Das letzte ÖBl-Seminar gewährte wieder einen kompakten und praxisorientierten Überblick über die aktuelle Rechtsentwicklung im Wettbewerbsrecht sowie gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht. Dieses alljährliche Highlight wird von der Österreichischen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (ÖV) gemeinsam mit der RECHTSAKADEMIE MANZ organisiert. Die Experten aus allen Bereichen gaben in ihren Vorträgen einen aktuellen und spannenden Einblick in die einzelnen Rechtsbereiche.
Eine Institution! Seit über 25 Jahren findet einmal im Jahr das große Branchentreffen der IP-Juristinnen und -Juristen unter dem Titel "ÖBl-Seminar" statt. Einen Tag lang referieren, diskutieren und informieren hier die Vortragenden aus den Kreisen der Gerichtsbarkeit, des Patentamts, der Wissenschaft, der zuständigen Ministerien sowie der Patentanwaltschaft und der Rechtsanwaltschaft über die jüngste Rechtsentwicklung.
Das diesjährige ÖBl-Seminar gewährte wieder einen kompakten, praxisorientierten Überblick über Themen im Wettbewerbsrecht, im gewerblichen Rechtsschutz und im Urheberrecht. Die Veranstaltung wurde wie jedes Jahr von der Österreichischen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (ÖV) gemeinsam mit der RECHTSAKADEMIE MANZ organisiert.
Alljährliches Highlight
Das heuer bereits zum 28. Mal durchgeführte ÖBl-Seminar wurde aufgrund der aktuellen Situation neuerlich im „Hybridmodus“ abgehalten. So konnte die Präsenz-Veranstaltung im Julius-Raab-Saal der WKO, Wiedner Hauptstraße 63, 1040 Wien, via Live Stream (mittels personalisiertem Zoom-Zugangslink) als zusätzliches Angebot auch von den zahlreichen externen Teilnehmern verfolgt werden, wobei für diese auch die Möglichkeit bestand, sich per Chat an den Diskussionen zu beteiligen bzw Fragen an die Vortragenden zu stellen.
Die Veranstaltung – zum letzten Mal von seinem Erfinder Rechtsanwalt Hon.-Prof. Dr. Guido Kucsko moderiert – war auch heuer wieder mit aktuellen Inhalten zum Lauterkeits-, Marken-, Muster-, Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht (Kartellrecht) sehr gut gefüllt. Einen Tag lang informierten und diskutierten Experten aus allen Bereichen (Wissenschaft, Wirtschaft, Gerichtsbarkeit, Ministerien, Patentanwaltschaft, Rechtsanwaltschaft) umfassend über die jüngsten Entwicklungen.
Die Veranstaltung
Nach der Begrüßung der Referenten und der wieder in großer Zahl persönlich anwesenden Teilnehmer durch den Präsidenten der ÖV, RA Dr. Michael Meyenburg, stand am Beginn des Seminars ein kurzes einleitendes Referat von Dr. Stefan Harasek, Vorstand der Stabstelle Strategie und Datenanalyse des Österreichischen Patentamts (ÖPA). Dieser informierte über die aktuellen Anmeldezahlen beim Österreichischen Patentamt und berichtete von den Vorbereitungen für das kommende EU-Einheitspatent („Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung“), wo in Österreich bereits die provisorische Phase (vorläufige Anwendbarkeit) eingeleitet wurde.
