Die Internationale LIGA für Wettbewerbsrecht (kurz LIDC) hielt ihren diesjährigen Kongress von 6. bis 9. Oktober 2016 in Genf, direkt am wunderschönen Genfer See ab. Unter österreichischer Präsidentschaft (RA Dr. Michael Meyenburg, Präsident der ÖV) fanden sich über 100 Experten aus Europa (darunter sechs aus Österreich), aber auch aus den USA und Brasilien ein, um spannende Fragen des Wettbewerbs- und IP-Rechts (IP steht für Intellectual Property = Geistiges Eigentum) zu erörtern.
Die Tagung wurde vom Präsidenten der Landesgruppe in der Schweiz, Christophe Rapin, eröffnet. Er schilderte auf humorvolle Weise die Eigenheiten der Schweiz mit ihren vier Sprachen, den zahlreichen selbstständigen Kantonen (26 an der Zahl) und dem Bundesbrief von 1291 als Gründungsurkunde der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Nicht allen war bekannt, dass etwa das Frauenwahlrecht in der Schweiz erst 1971 mittels Volksabstimmung (des männlichen Teils der Bevölkerung) eingeführt wurde. Die Schweiz ist wirtschaftlich gesehen eines der innovationsreichsten Länder der Welt und insbesondere in den Bereichen Schokolade, Uhren, Pharmaindustrie und Finanzwesen führend.
In Genf wird vor allem Französisch gesprochen. Nur rund die Hälfte der Bewohner dieser Stadt sind Schweizer, der andere Teil Menschen aus der ganzen Welt. So ist Genf Sitz zahlreicher internationaler Organisationen wie UNO, CERN, IKRK, WHO, IAO, IOM, ISO, ITU, WIPO, WMO, WOSM, WTO und UNHCR, wobei sich vor allem die Weltorganisation für geistiges Eigentum (World Intellectual Property Organization– WIPO)und die Welthandelsorganisation(World Trade Organization–WTO) auch mit dem Wettbewerbsrecht intensiv beschäftigen. Die Schweiz ist aber auch Sitz vieler internationaler Sportverbände und des IOC.
Entsprechend diesem internationalen Umfeld war die erste Podiumsdiskussion den zahlreichen interessanten Fragen des geistigen Eigentums bei großen Sportveranstaltungen gewidmet und wurden dabei die aktuellen Trends und rechtlichen Herausforderungen in diesem Bereich beleuchtet. Den Vorsitz führte dabei Prof. Klaus Vieweg vom Institut für Recht und Technik der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, welcher sich schon seit vielen Jahren mit Rechtsfragen des Sports beschäftigt. Die besonderen Aspekte des Sportrechts sind seine Internationalität über alle Grenzen hinweg, die Selbstregulierung durch zahlreiche Verbände, sein „Massenphänomen“ sowie seine Bedeutung als großer Wirtschaftsfaktor. Das Verhältnis von nationalem zu internationalem Recht quer durch alle Rechtsbereiche wurde von Prof. Jacques de Werra als Vize-Rektor der Universität Genf und Prof. Antoon Quaedvlieg von der Radboud Universität Amsterdam ausführlich erörtert. Konkret wurde hier etwa die Rolle der Handelsgeheimnisse im Hightech-Sportbereich anhand von Beispielen aus der Formel 1 und dem America´s Cup dargestellt.
Besonders spannend und praxisbezogen war auch die gemeinsame Präsentation von Dr. Marianne Wüthrich vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und Daniel Zohny von der Fédération Internationale de Football Association (FIFA). Die beiden Juristen erläuterten an den Beispielen Olympische Spiele in Rio de Janeiro und der kommenden Fußballweltmeisterschaft in Russland anschaulich, welche große Bedeutung der Schutz des geistigen Eigentums in diesem Bereich hat und dass neben zahlreichen Markenanmeldungen auch viele andere umfassende Aktivitäten gesetzt werden. Allein in Rio gab es rund 700 zu bearbeitende Fälle, und die FIFA meldet für jede Weltmeisterschaft Marken in mehr als 100 Staaten der Welt in bis zu 38 Warenklassen an.
Einen interessanten Einblick bot auch das Frühstücksreferat von Anthony Manuguerra von Europol aus dem Bereich „koordinierte Koalition gegen Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums“. Er schilderte – nach einer Vorstellung seiner Organisation – zahlreiche Fälle aus der Praxis mit gefälschten Medikamenten, Nivea-Cremen und anderen Produkten, wo Europol die Polizeibehörden vor Ort mit ihrem speziellen Know-how unterstützen und mehrere Verbrecherringe ausheben konnte.
