In die Serie an Urteilen des EuGH zu den für das Internet so relevanten technischen Phänomenen wie Hyperlinking oder Framing reiht sich eine weitere Entscheidung – diesmal wieder zum Framing (EuGH C-392/19).
EuGH C-392/19, 9.3.2021
Vorbemerkung
In die Serie an Entscheidungen des EuGH zu den für das Internet so relevanten technischen Phänomenen wie Hyperlinking oder Framing (vgl ua EuGH 13.02.2014, C-466/12 (Svensson); EuGH 21.10.2014, C-348/13 (BestWater International) und EuGH 08.09.2016, C-160/15 (GS Media)) reiht sich jetzt noch eine weitere Entscheidung – diesmal wieder zum Framing. Der EuGH hat am 9. März 2021 (Rs C‑392/19, VG Bild-Kunst gegen Stiftung Preußischer Kulturbesitz) klärende Worte in einer immer wieder zwischen Internetnutzern, Websitebetreibern und Rechteinhabern kontrovers diskutierten Urheberrechtsfrage gesprochen: Das Bereitstellen von anklickbaren Links zu Werken, die auf der Ursprungsseite nicht frei zugänglich sind, ist unzulässig. Diese Entscheidung vermag zwar auf den ersten Blick im Widerspruch zur BestWater-Entscheidung des EuGH zu stehen, und eine Abkehr von der bisher eher nutzerfreundlichen Judikatur zu sein, doch liegt darin bei genauer Betrachtung nur eine Klarstellung zugunsten der Urheber.
Der Rechtsstreit
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) ist eine deutsche Stiftung zur Erhaltung des kulturellen Erbes, die mit der VG Bild-Kunst, einer Gesellschaft zur kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten an Werken der bildenden Künste in Deutschland, einen Lizenzvertrag über die Nutzung ihres Repertoires von Werken als Vorschaubilder im Portal der Deutschen Digitalen Bibliotheken (DDB) abschließen wollte. Die SPK lehnte es jedoch ab, eine Bestimmung in den Vertrag aufzunehmen, wonach sie bei der Nutzung der vertragsgegenständlichen Werke wirksame technische Maßnahmen gegen Framing dieser Werke durch Dritte anwenden müsste, weshalb die Nutzung der Werke durch die VG Bild-Kunst nicht erlaubt wurde. Die SPK erhob gegen diese Weigerung der VG Bild-Kunst, mit ihr einen Vertrag abzuschließen, Klage, da die VG Bild-Kunst nach ihrer Auffassung verpflichtet sei, der SPK diese Lizenz ohne die Bedingung der Implementierung solcher technischen Maßnahmen zu erteilen.
Das Landgericht Berlin wies die Klage der SPK ab. Dieses Urteil hob das Kammergericht Berlin auf Berufung der SPK auf, weil es davon ausging, dass Framing keine öffentliche Wiedergabe des digitalisierten Werks gemäß § 15 Abs 2 und 3 deutsches Urhebergesetz sei und damit nicht als urheberrechtlich relevante Verwertungshandlung beurteilt werden könne. Die Seiten der DDB blieben auch bei Anwendung solcher Schutzmaßnahmen frei und umfassend erreichbar, da diese Maßnahmen nur verhinderten, dass die Werke auf Drittseiten durch Framing genutzt würden, weshalb die Werke durch Framing nicht unter Verwendung eines bislang nicht verwendeten technischen Verfahrens oder für ein neues Publikum wiedergegeben würden. Die von der Verwertungsgesellschaft auferlegte Verpflichtung sei daher keine Lizenzierung zu angemessenen Bedingungen (vgl Kammergericht Berlin vom 18. Juni 2018, Az. 24 U 146/17). Gegen dieses Urteil ging die VG Bild-Kunst mit Revision an den BGH vor. Der BGH judizierte, dass dann, wenn Vorschaubilder unter Umgehung der vom Rechtsinhaber getroffenen oder veranlassten technischen Schutzmaßnahmen im Wege des Framing in die Internetseite eines Dritten eingebettet werden, dies eine Wiedergabe an ein neues Publikum im Sonne des Art 3 Abs 1 InfoSoc-RL darstellen würde. In diesem Fall wären jedoch die Rechte der Mitglieder der VG Bild-Kunst betroffen und könnte diese zu Recht die Erteilung einer Lizenz an die SPK davon abhängig machen, dass sich diese im Lizenzvertrag zur Durchführung solcher Schutzmaßnahmen verpflichte. Der BGH hatte jedoch Zweifel daran, ob die Frage zur Einbettung im Lichte der bisherigen Judikatur des EuGH (ua BestWater International) tatsächlich so zu lösen sei, weshalb er sich an den EuGH mit einer Vorlagefrage dazu wendete.
Seine Frage zielte darauf ab, ob eine öffentliche Wiedergabe im Sinne der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (InfoSoc-RL) vorliegen würde, wenn Framing erfolge, obwohl der Urheber beschränkende Maßnahmen dagegen getroffen oder veranlasst habe.