Das Patentrecht
Im Anschluss daran gingen Patentanwalt Dr. Rainer Beetz und Patentanwalt Dr. Daniel Alge, Präsident der Österreichischen Patentanwaltskammer, auf die neueste Entwicklung im Patentrecht ein. Einen Schwerpunkt dabei bildete die Schaffung des Einheitlichen Patentgerichts (Unified Patent Court, UPC). Dabei wurde auch erläutert, welche Schritte bereits jetzt von den Patentanmeldern unternommen werden könnten (zB Antrag auf Verschiebung der Entscheidung über die Erteilung). Weiters wurde berichtet, dass das Europäische Patentamt (EPA) umfassende Änderungen der Ausführungsordnung zum Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente vorbereitet, um die „digitale Transformation“ des Patenterteilungsprozesses zu unterstützen. Dies werde ab November 2022 zu vielen Neuerungen im Anmeldeverfahren führen. Betreffend das „Konvergenz“-Programm des EPA zur Verringerung von verfahrensrechtlichen Unterschieden wurde über die bereits abgeschlossenen Projekte „Zuordnung eines Prioritätstages“ und „Wiedereinsetzung“ informiert. Im Rahmen der Besprechung der jüngsten patentrechtlichen Judikatur des OLG Wien und des OGH wurden insbesondere Fälle von Patentverletzungen sowie Fragen des Rechtsbestandes erörtert. Weiters wurden Entscheidungen zur Weiterbehandlung von Patentanmeldungen, zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und zu kosten- und zustellrechtlichen Fragen präsentiert. Der anschließende Blick auf die europäischen Entscheidungs-Instanzen war insbesondere auf die bemerkenswerte Entscheidung der Großen Beschwerdekammer des EPA vom 22. Juni 2021 zur Doppelpatentierung (G 4/19) sowie auf das Urteil des EuGH zur Verjährung nach der SortenschutzVO (C-186/18) gerichtet. Ergänzend dazu berichteten die Referenten über Vorlagen zu FRAND-Bedingungen für Zulieferer, zur internationalen Zuständigkeit für eine Aberkennungsklage, zur Nichtigkeit eines SPC für Kombinationspräparate und zur Pauschalierung eines Mindestschadens bei einer Sortenschutz-Verletzung.
Das Lauterkeitsrecht
Im lauterkeitsrechtlichen Teil gab zunächst MMag. Erika Ummenberger-Zierler, Leiterin der Abteilung Wettbewerbspolitik und -recht des BMDW, einen Überblick über die aktuelle nationale und europäische Rechtsentwicklung. Ein wesentlicher Punkt dabei war die Umsetzung der Richtlinie über unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Verhandlungspartnern in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette (UTP-Richtlinie) im Rahmen des „Nahversorgungsgesetzes“, welches nun „Faire Wettbewerbsbedingungen-Gesetz“ (FWBG) heißt. Die Erstanlaufstelle hat ihre Tätigkeit unter dem Namen „Fairness-Büro“ am 1. März 2022 aufgenommen. Weiters berichtete die Vortragende, dass die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/2161 zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union (Omnibus-RL) derzeit in politischer Begutachtung sei. Insbesondere die Vorgaben für Verbraucher-Schadenersatzansprüche und die Änderung der Preisangaben-RL könnten sich in der Praxis als große Herausforderung erweisen. Weiters informierte MMag. Ummenberger-Zierler über die neuesten Entwicklungen zum „Digital Markets Act“ sowie über den Vorschlag der Kommission für eine Verordnung gegen drittstaatliche Subventionen. Zudem laufe aktuell eine Initiative der Kommission betreffend „Green Transition“.
Anschließend erläuterte Mag. Hannes Seidelberger, Generalsekretär der ÖV und Geschäftsführer des Schutzverbandes gegen unlauteren Wettbewerb, den Teilnehmern interessante Fälle aus der jüngsten lauterkeitsrechtlichen Judikatur des EuGH. In den dargebotenen Entscheidungen ging es um unzulässige Schleichwerbung durch „indirekte Bezahlung“ von redaktionellen Inhalten in Medien, um das Erfordernis von gesundheitsbezogenen Warnhinweisen auf Zigarettenpackungen im Automatenverkauf, um fehlende und daher als irreführend angesehene Informationen zu einem Versicherungsvertrag sowie um die Frage der Produkthaftung einer Tageszeitung für einen unrichtigen Gesundheitstipp. Eine besonders wichtige Entscheidung erging zum Fall einer „Inbox-Werbung“: Dort werden im E-Mail-Posteingang Werbenachrichten eingeblendet, die tatsächlichen E-Mails sehr ähnlich sind. Laut EuGH muss hier auch bei einem unentgeltlichen, durch Werbung finanzierten E-Mail-Postfach die Einwilligung der Empfänger vorliegen, ansonsten ein unlauteres „hartnäckiges und unerwünschten Ansprechen“ gegeben sei (EuGH 25.11.2021, C-102/20 – StWL/eprimo). Weiters informierte Mag. Seidelberger über die grundlegenden Entscheidungen des deutschen BGH zur „Influencer-Werbung“, wonach insbesondere bei finanziellen Zuwendungen oder „werblichem Überschuss“ ein Beitrag als Werbung gekennzeichnet sein muss.
