ÖV-Stellungnahme zum Grünbuch über den Online-Vertrieb von audiovisuellen Werken in der EU (Referent Christian Handig)
Von der Österreichischen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (ÖV) wurde das Grünbuch über den Online-Vertrieb von audiovisuellen Werken in der EU: Chancen und Herausforderungen für den digitalen Binnenmarkt, KOM (2011) 427 von der Europäischen Kommission mit Interesse zur Kenntnis genommen.
Ursprungslandprinzip (Frage 5)
Infolge der fundamentalen Änderungen in der Kommunikationstechnik seit der Erstellung der SatellitenrundfunkRL 93/83/EWG ist es überaus sinnvoll, deren Kernelement, nämlich das Ursprungslandprinzip, technikneutral auszuweiten, zumal dies den verschiedenen neuen Absatz- und Vermarktungstechniken entgegenkommen würde. Wirkt sich doch das Territorialitätsprinzip im Geistigen Eigentum als Hemmschuh,[1]weil die Vorschriften sämtlicher Rechtsordnung einzuhalten sind. Das Ursprungslandprinzip führt hier eine sinnvolle Reduktion (der gegenwärtig 27 Urheberrechtsordnungen nur innerhalb der EU) durch – und dies innerhalb eines Systems, in dem Basisregelungen harmonisiert sind.
Bei der Ermittlung des Ursprungslands für Anbieter von Dienstleistungen sollte die bewährte Lösung zurückgegriffen werden, die das Unionsrecht gerade im Online-Bereich geschaffen hat: Auf die Niederlassung im Sinn der E-CommerceRL.[2]Dabei muss der Diensteanbieter ohnedies „die geographische Anschrift, unter der der Diensteanbieter niedergelassen ist“, im Impressum angeben.[3]
Cloud Computing (Frage 8)
Vermehrt könnten sich einerseits Probleme in Fällen ergeben, in denen sich Diensteanbieter nicht normkonform verhalten. Eine schnelle grenzüberschreitende Rechtsdurchsetzung könnte durch eine entsprechende Novellierung der RL 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums umgesetzt werden.
Weiters könnten sich andererseits Probleme auch bezüglich der Vergütung von Urheberrechtsabgabenergeben: So etwa bezüglich jener fürSpeichermedien. Wenn zB einerseits Urheberrechtsabgaben auf Speichermedien abzuführen sind und andererseits eben dieselben Speichermedien Vervielfältigung urheberrechtlicher Werke beinhalten, für die Lizenzgebühren bezahlt werden, weil es sie zB um Anbieter lizenzierter urheberrechtlicher Inhalt (Musik, Film, Spiele und Apps) handelt. Daraus würde Mehrfachzahlungen für urheberrechtliche Werke entstehen. Solche Mehrfachzahlungen von Urheber- und Leistungsschutzrechten sollten – wenn schon nicht verhindert, so doch möglichst minimiert werden. Ein hohes Maß an Transparenz wäre hierfür notwendig.
Technologie & Rechteklärung (Frage 9)
Eine technologische Unterstützung ist für Nutzer nur dort sinnvoll, wo wenige Rechte erworben werden (müssen); dies gilt zB auch für einen Bearbeiter. Benötigt der Nutzer jedoch eine Vielzahl von Rechten, so kann dies nur durch Bündelung dieser Rechte geschehen. In diesen Fällen kommt den Verwertungsgesellschaften eine zentrale Bedeutung zu.
Urheberrechtskodex(Frage 13)
Der Umstand, dass der EuGH in der Entscheidung C‑403/08 und C‑429/08, Football Association Premier League ua v QC Leisure ua, erklärt hat, dass „sämtlichen dieser Richtlinien verwendeten Begriffe dieselbe Bedeutung haben“, hat auch innerhalb der zahlreichen urheberrechtlichen Richtlinien einen Harmonisierungseffekt (zB die Definition des Art 2 SchutzdauerRL 2006/116/EG). Vergleicht man aber die Richtlinien mit der Rechtslage in anderen Bereichen des geistigen Eigentums wie dem Markenrecht, so sticht doch das noch deutlich geringere Ausmaß an Harmonisierung ins Auge. Um dies auszugleichen sind weitergehende Schritte grundsätzlich zu begrüßen.
