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Vertragsklauseln in Autohändlerverträgen als Missbrauch einer Marktbeherrschung des Importeurs29.04.2021

Wie kann sich ein Autohändler gegen (zu) strenge Vorgaben des Herstellers/Importeurs wehren? Ein Ansatz liegt im Kartellrecht, in dem der OGH jüngst (überwiegend) zu Gunsten eines Autohändlers entschieden hat (KOG 17.2.2021, 16 Ok 4/20d)

Wie kann sich ein Autohändler gegen (zu) strenge Vorgaben des Herstellers/Importeurs wehren?

Sachverhalt und Klagsbegehren

Ein Ansatz hierzu liegt im Kartellrecht, in dem der Oberste Gerichtshof als Kartellobergericht („KOG“) jüngst (überwiegend) zu Gunsten eines Autohändlers entschieden hat. Kurz und überspitzt zusammengefasst könnte man festhalten, dass, sobald der Händler auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung angewiesen ist und damit eine Marktbeherrschung des Herstellers iSd § 4 KartG feststeht, für den Hersteller ein nicht geringes Risiko besteht, mit Vertragsklauseln einen Marktmachtmissbrauch iSd § 5 KartG (und Art 102 AEUV) zu begehen.

Hintergrund des Verfahrens sind Vertragsstreitigkeiten aus einem nicht exklusiven Neuwagen- und Werkstattvertrag zwischen Büchl GmbH (Büchl, Antragstellerin), einem Kfz Händler- und Werkstättenbetrieb mit drei Standorten in Oberösterreich und Peugeot Austria Gesellschaft m.b.H. (Peugeot, Antragsgegnerin, Rekurswerberin), der österreichischen Generalimporteurin der Marke Peugeot, die über eine Tochtergesellschaft auch selbst im Vertrieb von Peugeot-Kfz in Österreich tätig ist.

Die Klage von Büchl stützte sich auf den kartellrechtlichen Vorwurf, dass Peugeot ihr gegenüber marktbeherrschend iSd Art 102 AEUV bzw § 4 KartG ist. Büchl, so das Klagsbegehren, würde durch eine Vielzahl von Vertragsklauseln wirtschaftlich ausgebeutet bzw umgekehrt Peugeot durch diese Vertragsklauseln seine Marktmacht iSd Art 102 AEUV bzw § 5 KartG missbrauchen.

Angefochten wurden ua das Vergütungssystem, die Einbindung bei Aktionen und die Übertragung von Kosten:

So sah etwa das Vergütungssystem des Vertrags für Neuwagen eine Fixmarge und eine variable Marge vor. Voraussetzung der variablen Marge war, dass zumindest 80% der Kunden den Händler weiterempfehlen. Nur wenn dieses Zufriedenheitsniveau erreicht wurde, gab es eine zum einen eine Leistungsprämie, die sich an monatlichen und jährlichen Verkaufszielen orientiert hat, die nach Ansicht von Büchl zu ungenau und hoch waren und in Folge zu einer Spannenreduktion durch bewusst überhöhte Verkaufsziele führte. Zum anderen wurde als Teil der variablen Marge eine Qualitätsprämie ausbezahlt (wiederum abhängig von der Zufriedenheit der Kunden und dem Ergebnis eines Mystery Shoppings).

Peugeot lancierte auch 6-mal / Jahr Aktionen, im Zuge dessen es einen Herbst-, Frühlings- und Messebonus gab, von dem der Händler 33 % und die Antragsgegnerin 66 % zu tragen hatte. Händlern, die an den Aktionen nicht teilnahmen, waren (laut Feststellungen des Gerichts „mit hoher Wahrscheinlichkeit“) nicht in der Lage, die Monatsziele bzw das Jahresziel zu erreichen. 2018 und 2019 nahmen daher sämtliche Peugeot-Händler Österreichs an den von der Antragsgegnerin initiierten Aktionen teil. „Eine selbständige Preisgestaltung ist für die Antragstellerin im Zuge der Aktionen aus diesem Grund nicht möglich“, so das KOG, dennoch wurden die Aktionspreise von der Peugeot als „kommunizierte Richtpreise“ bezeichnet.