Die aktuelle österreichische Rechtsprechung zum Lauterkeitsrecht wurde in diesem Jahr von Senatspräsident Univ.-Prof. Dr. Georg E. Kodek, Hofrat des OGH, präsentiert. In den zu Beginn des Referats erläuterten Entscheidungen stand die Auslegung und Anwendung des § 1 UWG im Focus. So wurde etwa die Werbung eines Rechtsanwalts mit einer „schlagkräftigen medialen Durchsetzung“ nicht als unzulässig angesehen und hinsichtlich „kopflastiger Vorspannangebote“ neuerlich bestätigt, dass die Ersparnis bei der Nebenware durchaus höher sein dürfe als der Preis der Hauptware. Weitere Fälle zur großen Generalklausel betrafen den behaupteten Verstoß gegen das TKG bzw die DSGVO durch Versendung eines Newsletters ohne vorherige Einwilligung der Empfänger und den Verkauf von Non-Food-Artikel durch einen großen Lebensmitteldiskonter während eines Corona-Lockdowns. Die zu § 2 UWG referierten Fälle betrafen die irreführende Ankündigung eines befristeten Angebots („nur heute“) und die Täuschungseignung einer blickfangartigen Werbung mit fremden Logos von karitativen Organisationen. Ebenso interessant und praxisrelevant waren die danach vorgetragenen Fälle zum Geschäftsgeheimnis (§§ 26a ff UWG), in denen es um Fragen der Beweislast, um die rechtmäßige Inhaberschaft eines Geschäftsgeheimnisses und das Erfordernis eines kommerziellen Wertes ging. Ein Blick auf die aktuelle Entscheidung des OGH über den Schadenersatzanspruch eines Verbrauchers nach dem UWG, die Schlüssigkeit eines Rechnungslegungsbegehrens und die fehlende Kongruenz zwischen Sicherungsantrag und Klagebegehren rundeten den Vortrag ab.
Das Markenrecht
Der markenrechtliche Teil begann mit einem Referat von Rechtsanwalt Dr. Christian Schumacher zur jüngsten Judikatur des EuGH. Ausführlich erörtert wurde dabei die erst jüngst ergangene Entscheidung im Nichtbenutzungsverfahren Maxxus Group betreffend die Darlegungslast für die rechtserhaltende Benutzung einer Marke, wo der EuGH aussprach, dass der Antragsteller nicht verpflichtet werden könne, Marktrecherchen durchzuführen und dazu substantiiertes Vorbringen zur rechtserhaltenden Benutzung durch den Markeninhaber zu erstatten. Dass der Schutz von geografischen Ursprungsbezeichnungen sehr weitreichend sein kann und Erzeugnisse auch vor „Anspielungen“ durch Dienstleistungen geschützt sein können, zeigte sich im Fall der Kennzeichnung einer Bar mit dem Namen „Champanillo“, wo der EuGH für die unbefugte Ausnutzung des Ansehens einer geografischen Ursprungsbezeichnung schon einen „hinreichend unmittelbaren und eindeutigen gedanklichen Zusammenhang“ genügen ließ. Die Schlussanträge in anhängigen Verfahren sowie neu eingeleitete Vorabentscheidungsverfahren, insbesondere zur Erschöpfung von Markenrechten, lassen interessante Entscheidungen erwarten.
