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Editorial und Inhalt

ÖBl [2025] 1 Seiten 1 - 48

[EDITORIAL] von Christian Schumacher
"Designoffensive 2025"


Inhalt [.pdf]

Designoffensive 2025

Designoffensive 2025

CHRISTIAN SCHUMACHER

ÖBl 2025

Die EU-Designreform ist fertig und die entsprechenden Gesetzeswerke sind in Kraft getreten – zu den Neuerungen konnten Sie, liebe Leser:innen, im letzten Heft den Beitrag von Clara Baumgartner finden.[1]

Los geht’s mit dem unionsweiten, einheitlichen Designrecht (leider auf Deutsch im Unterschied zu den nationalen Designrechten „Unionsgeschmacksmuster“ genannt), der Modernisierung des seit 1. 4. 2003 bestehenden Gemeinschaftsgeschmacksmusters. Die UnionsgeschmacksmusterVO[2] (UGV) in der modernisierten Fassung gilt ab 1. 5. 2025. Parallel dazu wurde die RL zur Harmonisierung der nationalen Designrechte als DesignRL[3] modernisiert und neu gefasst; für die Umsetzung der Neuerungen hat der Unionsgesetzgeber den MS drei Jahre, nämlich bis 9. 12. 2027, Zeit gegeben.

Wie erfolgreich war das harmonisierte und unionsweite Designrecht bisher? Ich hätte mir eigentlich mehr erwartet. Die Designregistrierung verlangt nur geringe direkte finanzielle Investitionen; aber ja, sie sollte gut vorbereitet sein, um sinnvoll Schutz zu gewähren, also sind ein finanzieller Aufwand und Zeit einzurechnen. Insgesamt lässt sich eine Designregistrierung aber mit geringem Aufwand für die gesamte EU erlangen. Das hätte Unmengen von Designregistrierungen erwarten lassen. Tatsächlich sind die Anmeldezahlen zwar durchaus beeindruckend, im Verhältnis zum Potential des Designschutzes ist aber nach meinem Empfinden noch vielLuft nach oben, und der Umfang ist mit der überragenden Erfolgsstory der Unionsmarke nicht vergleichbar:

Das EUIPO weist für die letzten Jahre regelmäßig um die 100.000 angemeldete Designs im Jahr aus.[4] Für die Unionsmarke hat sich die Zahl der Anmeldungen zuletzt bei knapp 180.000 pro Jahr eingependelt. Interessant ist, dass sich China stetig steigend mit knapp 30.000 angemeldeten Designs in Führung gesetzt hat; dem stehen – weniger in absoluten Zahlen und weniger stark steigend – zuletzt 27.000 Unionsmarkenanmeldungen chinesischer Anmelder im Jahr gegenüber. Bei den weiteren Top 4 Schutzrechtsanmeldeländern zeigt sich ein differenziertes Bild: Deutschland als zweitplatziertes Land zählt zuletzt 15.000 angemeldete Designs pro Jahr, liegt allerdings bei den Unionsmarken mit über 22.000 Anmeldungen nur knapp hinter China; Italien ist bei den Designs drittplatziert mit knapp 13.000, vor den USA mit etwas weniger als 10.000, liegt bei den Unionsmarken jedoch mit ebenso ca 13.000 Anmeldungen pro Jahr hinter den USA mit etwas über 17.000.

Betrachtet man also das Verhältnis von Design- zu Markenanmeldungen der führenden Schutzrechtsanmeldestaaten, so erweist sich China als besonders designaffines Land, ebenso Italien. Die Top 4 Designklassen sind übrigens in den letzten Jahren recht deutlich (dann werden die Abstände geringer) die Klassen 6 (Möbel), 2 (Bekleidung), 26 (Beleuchtung) und 14 (darunter fallen viele elektronische Geräte).

Wo steht hier Österreich? Ungefähr 2.000 angemeldeten Gemeinschaftsgeschmacksmustern im Jahr stehen knapp 4.000 Unionsmarkenanmeldungen gegenüber – nach dem Vorstehenden liegt der Designaffinitätsfaktor also noch weit hinter Deutschland. Man könnte sich nun fragen, ob vielleicht nationale Anmeldungen einen gewissen Ausgleich schaffen – wie der Praktiker weiß, sind nationale Designanmeldungen aber seit der Verfügbarkeit des Gemeinschaftsgeschmacksmusters vernachlässigbar; tatsächlich weist das Österreichische Patentamt in der Statistik für 2023 gerade mal 285 national angemeldete Designs auf (aber 4.761 nationale Markenanmeldungen).

Man kann nur jedem Unternehmen raten, vor jeder Produkteinführung zu reflektieren, ob Nachahmungen zu erwarten sind – und entsprechend Schutz für neues Produktdesign zu erlangen. Das geht von klassischen Konsumgütern bis zu spezialisierten Apparaten oder Maschinen im b2b-Bereich. Wenn sich ein Produkt als erfolgreich und besonderer Kandidat für Nachahmungen herausgestellt hat, wird es meist schon zu spät sein, wenn die 12-monatige Neuheitsschonfrist vorüber ist und die Schutzvoraussetzungen von Neuheit und Eigenart voll zuschlagen.

Es darf zwar nicht vergessen werden, dass das Unionsgeschmacksmusterrecht auch das nicht eingetragene Unionsgeschmacksmuster schützt. Die dafür vorgesehene Schutzdauer von drei Jahren, ab dem es der EU-Öffentlichkeit erstmals zugänglich gemacht wurde, ist dann aber auch wieder schnell vorbei. Dann bleibt nur mehr der lauterkeitsrechtliche Nachahmungsschutz mit all seinen Schwierigkeiten.

 Dass eine Designanmeldung nicht auf das Vorliegen der materiellen Schutzvoraussetzungen geprüft wird, ist für den umsichtigen Schutzrechtsinhaber von Vorteil, weil sein eingetragenes Design eine weitgehende Gültigkeitsvermutung für sich hat. Wenn er einerseits das Design selbst entwickelt hat und andererseits den Markt mit dem bestehenden Formenschatz ausreichend kennt, sollte ein von einem Gegner als Verteidigung angestrengtes Widerklage- oder Nichtigkeitsverfahren beherrschbar sein.

Eine Designoffensive wäre also gut, und 2025 ist ein passender Zeitpunkt dafür! Ein Hinweis dazu: Am 18. 2. findet aus Anlass der EU-Designrechts-Modernisierung eine Veranstaltung der ÖV mit Referenten aus der Anwaltschaft, der Wirtschaft und für die Designschaffenden statt: näheres unter www.oev.or.at.

[1] Baumgartner, Designrecht updated – Wesentliche Änderungen der EU-Designrechtsreform, ÖBl 2024/71.

[2] VO (EU) 2024/2822 des EP und des Rates zur Änderung der VO (EG) 6/2002 des Rates über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster und zur Aufhebung der VO (EG) 2246/2002 der Kommission, ABl L 2024/2822.

[3] RL (EU) 2024/2823 des EP und des Rates über den rechtlichen Schutz von Designs, ABl L 2024/2823.

[4] Hier sind die knapp 20.000 Internationalen Designs aus dem Haager System nicht eingerechnet, wofür in den Statistiken des EUIPO keine Aufschlüsselungen zu finden waren. Bei den Unionsmarken sind die dort knapp 30.000 Internationalen Registrierungen aus dem Madrider System hingegen in den aus den Statistiken des EUIPO entnommenen Zahlen enthalten.

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