Auch das Entfernen von Markenlogos von einer Ware und das Ersetzen durch eigene Zeichen vor der Einfuhr in den EWR kann als relevante Markenbenutzung und -verletzung angesehen werden, gegen die sich der Markenrechtsinhaber zur Wehr setzen kann.
Mitsubishi Shoji Kaisha
Der Entscheidung des EuGH vom 25.7.2018, C-129/17, lag ein Vorabentscheidungsersuchen des Berufungsgerichts Brüssel zur Auslegung von Art 5 der Richtlinie 2008/95/EG und Art 9 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 zugrunde (vgl die Änderung bzw Ergänzung dieser Bestimmungen durch die EU-Richtlinie 2015/2436 und die EU-Verordnung 2015/2424). Die Beklagten hatten seit November 2009 außerhalb des EWR von einem Unternehmen der Mitsubishi-Gruppe Gabelstapler gekauft. Sie entfernten im Rahmen des Zolllagerverfahrens alle Mitsubishi-Zeichen von den Gabelstaplern, führten die erforderlichen technischen Anpassungen für die EU-Einfuhr durch, ersetzten Kennzeichnungsschilder und Seriennummern und brachten ihre eigenen Zeichen an.
Mitsubishi beantragte die Untersagung der Einfuhr und des Inverkehrbringens der Gabelstapler. Die ohne ihre Zustimmung vorgenommene Entfernung ihrer Zeichen, die Anbringung neuer Zeichen sowie der Vertrieb dieser Waren im EWR verletzten ihre Markenrechte. Es stelle eine Umgehung des Rechts des Inhabers der Marke dar, das erstmalige Inverkehrbringen der Waren im EWR zu steuern und beeinträchtige die Funktion der Marke, auf Herkunft und Qualität hinzuweisen. Die Beklagten beriefen sich im Wesentlichen darauf, dass sie keine Markenverletzung begangen hätten und als Hersteller der Gabelstapler anzusehen seien, weil sie Änderungen bzw Anpassungen an den Maschinen vorgenommen hätten, um sie an die unionsrechtlichen Vorschriften anzupassen. Sie seien folglich auch berechtigt gewesen, auf den Gabelstaplern ihre eigenen Zeichen anzubringen.
Der EuGH schloss sich dieser Meinung nicht an, sondern sah im Verhalten der Beklagten eine unzulässige „Benutzung“ der Marke (der Generalanwalt hatte in seinen Schlussanträgen empfohlen, die Entfernung von auf Waren angebrachten Zeichen nicht als Markenverletzung zu qualifizieren). Die Hauptfunktion der Marke bestehe nämlich darin, dem Endabnehmer die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Ware zu garantieren, indem sie es ihm ermöglicht, diese Ware von denjenigen anderer Herkunft zu unterscheiden. Sie diene insbesondere dem Ausweis dessen, dass die mit ihr versehenen Waren unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens, dem sich die Verantwortung für ihre Qualität zuordnen lässt, hergestellt oder geliefert worden sind, damit sie ihre Aufgabe als wesentlicher Bestandteil des Systems eines unverfälschten Wettbewerbs erfüllen kann. Zum Begriff „Benutzung im geschäftlichen Verkehr“ habe der Gerichtshof bereits festgestellt, dass die in Art 5 Abs 3 der Richtlinie 2008/95 und Art 9 Abs 2 der Verordnung Nr. 207/2009 enthaltene Aufzählung von Benutzungsformen, die der Markeninhaber verbieten kann, nicht erschöpfend ist. „Benutzen“ und „im geschäftlichen Verkehr“ könnten auch nicht dahin ausgelegt werden, dass sie nur auf unmittelbare Beziehungen zwischen einem Händler und einem Verbraucher abstellen, sondern dass eine Benutzung eines mit der Marke identischen Zeichens insbesondere dann vorliegt, wenn der betreffende Wirtschaftsteilnehmer dieses Zeichen im Rahmen seiner eigenen kommerziellen Kommunikation benutzt.
Die Entfernung der mit der Marke identischen Zeichen und die Anbringung neuer Zeichen auf den Waren beeinträchtige die Funktionen der Marke. Es verstoße gegen das Ziel, einen unverfälschten Wettbewerb zu gewährleisten, wenn Dritte ohne Zustimmung des Markeninhabers die mit der Marke identischen Zeichen entfernen und neue Zeichen auf den Waren anbringen, um diese unter Umgehung des Rechts des Inhabers, die Einfuhr der mit seiner Marke versehenen Waren zu verbieten. Der Vorgang, dass der Dritte die mit der Marke identischen Zeichen entfernt, um seine eigenen Zeichen anzubringen, stelle eine aktive Handlung dieses Dritten dar, die – da sie im Hinblick auf die Einfuhr der Waren in den EWR und somit im Zusammenhang mit einer geschäftlichen Tätigkeit erfolgt, die auf einen wirtschaftlichen Vorteil gerichtet ist – als Benutzung der Marke im geschäftlichen Verkehr angesehen werden kann.
Insgesamt könne sich somit laut EuGH der Inhaber einer Marke dem widersetzen, dass ein Dritter – wie im Ausgangsverfahren – ohne seine Zustimmung auf in das Zolllagerverfahren überführten Waren im Hinblick auf ihre Einfuhr in den oder ihr Inverkehrbringen im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), wo sie noch nie vertrieben wurden, alle mit dieser Marke identischen Zeichen entfernt und andere Zeichen anbringt.
Dr. Rainer Tahedl, Jurist, em. RA, Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb
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