Der nachfolgende Überblick über die markenrechtliche Judikatur des OLG Wien durch Senatspräsident Dr. Reinhard Hinger war in drei Kapitel gegliedert: Schützbarkeit der Marke, Verwechselbarkeit und Prozessuales/Sonstiges. Die grafische Darstellung der verfahrensgegenständlichen (Bild)Marken und die bisweilen von subtilem Humor begleitete Kommentierung einiger – mehr oder weniger kreativer – Wortmarken boten dem Publikum auch heuer wieder einen kurzweiligen Einblick in die aktuelle Entscheidungspraxis des Oberlandesgerichts. Nicht nur für Prof. Kucsko überraschend war schließlich die Präsentation einer fiktiven Entscheidung des OLG Wien aus dem Jahr 2025 über dessen Anmeldung eines ausschließlich schwarzfarbigen Bildes als (Bild)Marke für die Klasse 16 („Bilder“). Anders als das Patentamt hätte das Oberlandesgericht dem Antrag unter Berücksichtigung des den beteiligten Verkehrskreisen mit diesem Zeichen auferlegten Denkprozesses stattgegeben.
Im Anschluss daran gab Dr. Erich Schwarzenbacher, Hofrat des OGH, einen aktuellen Überblick über die jüngste OGH-Judikatur im Markenrecht. Die ebenfalls mit Abbildungen illustrierten Entscheidungen betrafen sowohl Eintragungsstreitigkeiten, wie etwa darüber, ob der Bildbestandteil einer Marke durch die Hinzufügung eines Wortbestandteils in den Hintergrund gedrängt werde, ob eine Farbmarke ohne einheitliche Anordnung der Farbkombination eintragungsfähig sei und ob die Benutzung einer Marke in abweichender Form durch einen Lizenznehmer rechtserhaltend sei, als auch Verletzungsstreitigkeiten, etwa über die Erschöpfung des Markenrechts bei Aufspaltung der Markenrechte oder die rechtsmissbräuchliche Durchsetzung von Markenrechten.
Mag. Christoph Bartos, Mitglied der Beschwerdekammer(n) des EUIPO, berichtete in seinem Referat mit dem Titel „Zwischen Alicante und Luxemburg – Was gibt es Neues?“ wieder ausführlich über aktuelle Entscheidungen des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum. Wie immer grafisch bestens aufbereitet, wurden hier Fälle von absoluten und/oder relativen Eintragungshindernissen ebenso behandelt wie relevante verfahrensrechtliche Fragen. Auch dieses Jahr steuerte Mag. Bartos für die Seminarunterlagen eine umfassende Aufstellung der wichtigsten Entscheidungen mit dem Titel „Boards of Appeal – Important Decisions“ bei.