Im Werkstättenbetrieb räumt Peugeot beim Kauf eines Neuwagens eine zweijährige Neuwagengarantie ein. Für den Ersatz der Kosten der Garantiearbeiten entwickelte Peugeot ein aufwendiges Refundierungssystem, das auf Richtwerten und Richtzeiten, den Kosten der Reparatur und einem Coaching-Verfahren (das Garantiearbeiten effizienter machen soll) beruhte. Die von Peugeot bezahlte Vergütung für Garantiearbeiten war nach Feststellungen des Kartellgerichts (als Gericht Erster Instanz) für die Werkstätten nicht kostendeckend.

Peugeot schrieb ihren Vertragswerkstätten auch die Verwendung eines Diagnosegeräts vor, das bei Peugeot kostenpflichtig bezogen werden musste. Daneben hatten die Vertragshändler ua auch die Kosten für Schulungspauschalen, Mystery Shopping, mit dem die Antragsgegnerin die Einhaltung der im Händler- und Werkstattvertrag enthaltenen Qualitätsvorgaben kontrollierte und Corporate Identity Maßnahmen (wie zB  die Innen- und Außenausstattung der Geschäftsräumlichkeiten) zu tragen.

Büchl begehrte die Abstellung des Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung von Büchl, insbesondere die Abstellung (i) der Überbindung unangemessener Kosten, (ii) der einseitigen Beschränkung der Preissetzungsfreiheit und (iii) missbräuchlich niedrige Abgabepreise durch Peugeot eigene Händlerbetriebe, die von der Antragstellerin wirtschaftlich nicht nachgebildet werden konnten.

Rechtliche Beurteilung

Das Kartellobergericht entschied im Februar 2021 über den Rekurs, wobei die wesentlichen Punkte der Entscheidung des Kartellgerichts bestätigt wurden.

In Bezug auf den festgestellten (und hier entscheidungsrelevanten) Maßstab ist interessant, dass das Kartellobergericht seiner rechtlichen Beurteilung die Tatsachenentscheidungen des Kartellgerichts als Erstgerichts zu Grunde gelegt hat. Obwohl gem § 49 Abs 3 KartG der Rekurs nunmehr auch darauf gründen kann, dass sich aus den Akten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der der Entscheidung des Kartellgerichts zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen ergeben, hat Peugeot als Rekurswerberin, so das KOG, lediglich eine „klassische“ Beweisrüge vorgebracht, indem „im Rekurs großteils auf andere Beweismittel verwiesen wurde, die ihrer Ansicht nach zu den gewünschten Tatsachenfeststellungen hätten führen können“. Dies ist für erhebliche Bedenken unzureichend. 

Relevanter Markt, so das KOG, ist ein einheitlicher Neuwagen- und Werkstättenbereich für Peugeot-Fahrzeuge, auf dem Peugeot nach § 4 Abs 3 KartG gegenüber Büchl marktbeherrschend ist, da Büchl im Neuwagenvertrieb 60 % und im Werkstattbetrieb ca 50 % des Umsatzes mit der Marke Peugeot erzielt (und eine Marktbeherrschung daher auch dann anzunehmen wäre, wenn der Markt für Neuwagen und Werkstätten getrennt wäre). Peugeot hat damit Büchl gegenüber eine überragende Marktstellung, die insbesondere dann vorliegt, wenn die Abnehmer zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung angewiesen sind. Wesentlich hierfür ist das Bestehen von Ausweichmöglichkeiten zu wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen.

Auf diesem Markt missbraucht Peugeot laut KOG ihre marktbeherrschende Stellung gegenüber Büchl, da wesentliche Regelungen und Konditionen des Händler- und Werkstättenvertrags offensichtlich unbillig sind bzw zu den Kosten der Leistungserbringung in einem offensichtlichen Missverhältnis stehen. Peugeot wurde mit dem rechtskräftigen Teil der Entscheidung verpflichtet, innerhalb von drei Monaten den entsprechenden Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung abzustellen.

