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Einheitspatent und Einheitliches Patentgericht am 1. Juni 2023 gestartet05.06.2023

Der 1. Juni ist ein historischer Tag für den Patentschutz in Europa. Das mit Spannung erwartete Einheitspatentsystem tritt in Kraft. Sein Start ist die bedeutendste Entwicklung in der europäischen Patentlandschaft seit der Unterzeichnung des Europäischen Patentübereinkommens vor 50 Jahren.

Wie bereits laufend berichtet bildet ein Europäisches Patent nach dem gegenwärtigen System des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) nach seiner Erteilung durch das Europäische Patentamt in München (EPA) ein “Bündel” nationaler Rechte. Um seinen Schutz entfalten zu können, muss der Anmelder das Europäische Patent in den jeweils gewünschten Vertragsstaaten „validieren“ (für wirksam erklären lassen). Erneuerungsgebühren für das Patent müssen in jedem Staat gesondert entrichtet werden – in unterschiedlichen Höhen. Diese nationalen Rechte unterliegen auch der jeweiligen Gerichtsbarkeit der gewählten Länder. Wer beispielsweise ein Europäisches Patent, das in Frankreich, Deutschland und Italien gilt, für nichtig erklären lassen möchte, muss in jedem Staat das zuständige Gericht anrufen um das Nichtigkeitsverfahren dort zu betreiben.

Im Gegensatz dazu hat das Einheitspatent – wie der Name schon sagt – einen „einheitlichen” Effekt in allen teilnehmenden Mitgliedsstaaten (MS). Es existiert als einziges unteilbares Patent, das alle MS gemeinsam abdeckt – wie eine Unionsmarke oder ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster. Für das Einheitspatent gibt es eine einzige Erneuerungsgebühr und ein gemeinsames Verwaltungssystem: Rechtsübergänge, Lizenzen und andere Rechte müssen nicht mehr für jedes Land einzeln in den nationalen Patentregistern eingetragen werden; eine einmalige Eintragung im Register für den einheitlichen Patentschutz, das zentral vom EPA verwaltet wird, genügt. Das Einheitspatent wird in allen EU-MS gelten – außer in Spanien und Kroatien, die sich von diesem System abgemeldet haben. Griechenland, Irland, Rumänien sowie Tschechien, die Slowakei, Ungarn und Zypern beabsichtigen, dem Einheitspatent in Zukunft beizutreten; Polen ist noch unentschlossen. Alle anderen EU-MS (17) beteiligen sich.

Das Verfahren ist recht einfach: Bevor ein Einheitspatent beim EPA registriert werden kann, muss der Anmelder dort zuerst eine europäische Patentanmeldung nach dem EPÜ einreichen. Innerhalb eines Monats nach Veröffentlichung der Erteilung kann der nunmehrige Patentinhaber einen Antrag auf einheitliche Wirkung stellen, um ein Einheitspatent zu erhalten. Zum System des Einheitspatents gehört auch das in Europa neu geschaffene Einheitliche Patengericht (EPG). Die erste Instanz besteht aus einer Zentralkammer in München und Paris sowie mehreren lokalen bzw. regionalen Kammern in verschiedenen MS (auch AT hat eine lokale Kammer in Wien). Das Berufungsgericht befindet sich in Luxemburg. Das EPG ist sowohl für Verletzungs- als auch für Nichtigkeitsverfahren für Einheitspatente und Europäische Patente zuständig; seine Rechtsprechung gilt in allen teilnehmenden MS.

Für EPÜ-Patente besteht allerdings eine 7-jährige Übergangsfrist (die für weitere 7 Jahre verlängert werden kann), in der der Patentinhaber für das jeweilige Bündelpatent ein „opt-out“ erklären kann, mit der er es der Zuständigkeit des EPG entzieht. Damit verbleiben Verfahren zu Europäischen Patenten wie bisher bei den nationalen Gerichten. Für Einheitspatente hingegen ist kein opt-out möglich – sie bleiben unter der Jurisdiktion des EPG. Optiert der Patentinhaber nicht hinaus, unterfällt das Europäische Patent während der Übergangsfrist der Rechtsprechung sowohl nationaler Gerichte als auch des EPG (“dual system”); diesbezüglich besteht also ein Wahlrecht. Da ein opt-out nicht mehr möglich ist, wenn bereits eine Klage beim EPG eingereicht wurde, erlaubt die „sunrise period“ Patentinhabern, ihr Europäisches Patent der Zuständigkeit des EPG zu entziehen, bevor es möglich ist, beim EPG eine Klage einzureichen. Anträge auf Registrierung von opt-out-Erklärungen sind seit 1. März 2023 möglich!

Patentinhaber sind gut beraten, in Betracht gezogene opt-out-Erklärungen zu überprüfen: Durch den opt-out kann ein Inhaber zwar das Risiko, sein Bündelpatent durch eine zentrale Nichtigkeitsklage mit einem Schlag in allen gewählten Ländern zu verlieren, vermeiden – allerdings verliert er damit auch die Möglichkeit, sein Patentrecht bei Verletzung zentral durchzusetzen. 

Damit ergeben sich für Erfinder und innovative Unternehmen nunmehr folgende Überlegungen:

Ein „Patentrezept” gibt es nicht und es muss von Fall zu Fall entschieden werden. Das neue System bietet durchaus portfoliostrategische und prozessrechtliche Möglichkeiten des Rechtsschutzes, seiner Durchsetzung und Verteidigung. Letztlich bleibt abzuwarten, wie das Einheitspatentsystem von den Patentanmeldern und -inhabern angenommen werden wird und was die Rechtsprechung daraus macht. 

Mag. Gabriele Benedikter, Vizepräsidentin der ÖV

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