Das Musterrecht
Hon.-Prof. Dr. Guido Kucsko eröffnete sein diesjähriges Musterrecht-Update mit einem Blick auf die Ergebnisse einer Konsultation der Europäischen Kommission über die Geschmacksmusterrichtlinie. Demnach sind Aufklärung, Klarheit und Transparenz die wichtigsten Anliegen der Rechtsanwender, wobei nahezu ausschließlich Unternehmen an der Befragung teilnahmen. Die beabsichtigte Reform des Geschmacksmusterrechts analog der Markenrechtsreform stehe in wesentlichem Zusammenhang mit dem Designschutz von Auto-Ersatzteilen. Am Beginn der Darstellung der aktuellen Rechtsprechung des EuG standen diesmal Entscheidungen zur „Eigenart“ eines Erzeugnisses. Die Prüfobjekte der Nichtigkeitsverfahren waren diesmal Leuchten, Schränke, Grillschalen sowie Käseerzeugnisse in Spiralform, welche vom EuG nach dem einschlägigen Prüfschema 1. Wirtschaftszweig der Erzeugnisse, 2. Informierter Benutzer, 3. Grad der Gestaltungsfreiheit und 4. Vergleich der Gesamteindrücke beurteilt wurden. Zur Vorbereitung solcher Verfahren wäre anzuraten, in den Patentregistern bzw -veröffentlichungen nachzusehen, ob sich dort möglicherweise schon einschlägige Abbildungen oder Werkzeichnungen befinden. Als weiterer „Dauerbrenner“ in diesen Auseinandersetzungen spielte die „Technische Funktion“ konkret in Fällen betreffend Wasserreiniger und Heizsocken die entscheidende Rolle. In diesem Zusammenhang sei auf die bekannte Entscheidung des EuGH vom 8.3.2018, C-395/16 – DOCERAM, zu verweisen. Wie sich bereits in mehreren Fällen gezeigt habe, genügten hier bloße Eidesstättige Erklärungen des Designers alleine nicht, sondern sollten zusätzlich Entwurfsfassungen bzw Zeichnungen der „technikfernen“ Kreation vorgelegt werden. Danach präsentiert Prof. Kucsko Fälle, in denen die „Fehlende Neuheit“ der Erzeugnisse releviert wurde, wie zB bei Haarklemmen und Schmuckanhängern. Besonders interessant war, dass in einem der Fälle ein mittels „Wayback- Maschine“ erlangter Screenshot als relevante Informationsquelle für eine Offenbarung im Sinne des Art 7 Abs 1 GMVVO anerkannt wurde. Die weiters präsentierten Entscheidungen betrafen die Frage des anzuwendenden Rechts für Folgeanträge sowie die Möglichkeit des Designschutzes für einzelne Teile bzw Bauelemente eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters.
Die doppelte Danksagung
Im Anschluss an seine – nach 28 Jahren letzte – ÖBl-Seminar-Präsentation bedankte sich Prof. Kucsko bei allen Mitwirkenden (insbesondere Frau Barbara Gatterbauer, ÖV, MANZ, WKÖ) und Teilnehmern für das Gelingen der Veranstaltungsreihe. Künftig werden Dr. Christian Schumacher und Mag. Hannes Seidelberger die Organisation, Leitung und Moderation des Seminars übernehmen. Mag. Seidelberger bedankte sich im Namen der ÖV, der MANZ Rechtsakademie und der Wirtschaftskammer Österreich bei Prof. Kucsko als dem Erfinder und „Vater“ des ÖBl-Seminars, das dieser durch seine Leidenschaft, seinen Humor und seinem Fachverstand geprägt und zu einem Fixpunkt im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht gemacht habe. Als kleines Abschiedsgeschenk nahm Prof. Kucsko eine „Glückskiste mit ein paar feinen Sachen“ entgegen – nicht ohne sich unmittelbar darauf wieder dem weiteren Fortgang der Veranstaltung nach Maßgabe des Zeitplanes zu widmen.
Das Urheberrecht
Der urheberrechtliche Teil des Seminars wurde von Mag. Christian Auinger, leitender Staatsanwalt im BMJ, eröffnet, der über die Urheberrechts-Novelle 2021 informierte. Die von ihm dargebotene Übersicht hatte insbesondere folgende Themen zum Inhalt: Urhebervertragsrecht, urheberrechtliche Verantwortlichkeit großer Online-Plattformen, freie Werknutzungen, Leistungsschutzrecht für Presseverleger, Beteiligung von Verlegern an gesetzlichen Vergütungen wie Speichermedienvergütung sowie die Verwertungsgesellschaftenpflicht für die Weiterverbreitung von Sendungen. Entsprechend der besonderen Bedeutung der Änderungen im Bereich des Urhebervertragsrechts ging Mag. Auinger speziell auf den Grundsatz der angemessenen und verhältnismäßigen Vergütung (37b UrhG), die Vertragsanpassungsmechanismus bei unerwartetem Erfolg (§ 37c UrhG) und die Auskunftsansprüche über die Verwertung von Werken (§ 37d UrhG) ein. In diesem Zusammenhang erläutert wurde etwa der Zweckübertragungsgrundsatz, die Rechte an unbekannten Verwertungsarten und das Recht zur anderweitigen Verwertung bei langer Vertragsdauer.
