[EDITORIAL] von Rainer Beetz
"In aller Kürze"
Anfang dieses Jahres ist die neue Verfahrensordnung der Beschwerdekammern des EPA (VOBK) in Kraft getreten. Diese sieht ua vor, dass die Kammer die Entscheidungsgründe in gekürzter Form abfassen kann, sofern sie sich den Feststellungen und der Begründung in der angefochtenen Entscheidung anschließt (Art 15 Abs 8 VOBK); dem österr Praktiker ist eine iW analoge Regelung aus § 500 a ZPO bekannt, so dass diese neue Verfahrensbestimmung durchaus akzeptabel erschien. In der ersten unter der neuen VOBK ergangenen Entscheidung (T 1687/17, 69) wird das Rechtsmittel in aller Kürze abgehandelt. Die Begründung erschöpft sich iW in dem Stehsatz: „Nach Überprüfung der angefochtenen Entscheidung schließt sich die Kammer der zutreffenden Begründung der Einspruchsabteilung an und verweist auf die Entscheidungsgründe [. . .]“ – eine beachtlich verkürzte Form der Begründung.
In Zusammenschau mit dem neu eingeführten Neuerungsverbot nach Art 12 Abs 2 VOBK, wonach das Beschwerdevorbringen auf Anträge, Tatsachen, Einwände, Argumente und Beweismittel zu richten ist, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegen, fragt man sich, ob sich die Beschwerdekammern selbst abschaffen wollen: Neue Beweismittel und neues Vorbingen sind aufgrund des Neuerungsverbots somit idR unzulässig, so dass der Großteil der Entscheidungen der Beschwerdekammern zukünftig in aller Kürze durch einen Verweis auf die erstinstanzlichen Begründung abgehandelt werden könnte – der Zugang zu einem fairen und effektiven gerichtlichen Verfahren iSv Art 6 EMRK sieht anders aus. Ob diese neue Praxis bei den zuständigen Richtern des dt BVerfG, die seit über zehn Jahren die Verfassungskonformität des abschließenden amtsinternen Rechtsmittelverfahrens prüfen, nicht für gehobene Augenbrauen sorgt?
Anfang dieses Jahres wurde auch das Regierungsprogramm der neuen Bundesregierung veröffentlicht. Auch wenn dieses nicht gerade kurz ausgefallen ist, wird der gewerbliche Rechtsschutz hierin in aller Kürze abgehandelt: In dem 326 Seiten starken Programm finden sich gerade einmal zwei Hinweise auf den gewerblichen Rechtsschutz. Seite 154 entnimmt man, dass die Bundesregierung die Überarbeitung des PatG(!) zur Umsetzung des EU-Herkunftsschutzes im österr Recht plant – was mit den bestehenden einschlägigen Bestimmungen im MSchG geplant ist, bleibt offen. Auf Seite 155 findet man dann noch den Plan, das europäische Patentübereinkommen im Hinblick auf das Verbot der Patentierung von Leben (im Alleingang?) zu überarbeiten – ein überaus „ambitioniertes“ Ziel. Diese Mischung aus in Unsinnigkeit mündender sprachlicher Ungenauigkeit und Reformstillstand lässt einen jedenfalls die Augenbrauen heben.
Im Übrigen hat die nicht gerade als Reformregierung verschriene „große“ Koalition in Deutschland soeben Gesetzesentwürfe zur Novellierung des dt PatG und der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften veröffentlicht. Hierin sind ua zur Synchronisierung der Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren die Herausgabe eines qualifizierten Hinweises durch dt BPatG innerhalb von sechs Monaten sowie eine weitere Liberalisierung der Vergesellschaftungsmöglichkeiten bei anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften vorgesehen; korrespondierende Reformmaßnahmen sucht man im Regierungsprogramm vergebens. Ist im gewerblichen Rechtsschutz „das Beste aus beiden Welten“ etwa der Stillstand?
Rainer Beetz
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