Schlussanträge des Generalanwalts und die Entscheidung des EuGH
Voranzustellen ist, dass Generalanwalt Szpunar in seinen Schlussanträgen vom 10. September 2020 zur Empfehlung gekommen wäre, dass die Einbettung eines anklickbaren, nicht automatisch angezeigten Inhalts in keinem Fall einer expliziten Zustimmung der Urheber bedürfen würde, und die Umgehung von Schutzmaßnahmen gegen Framing auf der Ursprungsseite nicht die Qualifikation als öffentliche Wiedergabe zur Folge hätte. Er begründete dies unter anderem damit, dass es Situationen geben würde, die es nicht zulassen würden, im Einsatz technischer Schutzmaßnahmen oder im Verzicht auf sie irgendeinen Willen des Inhabers der Urheberrechte in Bezug auf den Zugang zu seinem Werk mittels Hyperlinks unter Verwendung von Framing zu erkennen (vgl Schlussanträge, Rz 126). Als Beispiel nannte er Werke, die auf verschiedenen Plattformen für Content Sharing ins Internet gestellt werden würden, wobei sich die von diesen Plattformen verfolgte Politik zum Schutz von Inhalten und ihr Einsatz technischer Maßnahmen zu diesem Schutz der Kontrolle der Rechteinhaber entziehen würde. Er führte für seine Ansicht weiter ein technisches Argument ins Treffen, und zwar, dass solcherart Maßnahmen nicht den Zugang zum Werk beschränken würden und nicht einmal einen der Zugangswege, sondern nur eine Art und Weise seiner Anzeige auf dem Bildschirm. Solche Maßnahmen würden daher weder den Willen des Rechtsinhabers, noch den Kreis der Personen, an die bei der Zugänglichmachung des Werks als potenzielles Publikum gedacht worden ist, wiederspiegeln (vgl Schlussanträge, Rz 129). Der EuGH ist dieser Rechtsmeinung des Generalanwalts nicht gefolgt.
Der EuGH fasst in seiner Entscheidung zunächst die Tatbestandsmerkmale für den Begriff der „öffentlichen Wiedergabe“ im Sinne von Art 3 Abs 1 der InfoSoc-RL zusammen. Der Gerichtshof betont, dass dieser Begriff eine individuelle Beurteilung erfordert (so schon EuGH 14. Juni 2017, Stichting Brein, C‑610/15 mwN). Diese individuelle Beurteilung würde die Berücksichtigung einer Reihe von Kriterien verlangen, welche im jeweiligen Einzelfall in sehr unterschiedlichem Maß vorliegen können, und daher einzeln und in ihrem Zusammenwirken mit den anderen Kriterien anzuwenden wären.
So stellt der EuGH zur Beurteilung der öffentlichen Wiedergabe fest, dass das Ausgangsverfahren gerade eine Situation betreffen würde, in der der Urheberrechtsinhaber die Erteilung einer Lizenz von der Durchführung beschränkender Maßnahmen gegen Framing abhängig machen möchte, um den Zugang zu seinen Werken von anderen Websites als denen seiner Lizenznehmer zu beschränken. Unter diesen Umständen könne aber nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Rechtsinhaber sich damit einverstanden erklärt hat, dass Dritte seine Werke öffentlich wiedergeben dürfen (vgl Rz 41).
Der EuGH konstatiert, dass weder aus der Entscheidung Svensson noch aus der Entscheidung BestWater International abgeleitet werden könnte, dass das Setzen von Hyperlinks auf eine Website zu geschützten Werken, die auf einer anderen Website frei zugänglich gemacht wurden, aber ohne dass hierfür die Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers vorlag, grundsätzlich nicht unter den Begriff „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art 3 Abs 1 der InfoSoc-RL fallen würde. Vielmehr sieht der EuGH in diesen Entscheidungen die Bestätigung darin, dass jede Handlung der öffentlichen Wiedergabe eines Werks von dem Urheberrechtsinhaber erlaubt werden müsse (vgl Rz 44, mit Verweis auf EuGH Urteil vom 8. September 2016, GS Media, Rs C‑160/15, Rn. 43). Der EuGH geht davon aus, dass ein Ansatz, wonach vermutet wird, dass ein Urheberrechtsinhaber, selbst wenn er beschränkende Maßnahmen gegen Framing seiner Werke eingeführt hat, jeder Handlung der öffentlichen Wiedergabe dieser Werke durch einen Dritten zugunsten sämtlicher Internetnutzer zugestimmt hat, gegen das ausschließliche, sich nicht erschöpfende Recht dieses Rechtsinhabers, nach Art 3 Abs 1 und 3 der InfoSoc-RL die öffentliche Wiedergabe seiner Werke zu erlauben oder zu verbieten, verstieße.