Im Anschluss daran präsentierten Assoz.-Prof. Dr. Manfred Büchele vom Institut für Unternehmens- und Steuerrecht der Universität Innsbruck und Dr. Christian Handig von der Abteilung Rechtspolitik der Wirtschaftskammer Österreich gemeinsam die neueste österreichische Judikatur und die europäische Rechtsprechung zum Urheberrecht. Die geschilderten Entscheidungen betrafen zB die Dekompilierung von Computerprogrammen, die Öffentliche Wiedergabe, das Zurverfügungstellungsrecht und die Herstellerbezeichnung beim Laufbildschutz. Nach den Sachverhaltsschilderungen und Erörterungen der zentralen rechtlichen Aspekte wurden die wesentlichen Aussagen einer Entscheidung jeweils in einer „Quintessenz“ zusammengefasst. In der Sache ging es konkret um Schadenersatzforderungen wegen der Rückübersetzung eines Maschinen- bzw Objektcodes in den Quellcode, um die Frage der „öffentliche Wiedergabe“ von Liedern einer bekannten Sängerin auf einer Internet-Videoplattform (ohne Zustimmung der Rechteinhaber) sowie um die Frage der „Zurverfügungstellung“ eines Fotos innerhalb einer begrenzt zugänglichen Facebook-Chat-Gruppe. Zudem wiesen die Vortragenden auf mehrere anhängige EuGH-Verfahren hin, deren Ergebnisse mit Spannung erwartet werden.
Die weitere Danksagung
Dr. Handig dankte im Anschluss daran Prof. Kucsko für dessen frühere Funktion als ÖBl-Chefredakteur, als (Mit)Begründer der Zeitschriften ecolex und ip-competence, als Autor und (Mit)Herausgeber von Kommentaren zum Urheberrecht und Markenrecht sowie zahlreichen weiteren, juristischen Publikationen. Prof. Kucsko habe die österreichische juristische Welt maßgeblich bereichert, wobei auch dessen Tätigkeiten als Rechtsanwalt, Vortragender, Künstler und „Zauberer“ zu erwähnen seien.
Das Wettbewerbsrecht
Im letzten Teil des Seminars, das dem Wettbewerbs- bzw Kartellrecht gewidmet war, berichtete Frau Dr. Anneliese Kodek, Hofrätin des OGH, über die wenigen, aber spannenden Entscheidungen des Kartellobergerichts (KOG = 16. Senat des OGH) im letzten Jahr. So war in einem Verfahren über einen Antrag auf Abstellung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung nach § 5 KartG darüber zu entscheiden, ob die ASFINAG einem deutschen Anbieter von sofort gültigen, digitalen Maut-Vignetten den notwendigen Zugang zu ihrem Webshop zu gewähren habe. Das KOG entschied hier im Sicherungsverfahren (das Hauptverfahren ist noch anhängig), dass der Antrag berechtigt sei, weil er auf den Zweck der Ermöglichung eines neuen Produkts, nämlich der Weiterveräußerung von „sofort“ gültigen digitalen Mautprodukten an Verbraucher, abziele. In einer weiteren Entscheidung zum Marktmachtmissbrauch bestätigte das KOG einen Teilbeschluss des OLG Wien (als Kartellgericht) über die Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens der Österreichischen Post im Zusammenhang mit der Beförderung persönlich adressierter Massendrucksachen durch Diskriminierung von Konsolidierern gegenüber anderen Großkunden bei der Gewährung von Rabatten. Der Blick auf einen aktuellen Beschluss des KOG zur Entscheidungsveröffentlichung nach § 37 KartG rundeten den Vortrag ab.