So wäre durch die Einführung eines europäischen Urheberrechtskodex ist zu erwarten, dass bisherige urheberrechtliche Richtlinien besser aufeinander abgestimmt werden könnten. Dabei wäre auch eine Aktualisierung der Ausnahmen und Beschränkungen der InfoRL[4]zu begrüßen und auch der Ausnahmenkatalog der InfoRL zu erweitern, da dort insbesondere im Hinblick auf digitale Anwendungen noch wesentliche Verbesserungsmöglichkeiten bestehen. Diese wurden teilweise bereits durch das Grünbuch „Urheberrechte in der wissensbestimmten Wirtschaft“[5]angesprochen, blieben bisher aber noch weitgehend unerledigt. Hinzu kommen andere Regelungen, die nicht der Realität entsprechen, wie zB der, dass keine Kopien von Musiknoten oder zu kommerziellen Zwecken angefertigt werden dürfen. Dieser Umstand schafft nicht nur Rechtunsicherheit bei den Nutzern, sondern auch zu Einkommenseinbußen seitens der Rechteinhaber.[6]
Einheitlicher Urheberrechtstitel der EU (Frage 14)
Während in anderen Bereichen des geistigen Eigentums wie dem Markenrecht Registriersysteme bestehen, existiert diese im Urheberrecht (auch aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen) nicht. Aufgrund dieses Unterschieds könnte die Schaffung eines wahlweisen ‚einheitlichen‘ Urheberrechtstitels auf der Grundlage von Artikel 118 AEUV in der Praxis schwierig sein.
Das gilt einerseits für die der Eintragung vorgehende Prüfung als auch für die Recherchemöglichkeit bei der Datenbank. So ist zB an die Abgrenzung von unfreien Bearbeitungen und selbstständigen Neuschöpfungen zu denken oder an zahlreiche Werke mit gleichen Titeln, zB bei Zeitungsartikeln oder bei Werken der Musik.
Begriffsharmonisierung der Urheberschaft (Frage 15)
Die Definition von Begriffen ist grundsätzlich zu begrüßen. Sind doch nach ständiger Rsp des EuGH die Begriffe unionsrechtlicher Normen autonom und einheitlich auszulegen, soweit „die Erläuterung ihres Sinnes und ihrer Tragweite nicht ausdrücklich auf das Recht der MS verweist“[7]. Daher stellen Definitionen bestehender Begriffe eine wünschenswerte Klarlegung dar, welche helfen, den betroffenen Unionsbürger teure und zeitaufwendige Vorabentscheidungsverfahren zu ersparen Weiters ist vor Abschluss eines solchen Verfahrens unklar, wie die Rechtslage einzuschätzen ist (bzw setzen nationale Gerichte ihre bisherige Rechtsprechung unverändert fort).
Nach der derzeitigen Rechtslage ist einerseits nicht klar, ob ein Film ein einziges Werk darstellt oder ein verbundenes Werk von Film und Musik.[8]Andererseits bedarf es einer Klarstellung, wer Urheber ist. So stellt Art 2 SchutzdauerRL 2006/116/EG zwar klar, dass der „Hauptregisseur eines Filmwerks oder eines audiovisuellen Werks“ ein Filmurheber ist, wer jedoch dazu zählt, ist aber in verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedlich geregelt. So gelten nach französischem Recht sehr viele als Mitwirkende, in Deutschland kann jeder, der einen bestimmten kreativen Beitrag geleistet hat, als Miturheber angesehen werden. Im Vereinigten Königreich, in Irland und Luxemburg sind die Produzenten auch Miturheber eines audiovisuellen Werks.[9]Abgesehen von diesen signifikanten Unterschieden ist zB nach österreichischer Rechtslage unklar, ob und wieweit zB Schauspieler mit tragenden Rollen, Dialogautoren, Choreografen, Cutter und Ausstatter jeweils aufgrund ihres konkreten Beitrags in dem betreffenden Film Miturheber sind.
