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Einheitliches Patentgericht: Zukunft ungewiss23.04.2020

Am 27. Februar 2020 hat ein Sprecher der britischen Regierung erklärt, dass das Vereinigte Königreich keine Beteiligung mehr am "Einheitlichen Patentgerichtsübereinkommen" (EPGÜ) anstreben wird. Die Beteiligung an einem Gericht, das EU-Recht anwendet und an den EuGH gebunden ist, stehe im Widerspruch zu den Zielen der Regierung, eine unabhängige und selbstverwaltete Nation zu werden.

Am 20. März 2020 wurde sodann ein Beschluss des dBVerfG in der Rechtssache 2 BvR 739/17 veröffentlicht, wonach das deutsche Gesetz zu dem Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ-ZustG), mit welchem Hoheitsrechte auf das Einheitliche Patentgericht übertragen werden sollten, nichtig ist.

Das Gesetz bewirke der Sache nach eine materielle Verfassungsänderung, ist aber vom Bundestag nicht mit der hierfür erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen worden (es waren lediglich 38 Abgeordnete anwesend). Zur Sicherung ihrer demokratischen Einflussmöglichkeiten im Prozess der europäischen Integration haben Bürger und Bürgerinnen grundsätzlich ein Recht darauf, dass eine Übertragung von Hoheitsrechten nur in den vom Grundgesetz dafür vorgesehenen Formen erfolgt. Ein unter Verstoß hiergegen ergangenes Zustimmungsgesetz zu einem völkerrechtlichen Vertrag kann die Ausübung öffentlicher Gewalt durch die Europäischen Union oder eine mit ihr in einem Ergänzungs- oder sonstigem besonderen Näheverhältnis stehende zwischenstaatliche Einrichtung nicht demokratisch legitimieren.

Demnach wäre jedenfalls eine neue Abstimmung im deutschen Bundestag mit der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit für das Inkrafttreten des EPGÜ erforderlich, da die Bundesrepublik Deutschland einer von drei Signatarstaaten ist, dessen Ratifikation für das Inkrafttreten des EPGÜ zwingend erforderlich ist.

In Anbetracht der Änderung der Position der britischen Regierung (das Vereinigte Königreich hat – nach dem Brexit-Referendum – die Ratifizierung bereits durchgeführt) stellt sich nun allerdings grundsätzlich die Frage, ob nach wie vor ein ausreichend großer politischer Wille der verbleibenden EU-Mitgliedsstaaten und eine ausreichend großes Interesse der beteiligten Verkehrskreise, dh insbesondere die Industrie, besteht, ein einheitliches Patentgerichtssystem für einen Teil der EU zu schaffen (Spanien hat seit jeher grundlegende Vorbehalte geäußert; Polen und die Tschechische Republik hatten zuletzt kundgetan jedenfalls bis auf Weiteres nicht an dem Gerichtsystem teilnehmen zu wollen).

In Anbetracht der verkündeten Nicht-Teilnahme des Vereinigten Königreichs wird eine Änderung des EPGÜ erforderlich, da Art 7 Abs 2 EGPÜ derzeit einen Sitz der zentralen Kammer des EPG in London vorsieht. Es erscheint höchst unwahrscheinlich, dass vor der sohin mit aller Voraussicht nach erforderlichen Änderung des EPGÜ der deutsche Bundestag über das EPGÜ-ZustG nochmals abstimmt. Ob bzw. wann das EPGÜ in Kraft tritt, ist daher höchst ungewiss.

Rainer Beetz

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