Gegenstand des darauffolgenden, das Seminar abschließenden Referats von Rechtsanwalt Hon.-Prof. MMag. Dr. Hanno Wollmann war die jüngste EuGH-Judikatur sowie der aktuelle nationale und europäische Normenbestand im Wettbewerbsrecht. Von den sieben Urteilen des EuGH zu Art 101 und Art 102 AEUV im Berichtszeitraum ergingen sechs im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens. Lediglich ein Urteil hatte eine Direktklage über ein Kartell (Autobatterien) zum Inhalt, wobei die geringe Zahl an Direktklagen im Wesentlichen mit dem häufigen Abschluss von „settlements“ zu erklären sei. Die näher erläuterten Entscheidungen des EuGH hatten interessante Fragen zum Gegenstand, etwa ob das Opfer einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise eine Schadenersatzklage sowohl gegen die Muttergesellschaft einer Unternehmensgruppe, die von der Kommission mit einer Sanktion belegt wurde, als auch gegen eine Tochtergesellschaft erheben kann, selbst wenn die Tochtergesellschaft in der Bußgeldentscheidung der Kommission nicht genannt wurde (Fall „Sumal“), ob der Grundsatz ne bis in idem (Art 50 der Grundrechte-Charta, GRC) der Verhängung einer Geldbuße durch eine Wettbewerbsbehörde entgegensteht, wenn dieselbe juristische Person im Hinblick auf denselben Sachverhalt bereits vom Vorwurf eines Verstoßes gegen eine sektorspezifische Regelung freigesprochen wurde (Fall „bpost II“) oder – ein weiterer Fall zu diesem Grundsatz – ob Art 50 GRC der Wettbewerbsbehörde eines EU-Mitgliedstaats verwehrt, über ein Unternehmen eine Geldbuße wegen eines Verhaltens aufzuerlegen, das den Wettbewerb im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats zu beeinträchtigen geeignet war, wenn dieses Verhalten bereits von der Wettbewerbsbehörde eines anderen Mitgliedstaats in einer endgültigen Entscheidung erwähnt wurde (Fall „Nordzucker“). Im Mittelpunkt der Erörterung des Normenbestandes stand die bevorstehende Veröffentlichung der neuen Vertikal-GVO (samt Leitlinien), welche zwar kein generelles Umdenken erforderlich machen werde, die aber im Einzelnen durchaus wesentliche Änderungen mit sich bringe. Dies betreffe insbesondere den „Dualen Vertrieb“, parallele Vertriebssysteme, Online-Verkaufsbeschränkungen, Meistbegünstigungsklauseln, Handelsvertreterverträge und Wettbewerbsverbote. Neben der Vertikal-GVO als dem wichtigsten Sekundär-Wettbewerbsrecht der EU sollten im Laufe des Jahres 2022 auch die horizontalen GVO erneuert werden (Spezialisierungs-GVO und F&E-GVO). Darüber hinaus sei die schon länger angekündigte Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes zu erwarten.
Der Abschied des "Erfinders" und ein neues Moderatorenduo
Auf diesem Wege bedankt sich die Österreichischen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (ÖV) gemeinsam mit der RECHTSAKADEMIE MANZ sehr herzlich bei Rechtsanwalt Hon.-Prof. Dr. Guido Kucsko für seine geniale "Erfindung" des ÖBl-Seminars und die jahrzehntelange Tagungsleitung und Moderation. Mit großer Freude haben Dr. Christian Schumacher und Mag. Hannes Seidelberger nun die Aufgabe übernommen, die Nachfolge dieser "Ikone" des gewerblichen Rechtschutzes und des Urheberrechts anzutreten und gemeinsam das ÖBl-Seminar zu leiten bzw. sich die Moderation zu teilen. Einige kleine Änderungen sind bereits in Planung, aber das bewährte Grundkonzept dieses Dauerbrenners wird auch in Zukunft fortgeführt, um dieses Rechtsgebiet weiterhin mit exzellenten Vortragenden praxisnah aufzubereiten und aktuell über alle Entscheidungen und Entwicklungen zu informieren.
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