Die Abstellungsaufträge gelten für die jeweiligen Vertragsklauseln aller Vertragshändler mit Peugeot. So beruhen, so das KOG, die konkreten Verträge auf „Vertragsschablonen“ und „kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass diese Vertragsschablone auch die Grundlage der Verträge mit anderen P*****-Händlern ist und daher auch dort – soweit nicht ohnehin Exklusivität besteht – ähnliche Abhängigkeitsverhältnisse bestehen, wie bei der Antragstellerin.“

Konkret betrifft dies zB die Koppelung von Prämienzahlungen mit Kundenzufriedenheitsumfragen, wie sie von Peugeot vorgeschrieben wurden. Nicht nur ist die Erreichung eines Weiterempfehlungsniveaus von 80 % Voraussetzung für die gesamte variable Marge der Prämie des Vergütungssystems (also rund 40 % der erreichbaren Gesamtprämie), die Methode ist an sich ungeeignet (Peugeot hatte hier erfolglos argumentiert, dass etwa 2018 nur ein einziger Händler 2018 die relevante Schwelle von 80 % Weiterempfehlungen nicht erreicht hat).

Auch die Koppelung der Erreichung der Jahres- und Monatsziele mit dem Erhalt der Leistungsprämie und dessen komplexen Berechnungssystems ist missbräuchlich. Das Jahres- und Monatsziel war im durch bewusst überhöhte Verkaufsziele zu hoch angesetzt. Das KOG stützt sich hier auf die Feststellungen des Erstgerichts, wonach etliche Händler das vertraglich vorgesehene Schieds- bzw Sachverständigenverfahren in Anspruch nahmen und so auch für Büchl das festgelegte Jahresziel für 2018 von 259 Fahrzeugen auf 220 Fahrzeuge reduziert wurde, wobei Büchl dann tatsächlich 178 Fahrzeuge verkaufte. Dennoch legte Peugeot den Zielwert von Büchl für 2019 so fest, dass der Ist-Verkauf von 2018 um 25 % erhöht wurde.

Schließlich hat Peugeot, so das KOG, auch einen Marktmachtmissbrauch in Form eines so genannten Margin-Squeeze verwirklicht, in dem die eigene Tochtergesellschaft Fahrzeuge so billig bzw sogar mit Verlust zu Preisen verkauft hat, die Büchl im Verkauf nicht nachbilden konnte. Es bestand also ein Missverhältnis zwischen den Abnehmerpreisen von Büchl für die Autos als Vorleistungsprodukte und den Endkundenentgelten von Peugeot für Endkundenprodukte. Das KOG hat hier konkret als Beweis die Verluste der Vertriebstochter der Importeurin herangezogen: So hatte sich Peugeot gegenüber eigenen Händlern  verpflichtet, Jahresverluste (seit 2012 bis zu 2,6 Mio EUR / Jahr) zu 81% zu tragen, die ua dadurch begründet waren, dass die Peugeot eigenen Händler solch niedrigen Abgabepreise am Endkundenmarkt  verlangt haben, die von Büchl und anderen freien Händlern nicht nachgebildet werden konnten.

Auch die vertraglich vorgesehene Kostentragung im Hinblick auf Garantiearbeiten (im überwiegenden Interessen von Peugeot) und Mystery Shopping (im alleinigen Interesse von Peugeot), wurden als missbräuchlich angesehen, während ua das Mehrbegehren zur Abstellung von missbräuchlichem Verhalten im Hinblick ua auf die übertragenen Kosten für Test- und Diagnosegeräte sowie  Corprorate Identity abgewiesen wurde.

Ob die Verpflichtung zur Teilnahme an Aktionen der Rekurswerberin missbräuchlich ist, wird hingegen vom Erstgericht noch einmal zu prüfen sein. Das KOG hat in diesem Punkt das Verfahren an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen. Das Kartellgericht hat dann zu klären, in welchem Umfang die Preisfestsetzungsautonomie der Antragstellerin durch die Aktionen eingeschränkt wird, ob nicht der quantitative Mehrverkauf die aufgezwungene Preisminderung (auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Rekurswerberin 66 % des Aktionsbonus finanziert) aufwiegt, wie groß der Margenverlust bzw die Einschränkung der Preissetzungsfreiheit überhaupt ist und ob nicht (kartellrechtskonforme) Aktionen generell erforderlich sind, um im Interbrand-Wettbewerb bestehen zu können.

RA Mag Gerhard Fussenegger

bpv Hügel Rechtsanwälte GmbH, Wien / Brüssel

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