Dieser Umstand ist auch wesentlich für die Rechte der Marktteilnehmer, und zwar einerseits zwischen Nutzer und Verwertungsgesellschaft, damit klar ist, welche Rechte von wem erworben werden und zwischen den Verwertungsgesellschaften untereinander, zB wenn Gelder aus angemessenen Vergütungen aufgeteilt werden. Schließlich werden die Einkünfte aufgrund von Gegenseitigkeitsverträgen auch für Verwertungsgesellschaften anderer Mitgliedstaaten eingehoben, damit diese Einkünfte an die gleichen Gruppen von Urhebern ausgeschüttet werden können. Somit ist eine einheitliche Festlegung sinnvoll.
Vergütungsanspruch & Verwertungsgesellschaften (Frage 16)
Aus Sicht der zahlreichen Nutzer sind vor allem die Nutzungsentgelte von Bedeutung. Wenn eine Vielzahl von Werken genutzt werden soll, so ist eine Rechteabklärung mit einer Vielzahl von Rechtinhabern zeit- und kostenintensiv.
Diese Vielzahl schafft für die Nutzer eine sehr unattraktive Situation und eine ständige Rechtunsicherheit, weil jederzeit neue Forderungen von neuen Rechteinhabern herangetragen werden können. Es ist daher überaus wünschenswert, dass die Rechtewahrnehmung von einer einzigen Verwertungsgesellschaft eingehoben wird. Im Übrigen wird der Nutzer ohnehin mit mehreren Verwertungsgesellschaften konfrontiert, die jeweils bestimmte Arten von Rechten von Urheber oder Leistungsschutzberechtigten wahrnehmen.
Eine solche Verwaltung sollte exklusiv sein, damit nicht mehrere Verwertungsgesellschaften aufgrund unklarer Verhältnisse für dieselbe Leistung den Nutzer zweimal zur Zahlung auffordern. Dies ist insbesondere dann möglich, wenn von unterschiedlichen Verwertungsgesellschaften verschiedene Rechtebündel wahrgenommen werden, die sich aufgrund mangelhafter Abgrenzung gegeneinander, überlappen.
Vergütungsanspruch & Verwertungsgesellschaften (Frage 18)
Hier gilt das zu Frage 16 Ausgeführte. Im Übrigen macht eine obligatorische Verwaltung von Ansprüchen aus Verwertungsrechten durch Verwertungsgesellschaften aus Sicht des Nutzers nur dann Sinn, wenn dadurch von allen Rechteinhabern die Rechte gebündelt erworben werden können. Daher ist es notwendig, dass auch die anderen Rechte nur durch Verwertungsgesellschaften wahrgenommen werden können. Dies sollte daher zumindest für jene Rechte gelten, die in der EU bereits harmonisiert wurden, als so auch fürTonträgerhersteller in Bezug auf ihre Tonträgersowie Sendeunternehmen in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Sendungen.[10]
Darüber hinaus existieren auf nationaler Ebene noch weitere Leistungsschutzrechte wie zB das des Veranstalters,[11]Herstellers von Lichtbildern und Laufbildern.[12]Auch diese (noch) nicht harmonisierten Rechte sollten– ganz grundsätzlich – erfasst werden.
Die Fragestellung beschäftigt sich nur mit den Vergütungsansprüchen, nicht aber mit der Frage der Zulässigkeit der Werknutzung. Das ist vor allem vor dem Hintergrund von Bedeutung, dass bei Tonträgerherstellern und Sendeunternehmen zum Teil überaus marktstarke Unternehmen – teilweise sogar mit beherrschender Stellung – anzutreffen sind, die naturgemäß ihre Position zu halten versuchen.[13]Dabei gibt das absolute Ausschließungsrecht diesen Marktteilnehmern ein Werkzeug an die Hand um neue Vertriebsmethoden, die neue Marktteilnehmer etablieren möchten, zu unterbinden. Ein Beispiel dafür waren die Geschäfte für CD-Verleih, die Mitte der 90iger Jahre vom Markt gefegt wurden. Andererseits besteht für marktstarke Unternehmen auch mittels Ausschließungsrechte die Position auf anderen Märkten zu übertragen. So hat zB die Mediengruppe RTL die zuständige deutsche Verwertungsgesellschaft VG Media verlassen, um ihre Rechte selbst wahrnehmen zu können, wodurch sie der wachsende Bedeutung der Urheber- und Leistungsschutzrechte für die immer vielfältigeren Programmverbreitungsplattformen Rechnung trägt.[14]Es ist unwahrscheinlich, dass diese Strategie – im Fall ihres Erfolgs – nicht nachgeahmt wird. Das führt aber zu einer völligen Zersplitterung der Rechte, der nur mit einer obligatorischen Verwaltung von Ansprüchen aus Verwertungsrechten gegengesteuert werden könnte.
