Logo ÖV - Österreichische Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht
Aktuell

Zur Zurechenbarkeit fremder irreführender Aussagen durch Linksetzung09.01.2023

Nach einer aktuellen Entscheidung des OGH kann ein Link in einem Newsletter ein „sich zu eigen machen“ fremder Inhalte bedeuten und sind darin enthaltene irreführende Angaben dem Werbenden zuzurechnen.

Der gegenständlichen Entscheidung des OGH vom 22.4.2022, 4 Ob 58/22s (ZIIR 2022,337 = MR 2022,207 = RdM-LS 2022/135 ‑ Zirbenfamilie ‑ Zirbenholz), lag ein Rechtsstreit zwischen zwei Anbietern von Zirbenholz-Produkten (zB Zirbenkissen) zugrunde. Die Beklagte hatte per Newsletter ihren Kunden einen kurz zuvor ausgestrahlten, redaktionellen TV-Beitrag über Zirbenholz empfohlen und dabei einen Link zur Mediathek des Fernsehsenders angefügt. In dieser Sendung wurden unter Bezugnahme auf eine Studie des Joanneum Research verschiedene positive Eigenschaften der Zirbe auf die Gesundheit des menschlichen Körpers hervorgehoben. Es wurde behauptet, dass die Zirbe zur Entspannung, zu einer niedrigeren Herzschlagfrequenz und zu einem besseren Schlaf führe, entzündungshemmend sei und desinfizierend wirke. In der TV-Dokumentation wurde auch die Beklagte erwähnt.

Die Klägerin beantragte, der Beklagten zu untersagen, damit zu werben, dass Zirbenholz Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen habe, antibakteriell, schädlingshemmend und/oder desinfizierend wirke. Mit gesundheitsbezogenen Angaben dürfe grundsätzlich nur dann geworben werden, wenn diese eindeutig belegt seien und eine Irreführung für die umworbenen Verbraucher ausgeschlossen sei (in der Entscheidung heißt es dazu: „Es gibt bislang keine wissenschaftlich fundierten Studien, die die in der Sendung hervorgehobenen Eigenschaften bestätigen. Die Studie des Joanneum Research ist nicht geeignet, um medizinische Wirkungen nachzuweisen“). Die Beklagte hielt dem entgegen, dass die Aussagen vom Publikum im Gesamtzusammenhang nicht als werbliche Aussagen der Beklagten aufgefasst würden.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab, weil die Beklagte mit dem Link noch nicht den Inhalt der Sendung zum Inhalt ihres Newsletters gemacht. Sie habe lediglich auf einen TV-Beitrag verwiesen, vergleichbar mit einem Fundstellennachweis. Demgegenüber erließ das Rekursgericht die beantragte einstweilige Verfügung, weil die Beklagte durch den Verweis auf einen als "spannende Dokumentation“ bezeichneten, redaktionellen Beitrag im Fernsehen samt Hinweis, dass sie nun auch aus dem TV bekannt sei, ihre eigenen Produkte mit dem Inhalt dieses Beitrags verknüpft habe. Dem Leser sei auf diese Weise suggeriert worden, dass die im Beitrag enthaltenen Aussagen auf ihre Produkte zuträfen und die im Beitrag behaupteten gesundheitsfördernden Wirkungen hätten, obwohl es dafür keine wissenschaftlich fundierten Studien gebe. Während ein Verbraucher bei offener Werbung in Rechnung stelle, dass sie stets subjektiv gefärbt sei und deshalb gewisse Abstriche zu machen seien, bringe er Stellungnahmen von neutraler Seite oft unbegrenztes Vertrauen entgegen. Diese Wirkung habe sich die Beklagte durch die Verlinkung zunutze gemacht, weil für den Konsumenten gerade nicht ersichtlich sei, dass dieser Link "nur“ der Bewerbung der eigenen Produkte diene. Sie habe daher den fremden Inhalt genutzt und diesen in ihren eigenen Newsletter eingebettet, um den Endverbraucher in seiner Kaufentscheidung zu beeinflussen. Es liege daher (unter anderem) eine Irreführung nach § 2 UWG vor.

Der OGH sprach aus, dass diese Ausführungen des Rekursgerichts über das „sich zu eigen machen“ der Inhalte des TV-Beitrags durch die Beklagte jedenfalls vertretbar seien und keiner Korrektur durch eine gegenteilige Sachentscheidung bedürften. In der lauterkeitsrechtlichen Rechtsprechung sei anerkannt, dass der Inhalt einer Website, auf den ein Unternehmer mit einem Link verweist, bei der Beurteilung der Irreführung einer Werbeaussage nach § 2 UWG zu berücksichtigen ist. Nach der (im Zusammenhang mit der Haftung für fremde Wettbewerbsverstöße entwickelten) lauterkeitsrechtlichen Rechtsprechung müsse sich ein Linksetzer den Inhalt einer fremden Website als eigenen Inhalt zurechnen lassen, wenn der Link eigene Ausführungen ersetzen soll. Kernfrage sei die Zurechenbarkeit fremder Äußerungen, nicht aber eine (auf die Zurechenbarkeit aufbauende allfällige) Haftung für einen fremden Verstoß.

Ob sich der Linksetzer die fremden Inhalte zu eigen gemacht hat, könne naturgemäß nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Im vorliegenden Fall habe die Beklagte den Inhalt des TV-Beitrags räumlich und sachlich in ihren Newsletter eingegliedert und dadurch zum Ausdruck gebracht, die darin getätigten Äußerungen zum Inhalt der eigenen Werbung zu machen. Im TV-Beitrag sei auf die Studie des Joanneum Research verwiesen worden und wurden gesundheitsbezogenen Angaben getätigt. Überdies stehe fest, dass in der Sendung konkret Bezug auf die Beklagte und ihre Produkte genommen wurde. Die Ansicht, dem Leser des Newsletters werde suggeriert, dass die im Beitrag enthaltenen Aussagen auf die Produkte der Beklagten zuträfen und die darin behaupteten gesundheitsfördernden Wirkungen hätten, stelle jedenfalls keine grobe Fehlbeurteilung dar.

zurück

Kalender
Mehr
Mitglied werden

Nutzen Sie die Vorteile einer Mitgliedschaft bei der ÖVMitgliedsvorteile

Aufsätze und Entscheidungen mit Anmerkungen von Experten
jährlich 6 HefteAbo Bestellung bei ManzEditorial/Inhalt aktuelle Ausgabe

ÖBl-Seminar

09.04.2025
WKO, Rudolf Sallinger Saal, Wiedner Hauptstraße 63, 1040 WienMehrBericht vergangenes Seminar