Beweislast für Inverkehrbringen im EWR, kein Geschäftsgeheimnisschutz in Markenverletzungsverfahren und Incoterms können markenrechtliche Erschöpfung auslösen.
Zusammenfassung von Michael Woller, Schönherr Rechtsanwälte
Die Beklagte – eine Parfumeriekette – vertrieb über ihr Filialnetz in Österreich Parfumprüdukte, die mit eine Marke der Klägerin gekennzeichnet waren. Bei diesen Produkten handelte es sich grundsätzlich um Originalprodukte. Fraglich war im Verfahren aber, ob diese Produkte mit Zustimmung der Klägerin innerhalb des EWR in Verkehr gebracht worden waren (und damit das Markenrecht erschöpft ist) oder ob es sich um Parallelimporte handelte, deren Vertrieb innerhalb des EWR die Klägerin grundsätzlich untersagen könnte).
Die Beklagte berief sich darauf, dass sie die fragliche Ware über Lieferanten innerhalb des EWR bezogen hätte und ging daher offenbar davon aus, die Ware sei für den EWR bestimmt und sie dürfe die Ware daher rechtmäßig im EWR anbieten. Die Identität des Lieferanten wollte sie im Prozess allerdings nicht offenlegen, weil ihrer Ansicht nach dadurch eine Marktabschottung drohte. Sie versuchte daher der Klägerin die Beweislast dafür aufzuerlegen, dass die verfahrensgegenständlichen Waren erstmals außerhalb des EWR (und eben nicht bereits innerhalb des EWR) in Verkehr gebracht wurden. Die Klägerin trat diesen Beweis sogar an, scheiterte jedoch, sodass nicht festgestellt werden konnte, dass die Ware tatsächlich erstmals außerhalb des EWR in Verkehr gebracht wurde. Der OGH stellte aber im Ergebnis klar, dass – solange keine konkreten Anhaltspunkte für eine drohende Marktabschottung vorliegen würden (wofür die Beklagte beweispflichtig wäre) – stets die Beklagte dafür beweispflichtig ist, dass die fragliche Ware tatsächlich mit Zustimmung der Markeninhaberin im EWR in Verkehr gebracht wurde. Dieses Ergebnis deckt sich mit jenem aus dem Provisorialverfahren (OGH 19.4.2018, 4 Ob 154/17a).
Vor diesem Hintergrund – um zu vermeiden ihre Lieferanten offenzulegen – beantragte die Beklagte die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Die Lieferanten sollten dem Sachverständigen, der gegenüber den Parteien zur Verschwiegenheit verpflichtet sein solle, Einsicht in ihre Geschäftspapiere zum Nachweis der Lieferkette gewähren. Die Beklagte berief sich dabei auf eine analoge Anwendung der Bestimmungen zum verfahrensrechtlichen Geschäftsgeheimnisschutz nach § 26h UWG. Diese analoge Anwendung lehnte der OGH nun aber unter Verweis darauf ab, dass diese Bestimmungen ausschließlich auf Verfahren anwendbar seien, die der Wahrung oder Durchsetzung von Geschäftsgeheimnissen dienen – und nicht anderen Zwecken, wie hier der Durchsetzung von Markenrechten. Damit schloss sich der 4. Senat der Ansicht des 2. Senats (in 2 Ob 68/22x) an.
Eine dritte wichtige Erkenntnis aus der Entscheidung betrifft die Verwendung von Incoterms: Die festgestellte Verwendung der Incoterms "CIP" (Carriage and Insurance Paid to) und "DAP" (Delivered At Place) durch den im EWR ansässigen Kläger führt nicht dazu, dass die zu diesen Bedingungen gelieferten und für das EWR-Ausland bestimmten Waren als innerhalb des EWR in Verkehr gebracht anzusehen wären. Anders als in einem vom BGH zuvor zum incoterm "ex works" entschiedenen Fall (BGH I ZR 162/03, ex works) bleibt der Versende bei Verwendung von "CIP" und "DAP" nämlich weiterhin über die Ware verfügungsberechtigt. In diesem Fall begründet die Übergabe an den Frachtführer noch kein Inverkehrbringen der Markenwaren im EWR.
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