Im Sinne der Internationalität des Tagungsortes wurde weiters auch diskutiert, was Praktiker über die WTO, das TRIPS-Abkommen (englische Kurzform für das Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums) in Bezug auf den Wettbewerb wissen sollten. Den Vorsitz in dieser Diskussion leitete Luzius Waescha als ehemaliger Botschafter der Schweiz in der WTO, der UNCTAD, der EEC-UN und der EFTA. Am Podium waren weiters Jean-François Bellis, Professor an der Universität Brüssel (ULB) und Anthony Taubman, Direktor der Abteilung für geistiges Eigentum, öffentliches Beschaffungswesen und Wettbewerb in der WTO. Dabei wurde festgehalten, dass internationaler Wettbewerb unterschiedlich verstanden werden kann. Auf der Ebene internationaler Organisationen beginnt er mit dem Wettbewerb zwischen dem multilateralen Regelwerk der WTO und bilateralen Verträgen, wobei sich die Frage stellt, ob Wettbewerbsfragen im internationalen Handel ausreichend berücksichtigt werden. Zu hinterfragen ist auch das Nebeneinander von IP-Regelungen im TRIPS-Abkommen und in bilateralen Verträgen. Schließlich gibt es wettbewerbsrechtliche Themen im Streitbeilegungsbereich und wurde auch das einzigartige Streitbeilegungsverfahren der WTO und die Rolle der Industrie in den sogenannten Panels der WTO erörtert.
Die Hauptarbeit der Teilnehmer dieser Tagung steckte allerdings wieder in den beiden LIGA-Arbeitsfragen, wo zahlreiche Mitgliedsländer (wie insbesondere auch Österreich mit zwei Teams) vorab nationale Berichte zu folgenden Fragestellungen geliefert hatten:
Frage A: Inwieweit sollte die Anwendung der Wettbewerbsregeln im Bereich Arzneimittel von den spezifischen Charakteristiken dieser Produkte und Märkte beeinflusst sein (auch in Bezug auf verbraucherschützende Normen, die Notwendigkeit, Innovationen zu fördern, die Notwendigkeit, öffentliche Budgets zu schützen, sowie andere Belange öffentlicher Interessen)?
Frage B: Welche Regeln sollten für die Angaben von Lieferanten über die nationale oder geografische Herkunft ihrer Produkte oder Dienstleistungen gelten?
Unter der Leitung der internationalen BerichterstatterProf. Stephen Dnes von der Dundee University (GB) und Rechtsanwalt Simon Holzer aus Zürich wurden dazu in großen Arbeitsgruppen zwei umfassende Resolutionen erarbeitet, welche beide einstimmig von der Generalversammlung der LIGA angenommen wurden. Diese Resolutionen wie auch die internationalen und nationalen Berichte dazu sind auf der Website der LIDC unter http://www.ligue.orgund dann „Congresses“ sowie „Reports und Resolutions“ abrufbar.
Schließlich wurde nach Ablauf der zweijährigen Funktionsperiode ein neuer Vorstand gewählt und endete damit auch die zweite österreichische Präsidentschaft der LIGA nach RA Dr. Peter Pöch und nun RA Dr. Michael Meyenburg. Neuer Präsident ist José Antonio Faria Correaaus Brasilien, wobei auch der nächste Kongress in diesem Land, und zwar in Rio de Janeiro vom 5. bis 8. Oktober 2017 stattfinden wird. Im Mittelpunkt werden dabei folgende Arbeitsfragen stehen:
Frage A: Welche sind die wichtigsten wettbewerbs- und kartellrechtlichen Fragen in Bezug auf die steigende Bedeutung von Online-Verkaufsplattformen und wie sollen sie gelöst werden?
Frage B: Inwieweit schaffen die gegenwärtigen Ausschlüsse und Beschränkungen des Urheberrechts einen fairen Ausgleich zwischen den Rechten des Urhebers und dem fairen Gebrauch durch einzelne private Nutzer und andere?
Alle weiteren Informationen sind auf der Website der LIGA unter www.ligue.orgund der österreichischen Landesgruppe der LIGA im Rahmen der ÖV (Österreichische Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht) unter www.oev.or.at abrufbar.
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