[EDITORIAL] von Rainer Beetz
"Ende gut, alles gut (!?)"
Am 1. 4. 2023 (kein Aprilscherz!) ist es nun tatsächlich soweit – gemäß der Anfang Oktober veröffentlichten Roadmap wird das einheitliche Patentgericht („UPC“) seine Pforten öffnen. Demzufolge wird voraussichtlich am 1. 1. 2023 die „Sunrise period“ zu laufen beginnen; ab dann werden Opt-out-Anträge gestellt werden können, um EP-Patente der Zuständigkeit des UPC zu entziehen.
Ein erster Schritt, der für den tatsächlichen Betrieb des Gerichts unerlässlich ist, wurde bereits gesetzt: Es wurden insgesamt 85 Richterinnen und Richter (davon 34 rechtlich und 51 technisch qualifiziert) ernannt. Die Wahl sehr erfahrener Patentrichter und Praktiker nährt die Hoffnung, dass das Gericht von Beginn an hochqualitative Urteile fällen wird und somit ein Erfolg wird. Die Ernennung zahlreicher Patentanwälte zu nebenberuflichen Richtern hat zu Diskussionen geführt, wie konkret mit Interessenskonflikten umzugehen sein wird. Auch wenn wir in Österreich auf ein analoges System blicken können, das im Wesentlichen friktionsfrei und gut funktioniert, birgt die nebenberufliche Tätigkeit eines Richters immer eine gewisse Angriffsfläche. Sofern alle Verfahrensbeteiligten auch das gemeinsame Ganze, dh, die Funktionsfähigkeit des Gerichts im Blick haben, ist dies – wie in Österreich gelebt – kein Problem, je mehr jedoch für die einzelnen Parteien auf dem Spiel steht, umso wahrscheinlicher könnte der Blick für das große Ganze verlorengehen. Ich würde daher vermuten, dass Befangenheitseinwände (auch wenn diese aussichtslos sein mögen) mitunter erhoben werden, nur um das Verfahren im Einzelfall hinauszuzögern. Technische Richter aus Österreich werden davon allerdings nicht betroffen sein – aus einem einfachen Grund: Es gibt sie schlichtweg nicht. Der österreichische Fahnenträger beim UPC und Vorsitzender der in Wien angesiedelten lokalen Kammer wird mit Dr. Walter Schober erfreulicherweise ein überaus erfahrener Richter des auf Patentsachen spezialisierten Senats am OLG Wien. Apropos Nationalität: 27 der 85 Richter sind deutsche Staatsbürger. Wer sich bisher gefragt hat, welcher Rechtstradition der UPC – zumindest in seinen Anfangstagen – am ehesten folgen wird, könnte geneigt sein, daraus seine Schlüsse zu ziehen.
Dass es nun tatsächlich ernst wird, lässt sich auch daraus erkennen, dass der nationale Gesetzgeber (in letzter Sekunde) aktiv geworden ist. Ende Oktober ging ein Entwurf zur PatR-Novelle 2023 in Begutachtung,[1] mit welcher die notwendigen Anpassungen des nationalen Rechts iZm dem Einheitspatent vorgenommen werden sollen. Der Entwurf sieht insb ein sog Sicherheitsnetz iZm Anträgen auf einheitliche Wirkung vor: Sollte ein Antrag auf einheitliche Wirkung zurückgewiesen werden, wird die Frist zur Übersetzungsvorlage und Zahlung der Veröffentlichungsgebühr erst nach einer allfälligen Zurückweisung ablaufen – dh, der Patentinhaber kann jedenfalls noch ein europäisches Patent mit Wirkung für Österreich erhalten. Darüber hinaus enthält der Entwurf Regelungen zur Erlangung österreichischer Schutzzertifikate auf Basis von Einheitspatenten, zur Vollstreckung von Entscheidungen des UPC und vieles mehr.
Den zukünftigen Nutzern des UPC muss es jetzt nun nur noch gelingen, sich erfolgreich in das Case Management System (CMS) des UPC einzuloggen – dem Autor ist dies bisher nicht gelungen, das neue, strengere Authentifizierungssystem zu überwinden.
Viel Erfolg wünscht
Rainer Beetz
[1] Der Entwurf wurde erst nach Redaktionsschluss versandt und wird im nächsten Heft näher behandelt.
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