Ist eine Unionsmarke, die auf das lange zurückliegende Gründungsdatum des Unternehmens verweist, aufgrund dieser Traditionsangabe geeignet, Fehlvorstellungen des Publikums über die Qualitätsmerkmale der damit gekennzeichneten Produkte hervorzurufen, so wird die Irreführung laut OGH allein durch die Benutzung der Marke als solche herbeigeführt und liegt ein Verfallsgrund gemäß Art 58 Abs 1 lit c UMV vor.
Nach Art 58 Abs 1 lit c UMV wird eine Unionsmarke auf Antrag beim Amt oder auf Widerklage im Verletzungsverfahren für verfallen erklärt, wenn die Marke infolge ihrer Benutzung durch den Inhaber oder mit seiner Zustimmung für Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, geeignet ist, das Publikum insbesondere über die Art, die Beschaffenheit oder die geografische Herkunft dieser Waren oder Dienstleistungen irrezuführen.
Die Klägerin begehrte, die Unionsmarke „Pauscha Austria – since 1875“ (Wort-Bild-Marke) der Beklagten für verfallen zu erklären, die auf ihrer Website unter anderem ausgeführt hatte: „Unser traditioneller Handwerksbetrieb, Pauscha Austria, stellt seit 1875 Barriques und Fässer für die Verfeinerung von Weinen und Destillaten her. Das Unternehmen Pauscha Austria – since 1875 führt die langjährige Tradition der Fassbinderei fort“. Nach Ansicht der Klägerin, deren Gesellschafter-Geschäftsführer ein Nachkomme des historischen Firmengründers ist, nehme damit die Beklagte zu Unrecht auf die Unternehmenstradition der Familie Pauscha seit 1875 Bezug. Mit dem Ausscheiden des Gesellschafter-Geschäftsführers der Klägerin aus dem Unternehmen der Beklagten im Jahr 2011 sei die Familientradition Pauscha erloschen, weshalb die Verwendung der Unionsmarke durch dieses Unternehmen irreführend sei.
Die Beklagte entgegnete, Rechtsnachfolgerin der ehemaligen Fassbinderei GmbH zu sein, in die der ursprüngliche Familienbetrieb Pauscha im Jahr 1998 eingebracht worden sei. Die Unionsmarke sei daher (im Jahr 2014) zu Recht angemeldet und eingetragen worden.Weiters führte die Beklagte aus, dass die Vorstellungen, die das Publikum aus der Verwendung der Unionsmarke gewinne, nur das Unternehmen der Familie Pauscha betreffen würden. Da Marken frei übertragbar seien, setze Markenkontinuität nicht auch Unternehmenskontinuität voraus. Der Verfallsgrund des Art 58 Abs 1 lit c UMV sei daher nicht verwirklicht, wenn sich die Irreführungseignung nur auf das Unternehmen des Markeninhabers beziehe.
Wie im Verfahren festgestellt wurde, stellt die Beklagte ihre Holzfässer nach der Tradition einer (anderen) italienischen Familie her. Ihre Holzfässer unterscheiden sich in der Herstellungsart, ihrem Aussehen und in der Daubenstärke von den Pauscha-Holzfässern; die Fässer der Beklagten sind dicker. Wie das Gericht dazu anmerkte, sind die Art und Tradition der Produktion von Weinfässern für die Käufer der Fässer, insbesondere auch für die Winzer, von großer Relevanz, weil sich die Bauweise auf den Geschmack des darin eingelagerten Weins auswirkt.
Dem Begehren der Klägerin, die Unionsmarke für verfallen zu erklären, wurde bereits von den ersten beiden Instanzen stattgegeben. Der OGH erklärte in seiner Entscheidung vom 15.3.2021, 4 Ob 221/20h – Pauscha Austria die Revision der Beklagten – entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts – zwar für zulässig, weil zum Verfall einer Unionsmarke nach Art 58 Abs 1 lit c UMV noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege, er erachtete sie jedoch nicht für berechtigt.
