Markt auswirke, sondern auch Zwischenstaatlichkeit gegeben sei, weshalb europäisches und österreichisches Wettbewerbsrecht anzuwenden ist. Der Marktanteil der Antragsgegnerin betrage europaweit 12%, eine marktbeherrschende Stellung iSd §4 Abs 1 KartG und Art. 102 AEUV liege nicht vor. Der OGH als Kartellobergericht („KOG“) weist diesbezüglich im Rekursverfahren darauf hin, dass es sich bei der Frage der Marktabgrenzung um eine Tatfrage handelt und das KOG als Rechtsinstanz die Abgrenzung des Marktes nur dahin gehend prüfen kann, als es um die Bewertung der der Marktabgrenzung zugrunde gelegten Methode geht.
Die Antragsgegnerin habe zwar relevante Marktmacht gegenüber den Reisebüros iSd § 4 Abs 3 KartG. Ein Preis- oder Konditionenmissbrauch iSd §5 Abs 1 Z 1 KartG bzw Art.102 lit a AUEV wegen des Eigenvertriebs durch die Lufthansa -Group liegt jedoch nicht vor, da ein solcher nur gegeben ist, wenn der vom Marktbeherrscher verlangte Preis „stark“ bzw. „eindeutig“ abweicht. Auch ein Luftfahrtunternehmen kann seine Vertriebswege frei gestalten und diese auch zu Lasten anderer Vertriebswege stärken. Allein der Umstand, dass die Antragsgegnerin einen die Reisebüros unterstützende Buchungsplattform zuvor förderte, begründet keinen Anspruch darauf, dass sie dies auch weiterhin tun müsse. Es liegt daher kein missbräuchliches Verhalten vor.
Des Weiteren stellt das KOG fest, dass der Sachverhalt nicht in den Anwendungsbereich des NVG fällt, da dieser nach Intention des Gesetzgebers nur jene Fälle erfasst, die unterhalb der Schwelle der Marktbeherrschung liegen. Dementsprechend geht das KOG davon aus, dass § 2 NVG nicht anzuwenden ist, wenn die Einhebung der Gebühr sachlich gerechtfertigt und daher keinen Missbrauch iSd §5 Abs 1 Z3 KartG darstellt.
In Bezug auf die beantragte Abstellung erteilte das Erstgericht einen entsprechenden Auftrag aber nur hinsichtlich der Flugstrecke Graz- Frankfurt. Begründet wurde dies mit der marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin iSd §4 Abs 1 Z1 KartG als einziger Anbieterin auf dieser Flugstrecke. Die Lufthansa Group, so das Erstgericht, verstoße damit gegen das Missbrauchsverbot des §5 Abs 1 Z 3 KartG, Art 102 AUEV sowie gegen Art 13 Abs 2 der VO (EU) Nr. 1007/2008, indem sie - ohne sachliche Rechtfertigung - unterschiedliche Preise bei unterschiedlichen Buchungsorten verlangte und damit inländische Reisebüros im Wettbewerb benachteilige. Die Flugstrecke für sich stellt hier einen relevanten Markt dar, bei dem Marktherrschaft und gleichermaßen Marktmissbrauch festgestellt wurde.
In Bezug auf weitere Strecken traf das Erstgericht keine Feststellungen, da bei diesen aufgrund der Berücksichtigungswürdigkeit des potentiellen Wettbewerbs noch keine abschließende Beurteilung möglich sei. Das KOG gibt hier dem Rekursbegehren der Antragstellerin teilweise Folge und beauftragte das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung über den Abstellungsauftrag mit Ausnahme der Flugstrecke Graz- Frankfurt. Die Antragstellerin hat diesbezüglich ihren Antrag zu präzisieren.
Für die Strecke Graz-Frankfurt räumte das KOG - entgegen der Auffassung des Erstgerichtes - der Antragsgegnerin eine sechsmonatige Frist zur Abstellung des missbräuchlichen Verhaltens ein, da hierzu auch technische Maßnahmen notwendig sind.
RA Mag Gerhard Fussenegger, LL.M., Tabatha Franke - bpv Hügel Rechtsanwälte GmbH, Wien / Brüssel
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