So würde nämlich nach Meinung des EuGH eine Regel über die Erschöpfung des Rechts der Wiedergabe aufgestellt, wenn gelten würde, dass ein Werk dann keinem neuen Publikum zugänglich gemacht wird, wenn ein fremdes Werk im Wege der Framing-Technik in eine Website eingebettet wird, obwohl auf der Ursprungsseite der Urheber Maßnahmen zum Schutz gegen dieses Framing getroffen hat. Eine solche Regel widerspräche weiter aber nicht nur dem Wortlaut von Art 3 Abs 3 der InfoSoc-RL, sondern nähme diesem Urheberrechtsinhaber zudem die in der Richtlinie unter ErwGr 10 genannte Möglichkeit, eine angemessene Vergütung für die Nutzung seines Werkes zu verlangen, und liefe dem geforderten angemessenen Ausgleich (ErwGr 3 und 31 der InfoSoc-RL) zuwider, den es zwischen den Interessen der Inhaber von Urheberrechten und dem Schutz der Interessen und Grundrechte der Nutzer von Schutzgegenständen zu finden gälte.
Aus diesen Gründen legte der EuGH Art 3 Abs 1 der InfoSoc-RL dahin aus, dass die Einbettung in die Website eines Dritten im Wege der Framing-Technik von urheberrechtlich geschützten und der Öffentlichkeit mit Erlaubnis des Inhabers des Urheberrechts auf einer anderen Website frei zugänglich gemachten Werken eine öffentliche Wiedergabe im Sinne dieser Bestimmung darstellt, wenn sie unter Umgehung von Schutzmaßnahmen gegen Framing erfolgt, die der Rechtsinhaber getroffen oder veranlasst hat.
Resümee und Ausblick
Die Ära der so oft angewendeten Maxime, dass, wer einmal etwas online veröffentlicht hat, auch damit einverstanden ist, dass dieses Werk auf einer anderen Seite geframt weiterverwendet wird, scheint endgültig beendet zu sein. Die Entscheidung des EuGH mag jedoch nur auf den ersten Blick die bisherigen Möglichkeiten der Internetnutzer und Websitebetreiber, fremden Content für ihre Zwecke einzubetten, beschränken, und die Interessen der Urheber im digitalen Kontext stärker schützen. So hat der EuGH nämlich schon in der Rechtssache BestWater International klar zum Ausdruck gebracht, dass Framing nur dann keine öffentliche Wiedergabe darstellt, wenn die Verwendung dieser Technik nicht dazu führt, dass das betreffende Werk für ein neues Publikum wiedergegeben wird. Denn sofern und soweit dieses Werk auf der Website, auf die der Internetlink verweist, frei zugänglich sei, sei davon auszugehen, dass die Inhaber des Urheberrechts, als sie diese Wiedergabe erlaubt haben, an alle Internetnutzer als Publikum gedacht haben (vgl EuGH, Bestwater International, Rz 18). Damit war aber schon vorweggenommen, dass sich die rechtliche Beurteilung anders gestalten könnte, wenn ein neues Publikum erschlossen werde, was bei der Umgehung bestehender Schutzmaßnahmen indiziert ist. Der EuGH hat sich insoweit in dieser Rechtssache nunmehr nur klar dazu positioniert, dass die Werknutzung durch Framing bei einem bereits online verbreiteten Werk nicht in jedem Fall erlaubnisfrei möglich sein soll, sondern der Urheber selbst durch technische Maßnahmen bestimmen kann, wer die relevante Öffentlichkeit im Internet ist.
Die praktische Relevanz dieser EuGH-Entscheidung ist trotz allem enorm; so müssen einerseits Internetnutzer, wenn es um die Einbettung fremder Inhalte auf ihren Websites geht, das Vorhandensein technischer Schutzmaßnahme auf der Ursprungsseite prüfen und gegebenenfalls die Erlaubnis zur Zugänglichmachung auf ihrer Seite einholen, und andererseits die Urheber (oder Nutzer) solche Maßnahmen gegen Framing auf der Ursprungsseite überhaupt erst implementieren. Der zuletzt genannte Punkt erscheint auch deshalb besonders brisant zu sein, weil – wie auch der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen völlig zurecht ausgeführt hat – Schutzmaßnahmen gegen Framing nicht Maßnahmen gegen den Zugriff auf ein Werk sind (wie das bei Hyperlinks üblich ist), sondern serverseitig gesetzt werden müssen. Nicht übersehen werden darf somit bei den Konsequenzen aus dieser Entscheidung nicht, dass zwar die Urheber wirksame technische Maßnahmen treffen oder veranlassen müssen, diese jedoch in vielen Fällen nicht einmal selbst determinieren können. Fest steht, dass ein vertragliches Nutzungsverbot nicht genügen würde. Es bleibt daher weiterhin für die Konstellation des Framings von fremden Inhalten die Frage, welche Maßnahmen als ein solch wirksamer Schutz vor Umgehung der Nutzungsbeschränkung qualifiziert werden würden.
Sonja Dürager, Partner bei bpv Hügel Rechtsanwälte GmbH
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