Wenn die Europäische Kommission von „jeder Absicht, die Urheberrechtsnormen zu überarbeiten“ abrückt und nur das „effiziente Lizenzierungsverfahren“ und „one-stop-shop“[15]Modelle als Ziele ansehen würde, so wäre deren Erreichen wohl weitgehend bedeutungslos, wenn nicht auch die notwendigen Rechte eingeräumt werden können, weil zumindest eine Gruppe von Rechteinhabern diese Rechte (zB aus strategischen Überlegungen) nicht einräumen wollen.
Angemessene Vergütung (Frage 20)
Sinnvolle Alternativen zur obligatorischen exklusiven Verwaltung von Ansprüchen aus Verwertungsrechten durch Verwertungsgesellschaften sind nicht ersichtlich, da es angesichts der Vielzahl von Kunstschaffenden und Verwertern einer einzigen Clearingstelle („one stop shop“) bedarf. Daher sollte das bestehende Netz der europäischen Verwertungsgesellschaften besser genutzt werden. Dies ist umso attraktiver als eine Harmonisierung dieses wesentlichen Elements im Urheberrecht derzeit vorbereitet wird.
Eine wirkungsvoll individuelle Rechtsdurchsetzung ist ohnehin nur dort möglich, wo das Marktsegment sehr starken Marktteilnehmer ausweist, zB die Konzerne im Musikbereich. Für die anderen Rechteinhaber mit geringerem Anteil auf diesem Markt stellt dies keine gangbare Lösung dar (auch das Digital Right Management hat diese Situation nicht verändert). Dies gilt auch für Nutzer, die sonst einer unüberschaubaren Vielzahl von Rechteinhabern gegenüberstehen.
[1]So zB Art 8 VO (EG) Nr 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“).
[2]Art 5 Abs 3 Richtlinie 2000/31/EG über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“).
[3]Art 5 Abs 1 lit b E-CommerceRL.
[4]RL 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft.
[5]KOM (2008) 466 endg.
[6]Ein Ergebnis, dass auch für Rechtsinhaber nachteilig war, zB EuGH 21. 10. 2010, C-467/08, Padawan v SGAE.
[7]ZB EuGH 18. 1. 1984, Rs 327/82, Ekro.
[8]Dies im österreichischen Urheberrecht der Fall ist, gemäß § 11 Abs 3 lit cit.
[9]Die Zulässigkeit ist übrigens im Hinblick Art 14bis Abs 2 lit a RBÜ fraglich; so Walter in: Walter/von Lewinski, European Copyright Law Rz 8.2.9.
[10]Art 2 lit c und e bzw Art 2 lit b und d RL2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft.
[11]§ 66 Abs 5 österreichisches Urheberrechtsgesetz bzw § 81 deutsches Urheberrechtsgesetz.
[12]§ 76b österreichisches Urheberrechtsgesetz bzw § 72 bzw 95 deutsches Urheberrechtsgesetz.
[13]So KEA, Multi-territoriale Lizenzierung audiovisueller Werke in der Europäischen Union (2010), 4.
[14]Presseerklärung der RTL-Gruppe 11.3.2010; zitiert nach Neurauter, Internetfernsehen und Co – das Urheberrecht unter dem Druck des Medienwandels, GRUR 2011, 691 (691).
[15]KEA, Multi-territoriale Lizenzierung audiovisueller Werke in der Europäischen Union (2010), 10 f.
.pdf der ÖV-Stellungnahme zum Grünbuch über den Online-Vertrieb von audiovisuellen Werken in der EU [StellungnahmeGrunbuchKOM__2011__427.pdf, 53 KB]
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