Der OGH gewährte einer bekannten Kräuterlikör-Marke sowohl markenrechtlichen Schutz als auch Schutz vor unlauterer schmarotzerischer Rufausbeutung nach dem UWG.
Die Klägerin ist seit 1937 Inhaberin der österreichischen Wortmarke „Jägermeister“, unter der sie seit Jahrzehnten einen bekannten Kräuterlikör vertreibt. Die beklagte österreichische Warenhandelskette bot einen Kräuterlikör unter einer Eigenmarke an, welcher nach seiner Produktausstattung bzw Aufmachung dem Likör der Klägerin sehr ähnlich war (siehe dazu die Abbildungen unter RIS - 4Ob55/23a - Entscheidungstext - Justiz (bka.gv.at)). Die Vorinstanzen gaben dem auf den Schutz bekannter Marken (§ 10 Abs 2 MSchG), auf Verwechslungsgefahr (§ 10 Abs 1 Z 1 MSchG) und auf lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutz (§ 1 Abs 1 Z 1 UWG) gestützten Sicherungsantrag statt und untersagten der Beklagten mit Einstweiliger Verfügung, Kräuterliköre in einer Produktausstattung, die jener der Klägerin nachgeahmt ist, zu bewerben, anzubieten, in Verkehr zu bringen, einzuführen, auszuführen und/oder zu vertreiben.
Der OGH bestätigte die Rechtsansicht der Vorinstanzen mit Beschluss vom 31.5.2023 zu 4 Ob 55/23a (Zurückweisung des ao Revisionsrekurses, weil die Beurteilung des OLG zumindest vertretbar war und über den Einzelfall hinaus keine Bedeutung hat) und nahm den Fall zum Anlass, grundlegend zum Schutz bekannter Marken nach dem Markenschutzrecht und zum Schutz vor unlauterer schmarotzerischer Rufausbeutung nach dem UWG Stellung zu nehmen.
So erinnerte das Höchstgericht zunächst daran, dass der Schutz bekannter Marken nach § 10 Abs 2 MSchG keine Verwechslungsgefahr voraussetzt, sondern nur eine solche Ähnlichkeit der Zeichen, dass das Publikum diese gedanklich miteinander verknüpft. Der Grad der dafür erforderlichen Ähnlichkeit ist niedriger anzusetzen als der Grad der Ähnlichkeit, der für Verwechslungsgefahr verlangt wird. Es reicht zudem aus, wenn die Ähnlichkeit in einem der drei Punkte Bild, Klang oder Sinngehalt besteht.
Der erweiterte Schutz bekannter Marken bei Warenähnlichkeit setzt voraus, dass die Benützung des jüngeren Zeichens in unlauterer Weise erfolgt – was bei Verwendung eines der bekannten Marke ähnlichen Zeichens naheliege – und kein rechtfertigender Grund vorhanden ist, wobei die Beweislast für das Fehlen von Unlauterkeit oder das Vorliegen rechtfertigender Umstände grundsätzlich den Verletzer trifft. Unlauter kann vor allem eine Annäherung durch Übernahme besonderer Gestaltungselemente aus Bild-Marken, Logos, typischen Schriftzügen oder der farblichen oder figürlichen Ausgestaltung sein. Ob das verwendete Zeichen der Marke des Konkurrenten in Bild, Klang oder Bedeutung ähnlich ist, richtet sich nach dem Gesamteindruck, den Marke und Zeichen hervorrufen. Entscheidend ist die Wirkung auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungsart, der die Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die Einzelheiten achtet.
Für Produkte, die keinen Sonderrechtsschutz für sich in Anspruch nehmen können, besteht grundsätzlich Nachahmungsfreiheit. In der Rechtsprechung zum lauterkeitsrechtlichen Leistungsschutz ist aber anerkannt, dass bei Hinzutreten besonderer lauterkeitsrelevanter Begleitumstände die Nachahmung gewerblicher Erzeugnisse nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG unlauter sein kann. Als solche Umstände kommen sklavische Nachahmung bzw glatte Leistungsübernahme, eine vermeidbare Herkunftstäuschung oder eine unangemessene Ausnützung der Wertschätzung des nachgeahmten Produkts in Frage.
Lauterkeitsrechtlicher Nachahmungsschutz bei einer schmarotzerischen Rufausbeutung kann auch ohne Herkunftstäuschung der Verkehrskreise wegen einer unlauteren Anlehnung an die fremde Leistung geboten sein. Demnach kann bei gleichen oder ähnlichen Erzeugnissen eine unlautere Ausbeutung vorliegen, wenn sich der Beklagte in die Sogwirkung des Erzeugnisses begibt, um dessen Auffälligkeitswert oder besondere Wertschätzung als Trittbrettfahrer – über die bloße Erweckung von Assoziationen an ein fremdes Erzeugnis hinaus – in schmarotzerischer Weise für sein eigenes Erzeugnis auszunützen. Zur objektiven Rufausbeutung muss damit etwas Anstößiges hinzutreten. Anhaltspunkte dafür bilden etwa die Verwendung identischer Zeichen und die – meist naheliegende, wenn nicht konkret widerlegte – Zielrichtung, am fremden Ruf zu schmarotzen.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die sowohl den markenrechtlichen als auch den lauterkeitsrechtlich begründeten Sicherungsanspruch bejahten, bedürfen keiner Korrektur. Es sind keine rechtfertigenden Gründe ersichtlich, warum eine Ausstattung und Etikettierung eines Kräuterlikörs in der von der Beklagten gewählten Form mit der festgestellten Farbkombination, Frakturschrift auf oranger Banderole und bildlicher Darstellung (Hirschkopf) vorgenommen werden sollte Die Einschätzung der Vorinstanzen, dass dies damit in auffälliger Weise an die bekannten Marken der Klägerin angelehnt ist und zu einer gedanklichen Verknüpfung sowie zu einer Rufausbeutung führt, ist zumindest vertretbar.
Das Produkt der Klägerin weist gerade auch in Kreisen junger Partygeher besondere Beliebtheit auf. Das Rekursgericht hat die Anlehnung an die Gestaltungselemente der Klägerin als über die objektive Rufausbeutung hinaus anstößig beurteilt, auch weil die Verwendung etwa eines Hirschkopfes – nicht obwohl, sondern gerade weil er comicartig verzerrt ist – in auffälliger Weise gerade das Produkt der Klägerin konsumierendes, jugendliches Partyvolk (und wohl nicht ernsthaft an jagdbarem Wild interessiertes oder sonst weidwerkaffines Publikum) anzusprechen bestimmt und geeignet ist. Dass eine unlautere Rufausbeutung erst dann gegeben wäre, wenn die Beklagte ihr Produkt als „S-Budget-Jägermeister“ bezeichnet hätte, kann nicht ernsthaft behauptet werden. Insgesamt ist die Bejahung unlauterer Rufausbeutung durch das Rekursgericht auch in diesem Lichte jedenfalls vertretbar (OGH 31.5.2023, 4 Ob 55/23a – Jägermeister).
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