Nach Art 58 Abs 1 lit c UMV müsse sich, so der OGH, die Irreführungseignung (insbesondere) auf die Art, die Beschaffenheit oder die geografische Herkunft der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen beziehen. Das weitere Tatbestandsmerkmal „infolge ihrer Benutzung“ stelle klar, dass die Irreführungseignung allein auf die Benutzung der Unionsmarke zurückzuführen sein darf. Für den Verfall komme es somit darauf an, dass die Unionsmarke allein durch ihre Benutzung zu einer relevanten Irreführung des Publikums führen kann. Fehlvorstellungen des Publikums über die Unternehmenskontinuität oder unternehmensbezogene Täuschungen könnten für sich allein grundsätzlich (außer bei Arglist, vgl EuGH C-259/04, Elizabeth Emanuel, Rn 50) nicht zum Verfall einer Marke führen. Anderes gelte aber dann, wenn das Publikum mit dem hinter der Marke vermuteten Unternehmen eine besondere Qualität und Güte verbindet, die die Ware oder Dienstleistung tatsächlich nicht mehr aufweist. Die in dieser Hinsicht geäußerten gegenteiligen Literaturmeinungen seien abzulehnen.
Im Anlassfall sei eine Unionsmarke mit einer Traditionsangabe („since 1875“) zu beurteilen. Führe eine Traditionsangabe nachträglich zu Fehlvorstellungen des Publikums über Qualitätsmerkmale des gekennzeichneten Produkts, so werde nach den dargelegten Grundsätzen auch diese Irreführungseignung allein durch die Benutzung der Marke als solche herbeigeführt. Die Ansicht, wonach es bei Art 58 Abs 1 lit c UMV nur auf einen eingetretenen Bedeutungswandel der Marke selbst ankomme und eine Irreführungseignung aufgrund anderer Umstände (wie zum Beispiel einer Markenübertragung) nicht darunter zu subsumieren sei, erweise sich damit als zu eng.
Die hier zu beurteilende Unionsmarke verbinde den Familiennamen „Pauscha“ mit der Traditionsangabe „since 1875“ und nehme damit auf die rund 150-jährige Familientradition der Familie Pauscha bei der Herstellung der bezeichneten Holzfässer Bezug. Eine derart lange Tradition im Fassbau verbinde das Publikum, auch wenn es sich dabei um Winzer handelt, mit besonderen Vorstellungen zur Qualität und Güte der bezeichneten Produkte, die sich darauf gründen, dass bei der Produktion auf eine besonders große Erfahrung zurückgegriffen werden kann und sich der Produktionsprozess bzw die dafür maßgebenden Qualitätsmerkmale über viele Jahrzehnte bewährt haben. Die Traditionsangabe „since 1875“ in der zu beurteilenden Unionsmarke betreffe damit nicht nur die Unternehmenskontinuität, sondern vor allem die Herstellungs- bzw Handwerkstradition der Familie Pauscha bei der Herstellung der „Pauscha-Fässer“. Demgegenüber stelle die Beklagte keine Pauscha-Holzfässer her, sondern Fässer nach einer anderen Tradition und verwende dabei eine andere Herstellungsart und dickere Hölzer. Die Irreführungseignung durch die Benutzung der in Rede stehenden Unionsmarke betreffe somit die Art und Beschaffenheit der gekennzeichneten Produkte iSd Art 58 Abs 1 lit c UMV und sei daher dieser Verfallsgrund gegeben.
Der OGH fasst am Schluss der Begründung die maßgebenden Grundsätze seiner Entscheidung wie folgt zusammen: Für den Verfall einer Unionsmarke nach Art 58 Abs 1 lit c UMV ist entscheidend, ob eine Unionsmarke allein durch ihre Benutzung als solche zu einer Irreführung des Publikums insbesondere über die Art, die Beschaffenheit oder die geografische Herkunft der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen führen kann. Die Irreführungseignung muss sich auf die Merkmale und die Eigenschaften des gekennzeichneten Produkts beziehen. Dies gilt etwa auch für eine Traditionsangabe in der Unionsmarke, die nachträglich zu Fehlvorstellungen über Qualitätsmerkmale des gekennzeichneten Produkts führt. Auch in einem solchen Fall wird die Irreführungseignung allein durch die Benutzung der Marke als solche herbeigeführt.
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